Regensburg
30.12.2018 - 19:39 Uhr

Halbzeit im Prozess um Regensburgs suspendierten Oberbürgermeister

Fast die Hälfte der im Prozess um Joachim Wolbergs angesetzten Tage ist vorbei. Trotzdem bleiben viele Fragen ungeklärt. Das Verfahren zieht sich, der Ton wird schärfer. Zuweilen menschelt es aber auch im Gerichtssaal 104.

Der Regensburger Ex-Oberbürgermeister Joachim Wolbergs mit seinen Anwälten Jutta Niggemeyer-Müller und Peter Witting (von links) auf dem Weg ins Landgericht Regensburg. Bild: Bettina Dostal
Der Regensburger Ex-Oberbürgermeister Joachim Wolbergs mit seinen Anwälten Jutta Niggemeyer-Müller und Peter Witting (von links) auf dem Weg ins Landgericht Regensburg.

Es ist der größte und längsten Prozess, den Regensburg je erlebt hat. Auf der Anklagebank sitzen der suspendierte Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) und drei weitere Beschuldigte. Seit September kreist das Gericht um die Frage, ob und was an den Korruptionsvorwürfen gegen Wolbergs, den Immobilienunternehmer Volker Tretzel, dessen ehemaligen Mitarbeiter Franz W. und den früheren SPD-Fraktionschef Norbert Hartl dran ist.

29 von angesetzten 70 Verhandlungstagen sind vorbei – und immer noch sind viele Fragen offen. Während die Klärung der Vorwürfe schleppend vorangeht, werfen Fehler der Ermittler einen Schatten auf den Prozess. Nicht gelöschte Verteidigergespräche, falsche und sinnentstellende Verschriftlichungen von Telefonaten gehören zu den Pannen, die Richterin Elke Escher bereits gerügt hat. Die Verteidiger der Beschuldigten haben am letzten Verhandlungstag im Jahr 2018 sogar beantragt, das Verfahren ganz einzustellen, weil sie den Grundsatz eines fairen Verfahrens nicht mehr gewährleistet sehen. Entscheiden wird die Richterin darüber im neuen Jahr, eine Einstellung gilt allerdings als unwahrscheinlich.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Wolbergs und Hartl alles in ihrer Macht Stehende taten, damit Bauträger Tretzel 2014 beim Verkauf von drei Wohnbaugebieten auf dem Areal der ehemaligen Nibelungenkaserne den Zuschlag bekam. Im Gegenzug soll Tretzel mit einer verdeckten Großspende Wolbergs‘ Wahlkampf unterstützt und den SSV Jahn vor der Pleite gerettet haben.

Breiten Raum hat in der Beweisaufnahme eine Email eingenommen, in der Hartl einen Entwurf des SPD-Ausschreibungsantrags für das Nibelungenareal an Tretzel schickte, mit der Aufforderung, „Änderungswünsche bitte in Rot“ einzutragen. Wolbergs war in CC gesetzt, bestreitet aber bis heute, die Mail gelesen zu haben. Hartl habe ihm sehr viele Mails geschickt. Auch von einer brisanten Aktennotiz will Wolbergs erst durch die laufenden Ermittlungen erfahren haben. Die „Aktennotiz zum Gespräch Wolbergs und Hartl“, die bei einem Tretzel-Mitarbeiter gefunden wurde und wohl von Franz W. erstellt wurde, listet detaillierte Vergabekriterien für das Nibelungenareal auf. Wolbergs sagte vor Gericht, diese Aktennotiz könne er sich nicht erklären.

Zuweilen menschelt es in Saal 104 sehr. Was im Kopf hängenbleibt: Die Wutrede von Wolbergs am zweiten Verhandlungstag. Das suspendierte Stadtoberhaupt nutzte sein Eröffnungsstatement dazu, nochmals ausdrücklich seine Unschuld zu beteuern. Er redete sich aber auch seinen Frust von der Seele. „Ich habe alles verloren, und ich meine zu Unrecht.“ Heftige Wortgefechte liefert sich Wolbergs immer wieder mit Staatsanwältin Christine Ernstberger.

Im Gegensatz zu Wolbergs schweigen die anderen drei Beschuldigten im Prozess. Umso überraschender war es, zum ersten Mal die Stimmen von Tretzel, Hartl und Franz W. auf Tonband zu hören. Mehrere Monate lang waren die Telefonate der Beschuldigten abgehört worden, ausgewählte Gespräche werden nun im Gerichtssaal vorgespielt. Im Zentrum steht dabei häufig Vieltelefonierer Hartl. Wenn er in tiefstem Dialekt am Telefon lospoltert, kann sich auch Richterin Escher ein Schmunzeln nicht verkneifen. Der Prozess wird am 7. Januar fortgesetzt.

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