Es sieht aus wie ein stinknormales Fahrrad mit Motor. Wenn Simon Bäuml mit seinem schwarzen E-Bike durch Regensburg fährt, ist das auf den ersten Blick nichts besonderes. Wenn er aber absteigt und das Rad absperrt, ändert sich die Sache. Bäuml zieht eine kleine Fernbedienung aus der Tasche, hält sie zum Rad, drückt drauf – und geht, einfach so. Sein E-Bike bleibt zurück, wie abgestellt, ohne Ketten- oder Bügelschloss.
Simon Bäuml fährt kein stinknormales Fahrrad, sondern ein einzigartiges. Sein E-Bike ist ein Prototyp, das erste Fahrrad mit dem integrierten Hightech-Schloss seines Start-ups "2Lock".
Drei junge Gründer sind es – neben Simon, 26, auch sein älterer Bruder Benedikt Bäuml, 28, sowie ihr Kumpel Marin Scherl, 27. Die Regensburger kommen aus Sinzing (Landkreis Regensburg) und Umgebung, studierten an der OTH in Regensburg und Weiden. Und setzen nun alles auf eine Karte – auf ihr Unternehmen. Sie haben viel Geld reingesteckt, eigenes Geld, Geld der Familie. Für den Anwalt, wegen der Patente. Sie wollen ihre Idee schützen. Wenn alles nach Plan läuft, werden die Regensburger die Fahrradbranche verändern.
Klassische Schlösser sind zu knacken
Die Idee ist ein neuartiges Sicherheitssystem für E-Bikes, das als Teil des Rads verbaut wird, wie etwa eine Shimano-Gangschaltung. "Das machen wir, indem wir in der vorderen Radnabe zwei Schließmechanismen einbauen", erklärt Benedikt Bäuml. Der erste Mechanismus verhindert die Rotationsfähigkeit des Laufrads. "Dadurch kann man es nicht mehr fahren und auch nicht mehr schieben." Der zweite verhindert den Ausbau des vorderen Laufrads. Zudem gebe es eine Alarm- und GPS-Ortungsfunktion.
Das System bietet für Diebe keine Angriffsfläche mehr, sagt der 28-Jährige, der in Weiden studierte. Versucht ein Dieb das Schloss mit einer Flex aufzuschneiden, zerstöre er Laufrad und Gabel. Freilich könne man das Rad wegtragen – das sei aber gar nicht so leicht, so ein E-Bike wiegt zwischen 20 und 30 Kilo. Aber selbst dann sei das Rad nicht nutzbar. Es weiterzuverkaufen, lohne sich also nicht. Es zu klauen, erst recht nicht, findet Bäuml, der alleine zu dem Treffen in Regensburg kommt, seine zwei Kollegen haben zu tun. "Dieser physische Schließmechanismus ist das letzte Puzzleteil, das der Radindustrie fehlt", sagt er. Da gebe es derzeit nichts. Und da setzen die drei Oberpfälzer an.
Das Problem ist ja, dass die klassischen Fahrradschlösser keinen ausreichenden Schutz bieten, sagt Benedikt Bäuml. Alle sind zu knacken, für Profis zum Teil innerhalb einer Minute. Bäuml zeigt ein Video auf seinem Laptop, in dem ein Bügelschloss mit einem hydraulischen Bolzenschneider zerlegt wird – ohne viel Aufwand, geräuschlos.
Im vergangenen Jahr wurden in der Oberpfalz 1761 Fahrräder als gestohlen gemeldet, wie aus dem Sicherheitsbericht der Polizei hervorgeht. Die Dunkelziffer dürfte um einiges höher liegen. Die Aufklärungsquote lag bei 17 Prozent.
"Premiumhersteller" an der Angel
Auf die Frage, ob ihnen schon mal ihr Rad gestohlen wurde, muss Bäuml lachen. Die Frage komme immer. Aber nein. Die Idee hatte Simon, sagt der ältere Bruder. Der habe das Problem eher von der praktischen Seite aus gesehen. "Wenn du dein teures Rad jeden Tag drei, vier Mal absperren, das Schloss durch die Speichen friemeln musst, kriegst du irgendwann die Krise", sagt Benedikt Bäuml. Das müsse doch auch anders, besser gehen, habe Simon gedacht.
Ihr Schloss braucht niemand mitschleppen, erklärt Bäuml, ihr Schloss lässt sich ganz einfach schließen – per Knopfdruck, wie bei einem Auto. Entweder per Fernbedienung oder per App am Handy.
Bis es in Serie verkauft wird, ist es noch ein langer Weg. "In den nächsten drei Jahren, bis wir auf den Markt kommen", sagt Bäuml, "können wir unser Sozialleben auf ein Minimum reduzieren." Kein gescheiter Urlaub, kein richtiges Weihnachten, nur Arbeit.
Einen Hersteller haben sie bereits an der Angel, sagt Bäuml. Ein "Premiumhersteller", mit dem man auf den Markt gehen will. Der dann letztendlich auch entscheiden wird, wie viel teurer so ein E-Bike mit dem Hightech-Schloss wird. Welcher Hersteller das ist, das will Bäuml nicht verraten. Einer aus der Oberpfalz sei es aber nicht. Aber das könne ja später noch werden.
"Da ist viel Musik drin"
Aktuell sind sie auf Investorensuche, es geht um die Finanzierung. Es geht aber auch um die Serialisierung, sie suchen ebenfalls Entwicklungspartner. Für eine professionelle Umgebung ziehen sie nun in ein Büro in der Techbase Regensburg. Bisher haben sie in der Wohnung von Benedikt Bäuml gearbeitet.
Die Techbase ist ein "Innovations- und Gründerzentrum", es liegt auf dem Regensburger Hochschulcampus. Hier sitzen Start-ups, aber auch große Unternehmen wie Continental, Horsch, Krones oder Infineon. "Die Techbase ist in erster Linie ein Ort der Vernetzung", sagt Geschäftsführer Alexander Rupprecht, der das Treffen mit Bäuml in seinem Büro eingefädelt und, so erzählt er es, gerade eben den Vertrag mit "2Lock" unterschrieben hat. "Die Gründer haben hier Flächen zum Arbeiten, zum Entwickeln." Sie bekämen hier Unterstützung, Beratung. Und auch die Konditionen, die Mieten, sind billiger. Die Techbase wird von der Stadt Regensburg finanziert.
Damit sollen Leute, die etwas gründen wollen, in der Region gehalten werden, damit die nicht nach München oder Berlin gehen müssen. Die Start-up-Szene in der Oberpfalz ist besser als ihr Ruf, meint Rupprecht. Schon einige Start-ups haben die Techbase verlassen und sind dann groß geworden. Auch den Jungs von "2Lock" bescheinigt er eine gute Zukunft: "Ich glaube, da ist viel Musik drin."
Benedikt und Simon Bäuml sowie Martin Scherl glauben an ihr Produkt. Irgendwann sollen möglichst alle E-Bikes mit dem "2Lock"-Sicherheitssystem ausgestattet sein. "Es wäre cool", sagt Benedikt Bäuml, "wenn wir irgendwo in Regensburg sitzen und ein Fahrrad mit unserem Schloss vorbeifahren sehen." Bis dahin ist Simon Bäuml mit dem Prototypen der einzige, der mit so einem Bike unterwegs ist. Gestohlen hat es ihm noch niemand.
Erfolge der Techbase Regensburg
- Ibi Systems und Nexis: IT-Sicherheit; Ausgründungen der Uni Regensburg; haben im August ein eigenes Gebäude bezogen mit einer Fläche für 200 Mitarbeiter.
- Anybill: Digitaler Kassenbon; haben mittlerweile 30 Mitarbeiter und einen Standort in München.
- 2Lock: Hightech-Schloss für E-Bikes; haben vor kurzem den "Businessplan Wettbewerb Nordbayern" gewonnen.
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