Die Oberpfalz und das Judentum: Ein Abend der starken Botschaften

Regensburg
06.08.2021 - 19:04 Uhr
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Bei der Regierung in Regensburg wurden "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" gefeiert. Die Gästeliste war prominent besetzt. Die Stars des Abends waren aber ein 17-jähriger Amberger und eine 15-jährige Sulzbach-Rosenbergerin.

Der 17-jährige Tim Kurockin steht im Innenhof des Dominikanerkreuzgangs in Regensburg und erzählt das, was er eigentlich schon immer erzählt. Er spricht von Aufklärung und Toleranz. Er will den Menschen seine Religion, das Judentum, näher bringen. Das ist für ihn nichts Neues. Was aber neu ist, sind die Zuhörer. Denn am Donnerstagabend lauschten unter anderem der stellvertretende Generalkonsul Israels, Liran Sahar, der Oberpfälzer Regierungspräsident Axel Bartelt und der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer seinen Worten.

Tim Kurockin wurde von der Regierung der Oberpfalz zu ihrem Sommerempfang „Grüß Gott und Shalom – Gemeinsam für unsere Heimat“ eingeladen. Es war ein Abend, der die Kulturen zusammenbrachte. Es wurde nämlich das Jubiläum „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ gefeiert und die Gästeliste war durchaus prominent besetzt. Die beiden großen Stars waren aber die 15-jährige Elisabeth Groh aus Sulzbach-Rosenberg und der 17-jährige Tim Kurockin aus Amberg.

Dankbar, aber weiter bescheiden

„Sie lernen jetzt den Jungen kennen, der nichts Besonderes sein möchte“, stellte Kathrin Kammermeier, Pressesprecherin der Regierung, Tim den anderen Gästen auf dem Sommerempfang vor. Kammermeier spielte damit auf die Überschrift eines Artikels von Ende Mai an, der auf der zweiten Seite unserer Gesamtausgabe erschienen ist. In diesem Artikel beschrieb Tim in bescheidener Art und Weise sein Leben als junger Jude in Amberg und erklärte, wie er anderen Jüdinnen und Juden gerne helfen möchte. „Tim, ich kann aus Pressestellenerfahrung sagen: Auf Seite zwei des Neuen Tages kommt man nicht, wenn man nichts Besonderes ist“, sagte Kammermeier.

„Ich bin sehr dankbar, ich mache dieses Projekt aber nicht für mich“, entgegnete Tim. Er wisse diese Einladung sehr zu schätzen und sei froh so viele wichtige Menschen treffen zu können. Selbst im Mittelpunkt wolle er aber weiterhin nicht stehen. Die Inhalte stünden für ihn im Vordergrund. Das machte er auch bei seinem Auftritt am Donnerstagabend klar. Er erzählte von Antisemitismus und Vorurteilen. Es ärgere ihn, dass bewaffnete Polizisten vor Synagogen stehen müssen und, dass es überhaupt einen Antisemitismus-Beauftragten in Bayern brauche.

Genau eben dieser war auch am Donnerstagabend in Regensburg zu Gast. Ludwig Spaenle, Antisemitismus-Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung, hielt eine emotionale Rede im Innenhof des Dominikanerkreuzgangs. „Wir können handeln. Wir müssen hinschauen. Meistens geht es mit einer komischen Bemerkung los. Ein jüdischer Witz ist etwas Wunderbares? Ein Judenwitz ist Dreck“, stellte Spaenle klar und forderte: „Und dann eben eine Bemerkung nicht zuzulassen, so geht es los“. Es gehe vor allem darum, noch wachsamer zu sein – gerade in Zeiten von Querdenker-Demos, bei denen wieder von angeblich dunklen Bedrohungen die Rede sei. Die Gesellschaft müsse hier zusammenstehen und auch Zeichen setzen.

Zeichen wie sie zum Beispiel auch die junge Oberpfälzerin Elisabeth Groh setzt. Sie ist 15 Jahre alt, kommt bald in die 10. Klasse und ist Wertebotschafterin an der Walter-Höllerer-Realschule in Sulzbach-Rosenberg. „Ich unterstütze die Schule dabei, dass viel mehr über Werte unter den Schülern verbreitet wird“, erklärt Elisabeth.

Die Sulzbach-Rosenbergerin startete beispielsweise das Projekt „Werte to go“. „In jedem Klassenzimmer hing ein Zettel, die Schüler durften sich einen Teil davon abreißen und der Wert, der auf ihrem Zettel stand, wurde von ihnen an diesem Tag dann besonders beachtet.“ Werte wie Respekt und Hilfsbereitschaft würden im Schulalltag oftmals untergehen, das wolle sie als Wertebotschafterin verhindern, erklärte die 15-Jährige.

Ein bewusstes Zeichen

„Wir wollen hier ein Zeichen setzen für ein gutes Miteinander“, erklärte der Oberpfälzer Regierungspräsident Axel Bartelt in seiner Rede. Dazu gehöre aber auch das Auseinandersetzen mit der Vergangenheit. Deshalb wurde beispielsweise der Ort des Sommerempfangs, der Innenhof des Dominikanerkreuzgangs, bewusst als Zeichen der Mahnung gewählt. „Wir wollen nicht vergessen, dass der Dominikanerorden im Mittelalter beim Thema Antisemitismus beileibe kein unbeschriebenes Blatt war“, sagte Bartelt.

Und auch Tim Kurockin weiß, dass noch einiges zu tun ist, bis der Judenhass endgültig aus der Gesellschaft verschwunden ist. Ab September wird er ein Teil von „Meet a Jew“ sein. Unter dem Motto „Miteinander statt übereinander reden!“ vermittelt das Begegnungsprojekt des Zentralrats der Juden in Deutschland ehrenamtliche jüdische Jugendliche und Erwachsene an Schulen oder Sportvereine.

Bei den Begegnungen wird Tim dann wieder das tun, was schon längst nichts Neues mehr für ihn ist. Er wird über Aufklärung und Toleranz sprechen. Er will den Menschen seine Religion, das Judentum, näher bringen. Und auch wenn die Zuhörer vielleicht nicht mehr so prominent sein werden, bleiben seine Botschaften die gleichen.

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Amberg27.05.2021
Kommentar:

Weg mit der Sündenbock-Kultur

Sie sind in diesen Tagen leider deutlich lauter hörbar als in den vergangenen Jahren: Die Verschwörungsschwurbler, die von einer „dunklen Macht“ sprechen und damit vor allem das „Weltjudentum“ meinen.

Der Antisemitismus-Beauftragte Bayerns, Ludwig Spaenle, hat am Donnerstagabend in Regensburg wieder eindringlich davor gewarnt und die Gesellschaft in die Pflicht genommen, noch sensibler auf Anzeichen oder dumme Sprüche zu reagieren. Er hat recht. Oftmals müssen Jüdinnen und Juden nämlich schon wieder als Sündenböcke herhalten. Das darf nicht sein.

Wie wir dieses Problem angehen sollten? Ganz einfach! Wir dürfen es uns nicht zu einfach machen und vor allem nicht akzeptieren, dass gewisse Menschen den Antisemitismus nutzen, um es sich selbst viel zu einfach zu machen.

Denn: Ihr Judenhass ist meistens nur ein Symptom der eigenen Unzufriedenheit. Sie können beispielsweise doch nicht ernsthaft meinen, dass Jüdinnen und Juden etwas mit der Corona-Pandemie oder den zurückliegenden Ausgangsbeschränkungen zu tun haben, oder? Wir sollten sie auf jeden Fall damit konfrontieren – auch wenn das sicher nicht einfach wird.

Von Sebastian Böhm

 
 

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