Schmidmühlen
04.11.2021 - 11:41 Uhr

Allerseelenschiffchen tauchen Lauterach in mystisches Licht

Auch fast 100 Jahre nach der ersten Dokumentation lassen die Kinder in Schmidmühlen einen alten Brauch weiterleben: das Allerseelenschiffchen. Eine Tradition, die es sonst nirgendwo im Landkreis Amberg-Sulzbach gibt.

Fast 100 Allerseelenschiffchen lassen die Kinder in der Lauterach bei Schmidmühlen zu Wasser. Bild: pop
Fast 100 Allerseelenschiffchen lassen die Kinder in der Lauterach bei Schmidmühlen zu Wasser.

Der Tod hat so gut wie keinen Platz mehr in den Köpfen der Menschen in den westlichen Industriegesellschaften. In Schmidmühlen ist dies aber etwas anders. So gedenkt man in der Gemeinde an Allerseelen nicht nur im Gottesdienst der Verstorbenen, sondern auch mit einem alten Brauch, dem Allerseelenschiffchen. Das Erinnern stand auch im Mittelpunkt des Gottesdienstes. Bereits bei seiner Begrüßung brachte Pfarrer Werner Sulzer den Kindern und Jugendlichen in der Kirche den Brauch in der ihnen eigenen Sprache näher. "Der Tod hat kulturübergreifend ein Bild, nämlich das Überqueren eines Flusses in eine andere, bessere Welt", sagte der Seelsorger. Für das Überqueren dieses Flusses hätten die Christen einen verlässlichen Lotsen, nämlich Jesus, der die Verstorbenen sicher an ihr Ziel bringe.

Beim Nachdenken über den Tod und dem Gedenken an die Toten bildete sich laut Sulzer viel weltliches Brauchtum heraus. Eine Tradition wurde 2002 nach einem fast 60 Jahre dauernden „Dornröschenschlaf“ in Schmidmühlen wieder neu belebt: das Allerseelenschiffchen. Der Pfarrer blickte in die Historie zurück: Im Markt war es christlicher Brauch, dass in der Allerseelenwoche in der Friedhofskirche St. Georg täglich der Rosenkranz gebetet wurde. Da es aber noch bis in die 1940er-Jahre hinein nicht in jeder kleinen Kirche elektrischen Strom gab, brannten auf den Kirchenbänken kleine Kerzen und Wachstöckel. An den Andachten nahmen natürlich auch die Kinder der Pfarrei teil. Denn nach dem Rosenkranz nahmen vor allem die Buben die brennenden Kerzen und Wachsstöckl, setzten sie auf kleine Rindenschiffchen oder Holzbretter und ließen sie auf der Lauterach schwimmen.

Dieser alte Brauch, so ist man in Schmidmühlen überzeugt, ist auf die tiefe Gläubigkeit der damals lebenden Leute zurückzuführen. Zu einem „Leben am Fluss“ gehört nach der damaligen Auffassung auch das „Sterben am Fluss“. Heute hat sich dieser Brauch, der die Lauterach in ein buntes Lichtermeer verwandelt, geradezu zu einer Licht- oder Naturmeditation entwickelt. So war auch heuer wieder ein anrührender Augenblick, als rund 100 Allerseelenschiffchen die Lauterach in ein mystisches Licht tauchten.

In der Pfarrkirche entzündet Mesnerin Claudia Kraus die Kerzen auf den Schiffchen der Kinder. Bild: pop
In der Pfarrkirche entzündet Mesnerin Claudia Kraus die Kerzen auf den Schiffchen der Kinder.
Fast 100 Allerseelenschiffchen tauchten auch heuer wieder die Lauterach in mystisches Licht. Bild: pop
Fast 100 Allerseelenschiffchen tauchten auch heuer wieder die Lauterach in mystisches Licht.
Schmidmühlen03.11.2019

"Der Tod hat kulturübergreifend ein Bild, nämlich das Überqueren eines Flusses in eine andere, bessere Welt."

Werner Sulzer, Pfarrer von Schmidmühlen

 
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