Schnaittenbach
15.09.2019 - 11:51 Uhr

Nach 14 Jahren wurde die Schnaittenbacher SPD wieder verboten

Vor 100 Jahren gründete sich der SPD-Ortsverband in Schnaittenbach. Uwe Bergmann, 2. Bürgermeister der Gemeinde und Sproß einer Schnaittenbach SPD-Dynastie, im Interview dazu.

Uwe Bergmann Bild: ads
Uwe Bergmann

Mit Uwe Bergmann will die SPD in Schnaittenbach der CSU bei der Kommunalwahl den Bürgermeisterposten entreißen. Im Interview erzählt er von der Geschichte der Sozialdemokraten.

ONETZ: Schnaittenbach vor 100 Jahren. In welche gesellschaftliche und politische Situation hinein wurde der SPD-Ortsverband gegründet?

Uwe Bergmann: Mit dem Ausbau der Kaolinindustrie war auch in Schnaittenbach die Zahl der Arbeiter angestiegen. Da war es naheliegend, dass politisch Gleichgesinnte die Arbeiterpartei SPD auch in unserem Ort ins Leben riefen. Am 30. November 1919 fand im Gasthof "Zum Schwane" - heute Gasthof und Hotel Haas - eine Versammlung zur Gründung eines Ortsvereines statt. Ein Referent aus Nürnberg erläuterte die Notwendigkeit eines Zusammenschlusses aller auf dem Boden des Sozialismus stehenden Bürger, wie es im noch erhaltenen Original des Protokollbuch des Ortsverein steht. Zum 1. Vorsitzenden wurde damals Josef Weigert gewählt, dem Michl Schuller und Josef Heindl zur Seite standen.

ONETZ: Welche Ziele verfolgten die Gründungsväter?

Uwe Bergmann: Die Gründungsväter wollten wohl in erster Linie die Interessen der Arbeiter und der Familien, die im Krieg den Vater verloren hatten und sich um ihr finanzielles Auskommen nun selbst kümmern mussten, vertreten. Sie wollten all denen, die täglich um ihre Existenz bangen und unsägliche Mühen auf sich nehmen mussten, eine Stimme geben.

ONETZ: Wie entwickelte sich der SPD-Ortsverein Schnaittenbach?

Uwe Bergmann: Aus dem Protokollbuch kann man entnehmen, dass sich der Ortsverein durchaus positiv entwickelte. So führte er im Mai 1930 eine Fahnenenthüllung durch, die mehr als 600 Teilnehmer im damaligen Markt Schnaittenbach zusammenführte. Es war aber auch eine Zeit, in der ein neuer, nicht mehr zu unterschätzender Gegner Fuß fassen konnte, die NSDAP. Der letzte Eintrag im Protokollbuch war im Februar 1933. Der damalige Vorsitzende schloss die Versammlung mit dem Gruß "Freiheit". Aber mit der Freiheit war es somit vorbei. In den kommenden Wochen wurde dann die SPD verboten.

ONETZ: Was waren die Höhepunkte in der 100-jährigen Geschichte der SPD, was die Tiefpunkte?

Uwe Bergmann: Ein wesentlicher Tiefpunkt war natürlich das Verbot der SPD und damit auch des Ortsvereins Schnaittenbach im Jahr 1933. Aber bereits am 6. Januar 1946 gründeten 26 Genossen die SPD wieder neu und riefen damit den SPD-Ortsverein Schnaittenbach wieder ins Leben. Seither hat er sich ständig positiv entwickelt, er ist heute mit über 100 Mitgliedern der viertstärkste Ortsverein im SPD-Kreisverband. In der Zeit nach dem Krieg stellte die SPD zweimal den Bürgermeister, von 1960 bis 1972 Josef Bergmann und von 1984 bis 2002 Karl Färber.

ONETZ: Warum sind Sie in die Schnaittenbacher SPD eingetreten?

Uwe Bergmann: Mich hat 1995 unser damaliger Bürgermeister Karl Färber gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, für den Stadtrat zu kandidieren. Im Prinzip habe ich gleich ja gesagt, weil ich mich schon immer im Ehrenamt engagiert habe. Diese Aufgabe hat mich gereizt, weil man im Stadtrat unmittelbar etwas für die Bürger bewirken kann. Dass es gleich beim ersten Mal geklappt hat, hat mich natürlich sehr gefreut. Außerdem kam für mich eigentlich nur die SPD infrage, weil ich als Jugendlicher Franz-Josef Strauß schon nicht mochte und mir die Werte der Sozialdemokratie einfach näher waren.

ONETZ: Was erfüllt Sie mit Stolz auf die 100-jährige Vergangenheit der SPD und was lehrt Sie die Geschichte der Schnaittenbacher SPD?

Uwe Bergmann: Vor 100 Jahren unterzeichnete der Sozialdemokrat und erster Reichspräsident Friedrich Ebert die Weimarer Verfassung. Dies war wohl auch der Anlass für Schnaittenbacher Sozialdemokraten aus den Gräueln des ersten Weltkriegs zu lernen und für Freiheit, Gleichheit und Solidarität vor Ort einzutreten. Keiner wusste in diesem Moment, dass diese freiheitliche Verfassung nur 14 Jahre Bestand haben sollte, bevor sie von dem menschenverachtenden Regime der Nationalsozialisten beseitigt wurde. Nur die SPD stimmte im Übrigen 1933 gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz. Auch Schnaittenbacher Sozialdemokraten kamen ihrer politischen Überzeugung wegen in ein Konzentrationslager. Dies zeigt uns, dass Demokratie keine Selbstverständlichkeit ist. Demokratie muss jeden Tag neu erkämpft und gelebt werden. Damals gab es zu wenig Demokraten, die für die Werte der Verfassung eingetreten sind. Leider gibt es auch in heutiger Zeit wieder Parteien, die eine Politik der Ausgrenzung und des Rassismus betreiben. Wir dürfen es nicht zulassen, dass diese kleine Gruppe wieder die Oberhand gewinnt. Dafür müssen wir kämpfen. Das ist die Verpflichtung, die uns frühere Sozialdemokraten mit auf den Weg gaben.

ONETZ: Wird die Schnaittenbacher SPD noch gebraucht?

Uwe Bergmann: Natürlich. Gerade unsere SPD-Basis macht in den Ortsvereinen eine gute Arbeit. Besonders in der Kommunalpolitik, wo ich zu Hause bin, ist eine Vielfalt an Meinungen unentbehrlich. Jede politische Gruppierung bringt Ideen und Sichtweisen ein. Daraus gute Kompromisse zu schließen und sie der Bevölkerung transparent zu vermitteln, ist die Kunst der Politik. Man muss einfach die Wirklichkeit betrachten und schauen, so weit als möglich die eigene Politik danach auszurichten. Genau das erwarten die Bürger von uns auch.

ONETZ: Welche Ziele hat die SPD heute?

Uwe Bergmann: Ganz klar: Wir wollen auf Landes- und Bundesebene wieder stärker werden. Die GroKo ist zwar besser als ihr Ruf, die SPD profitiert aber in keiner Weise davon. Dabei wurden viele unserer Verbesserungen für die Menschen in diesem Land umgesetzt. Der Koalitionsvertrag trägt eine sozialdemokratische Handschrift, 70 Prozent davon wurden laut unabhängiger Studien bereits umgesetzt. Wir müssen es schaffen, dass diese Erfolge auch der SPD zugeschrieben werden. Kurzfristig müssen wir mehr Tempo beispielsweise bei der Grundrente, bei der Vermögenssteuer oder bei der Abschaffung des Solidaritätszuschlags machen. Ich hoffe außerdem, dass ein neues Führungsduo auf Bundesebene frischen Wind in die politische Landschaft bringt und die SPD wieder von mehr Menschen als wählbar und personell sympathischer angesehen wird.

ONETZ: Was würden Sie sich für die SPD wünschen?

Uwe Bergmann: Ich wünsche mir, dass die SPD wieder die politische Kraft in Deutschland wird, die sie von ihrem Selbstverständnis heraus auch für sich in Anspruch nimmt. Wir brauchen uns unserer Geschichte nicht zu schämen. Ich schaue nicht mit verklärtem Blick zurück in die Vergangenheit, sondern versuche lieber die Herausforderungen von heute anzugehen und die Situation von Menschen aktuell auf Höhe der Zeit zu verbessern.

Die Feierlichkeiten:

Am Samstag, 16. November, feiern die Genossen mit einem Gottesdienst mit Totengedenken um 18.30 Uhr nach dem Friedhofsgang eine Messe in der Vituskirche. Um 19.30 Uhr schließt sich der Festabend im Vitusheim an.

 
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