Am 10. September 2017 überzeugte Bibiana Steinhaus mit "professioneller Unauffälligkeit". So betitelte die "Süddeutsche Zeitung" an diesem Tag ihren Artikel, der um 18:05 Uhr online gegangen war. Also knapp 45 Minuten nach Abpfiff der Partie Hertha BSC gegen den SV Werder Bremen wurde die Leistung der Schiedsrichterin sogar in einem eigenen Bericht beurteilt – es ist nur ein Beispiel von vielen für den damaligen Hype. Denn Bibiana Steinhaus stand an diesem 3. Spieltag der Fußball-Bundesliga im größtmöglichen Rampenlicht. Und das obwohl die Schiedsrichterin an diesem Spieltag überhaupt keine Fehlentscheidung getroffen hatte. Aber: Bibiana Steinhaus war ab diesem Zeitpunkt die erste Frau, die in Deutschland ein Spiel der Männer-Fußball-Bundesliga gepfiffen hatte.
Inzwischen sind fünf Jahre vergangen. Bibiana Steinhaus hat ihrem Nachnamen noch ein "-Webb" angehängt. Sie hat nämlich den englischen Referee Howard Webb geheiratet. Auf den Fußballplätzen ist sie als Schiedsrichterin dagegen nicht mehr zu finden. Doch dazu später mehr.
"Bibiana Steinhaus hat damals einen Riesen-Meilenstein gesetzt", sagt Lisa Schmidl. Die 31-Jährige aus Schmidgaden (Landkreis Schwandorf) ist auch Schiedsrichterin – und das schon seit 14 Jahren. Früher pfiff sie Männerspiele in der Bezirksliga, aktuell ist sie in der Kreisliga aktiv. "Es macht keinen Unterschied, ob ein Mann oder eine Frau pfeift", stellt sie klar. Oft höre sie aber diesen einen Satz, der sie so sehr ärgert: "Für eine Frau gut gepfiffen." Es ist eine Beleidigung, die nur halbherzig in ein Lob verpackt wurde. Lisa Schmidl stellt die Gegenfrage: "Was heißt das? Heißt das, dass Frauen prinzipiell schlechter sind als Männer oder anders pfeifen würden?" Und sie beantwortet sich ihre eigene Frage gleich selbst. "Diesen Job oder diese Funktion kann man unabhängig vom Geschlecht gleich gut ausüben."
Sprüche von "älteren Herren"
Sprüche, ob man nicht besser in der Küche aufgehoben sei, gäbe es immer noch, aber eigentlich kämen diese Sätze nur von Zuschauer-Seite. "Vor allem von älteren Herren", sagt Schmidl. Diese seien noch in einer Zeit aufgewachsen, in der Frauen nicht einmal Fußball spielen durften – geschweige denn Fußballspiele pfeifen. "Bei den Spielern war aber sowieso immer alles cool", betont die Schmidgadenerin.
Frauen, die Schiedsrichterinnen sind und auch Männerspiele pfeifen. "Vor allem bei uns in der Oberpfalz ist das noch nicht so angekommen", sagt sie. Andere Bezirke in Bayern seien da schon deutlich weiter. Sie findet das schade. Denn die Schiedsrichterei helfe ihr auch in ihrem Alltag abseits des Platzes. So war das beispielsweise nach dem Abitur, als sich Lisa Schmidl für ihr Duales Studium beworben hatte. Der Personalleiter konzentrierte sich im Bewerbungsgespräch vor allem auf ihre Tätigkeit als Schiedsrichterin. "Ich hatte es in meiner Bewerbung mit angegeben." Denn eine Unparteiische erfüllt viele Punkte, die in Unternehmen und in der Wirtschaft gefragt sind. Flexibilität, Entscheidungsfreudigkeit, das Befolgen von Regeln und das Meistern von Stress-Situationen können da zum Beispiel genannt werden. All das hatte Lisa Schmidl bereits in zahlreichen Kursen und Übungen rund um ihre Schiedsrichterinnen-Tätigkeit gelernt. "Letzten Endes haben sie mir wahrscheinlich zu meinem Dualen Studium verholfen", sagt sie über die Kurse.
Auch Anna-Lena Mayer wäre ohne ihr Hobby mit der Pfeife nicht der Mensch, der sie heute ist. Die 29-Jährige vom VfB Thanhausen (Landkreis Tirschenreuth) ist seit acht Jahren Schiedsrichterin. Sie wird aktuell in der Bezirksliga eingesetzt. "Ich pfeife eigentlich nur Männerspiele", sagt sie. Sie habe sich bewusst für die Männerschiene entschieden. Diese Spiele würden ihr einfach mehr liegen. Negative Erfahrungen habe sie noch nicht gemacht. "Aber ich lasse das nicht so nah an mich ran", erklärt sie. Auch Anna-Lena Mayer hat einen ganz bestimmten Satz, der ihr nicht mehr aus dem Kopf gehen will. Sie hatte ihn damals auf einer Schulung gehört: "Es geht nie gegen euch persönlich, sondern immer gegen die Schiedsrichterin." Diesen Satz habe sie sich echt zu Herzen genommen. Er hilft ihr.
Andere Rolle auf dem Platz
Denn die 29-Jährige beschreibt sich selbst eigentlich als sehr sensiblen Menschen. Beim Fußball gelinge es ihr aber, eine andere Rolle einzunehmen. In einem Spiel musste sie beispielsweise mal lauter werden. Einer der Spieler ging früher mit ihr in die Grundschule. "Er sagte nach der Partie zu mir: 'Ich wusste gar nicht, dass du laut werden kannst'", erklärt Anna-Lena Mayer und muss lachen. Sie versuche diese Rolle der Schiedsrichterin nun auch immer öfter in ihren Alltag abseits des Platzes zu integrieren. Das klappt aber nicht immer. Auf dem Fußballplatz bei Spielen sei sie immer noch oft eine ganz andere Person als davor oder danach.
Überhaupt nicht mehr auf den Fußballplätzen als Schiedsrichterin unterwegs ist Bibiana Steinhaus-Webb. Bei ihrem ersten Bundesliga-Spiel der Männer zwischen Hertha BSC und Werder Bremen benötigte Bibiana Steinhaus nur eine Gelbe Karte. Doch dem Deutschen-Fußball-Bund zeigte sie am Ende ihrer aktiven Karriere die Rote Karte. Sie beendete bereits mit 41 Jahren ihre nationale und internationale Laufbahn. "Wie viele Menschen in der Zeit der Corona-Situation habe ich manches reflektiert und neu bewertet", erklärte sie damals. Inzwischen arbeitet Bibiana Steinhaus-Webb bei der englischen Schiedsrichtervereinigung.
Die Karriere der Bibiana Steinhaus-Webb
- Schiedsrichterin in der Bundesliga: 2017 bis 2020
- Spiele in der Bundesliga: 23
- Schiedsrichterin in der 2. Bundesliga: 2007 bis 2020
- Spiele in der 2. Bundesliga: 92
- Schiedsrichterin in der Frauen-Bundesliga: 1999 bis 2017
- Spiele in der Frauen-Bundesliga: 35
- Fifa-Schiedsrichterin: 2005 bis 2020
- Schiedsrichterin des Jahres: Saison 2006/2007, Saison 2007/2008, Saison 2008/2009, Saison 2009/2010, Saison 2010/2011, Saison 2016/2017, Saison 2017/2018
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