Eigentlich mag sich Michael Buschheuer nicht gerne politisch äußern. Dennoch gleicht der Abend mit dem Gründer der Seenotrettungsorganisation Sea-Eye im Regensburger Presseclub einer Lehrstunde über die europäische Flüchtlingspolitik. Es ist ein Kampf wie David gegen Goliath. Auf der einen Seite steht die private Organisation Sea-Eye, die mit zwei alten Schiffen gegen viele Widerstände weiterhin auf dem Mittelmeer Flüchtlinge vor dem Ertrinken retten will. Auf der anderen Seite stehen die europäischen Staatsmächte, die heilfroh sind, dass die Flüchtlingszahlen steil nach unten gegangen sind - und die es den Rettungsorganisationen auf dem Mittelmeer laut Buschheuer schwer machen, ihre Mission zu erfüllen.
Das hat Folgen: Im vergangenen Jahr seien noch elf private Seenotrettungsorganisationen - überwiegend deutsche - mit 13 Schiffen vor Ort gewesen, erzählt Buschheuer, Unternehmer und dreifacher Familienvater aus Regensburg. Nun sei es ein einziges. Die anderen Organisationen seien verklagt, drangsaliert oder anderweitig gebremst worden. Auch die Sea-Eye und die Seefuchs, die beiden Schiffe der Regensburger Retter, laufen derzeit nicht aus. "Wenn wir uns nur einen Meter bewegen, werden die Schiffe beschlagnahmt", ist sich Buschheuer sicher. Dennoch plant Sea-Eye, ein drittes Schiff zu kaufen - "auch wenn es nur ein, zwei Mal auslaufen kann, ist es uns das wert".
Seit 2016 rund 15 000 Menschen gerettet
15 000 Menschen hat der Verein nach eigenen Angaben seit 2016 gerettet. In den schiffsbrüchigen Schlauchbooten sitzen zu 70 Prozent Männer und je 15 Prozent Frauen und Kinder, schätzt Buschheuer. Die meisten stammen aus Westafrika und haben bereits eine erschöpfende, gefährliche Flucht über das afrikanische Festland hinter sich. Die Fahrt von der libyschen Küste über das Mittelmeer ist das letzte Stück auf dem Weg ins ersehnte Europa.
Wie die anderen privaten Seenotretter war die Sea-Eye von Anfang an der Kritik ausgesetzt, dass ihre Arbeit dazu führe, dass die Schlepper in Libyen nur noch mehr Menschen in seeuntaugliche Schlauchboote setzen und losfahren lassen. Ja, er habe Angst, Teil des Problems zu werden, räumt Buschheuer ein. Allerdings gebe es mehrere wissenschaftliche Studien, die zu dem Ergebnis kommen, dass es diesen Zusammenhang nicht gebe. Aber auch wenn es so wäre, würde die Sea-Eye weiter retten, betont Buschheuer. "Wir können nicht den einen nicht retten, damit der andere nicht kommt", rührt er an der großen moralischen Frage hinter dem Konflikt. Er sei sich bewusst, dass die Europäer durch ihre Menschlichkeit erpressbar seien. Das sei für ihn aber kein Grund, diese Menschlichkeit aufzugeben.
Eigentlich müssten die europäischen Staaten dafür sorgen, dass an den Außengrenzen Europas keine Menschen ertrinken, sagt Buschheuer. Doch die italienische Seenotmission Mare Nostrum wurde 2014 nicht verlängert, Frontex übernahm. Der Grenzschutzagentur wirft Buschheuer vor, eher weg- als hinzusehen, wenn Flüchtlinge ertrinken.
Politik soll handeln
"Wir sind nur da, weil es einen systemischen Fehler gibt, den wir versuchen zu flicken", sagt Buschheuer und richtet einen eindringlichen Appell an die Mächtigen in Europa: "Weshalb erträgt es die EU, dass an ihren Außengrenzen Menschen ertrinken? Weshalb schüttelt sich die EU, wenn Trump 3000 Kinder von ihren Eltern trennt? Wir trennen sie nicht, wir lassen sie gemeinsam ertrinken." Sein größter Wunsch an die deutsche Politik? "Dass sie uns unnütz macht."
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