Pfarrer Karl Borromäus Kramer war bis zu seiner Inhaftierung im November 1944 Seelsorger der Pfarrei St. Vitus in Schnaittenbach. Geboren 1881 in Geiersberg bei Deggendorf, besuchte er das Gymnasium in Metten und dann das Priesterseminar in Regensburg. Am 4. Juli 1905 empfing er im Dom zu Regensburg durch Bischof Ignatius von Senestrey die Priesterweihe und wirkte anschließend in Neukirchen Hl. Blut, Viechtach und Hirschau als Kooperator. Bevor ihm im November 1927 die Pfarrei in Schnaittenbach übertragen wurde, war er als Benefiziat in der Filialgemeinde Waldau eingesetzt.
In Schnaittenbach wurde Pfarrer Karl Borromäus Kramer als engagierter und gewissenhafter Seelsorger respektiert. Die Gläubigen schätzten ihn sehr, doch seine Prinzipien und sein Widerstand gegen die antireligiöse Erziehung der Nationalsozialisten brachten ihn in Konflikt mit dem NS-Regime. So kritisierte er die Nationalsozialisten für die von ihnen betriebene antireligiöse Erziehung der Kinder und Jugendlichen sowie für das Arbeitsverbot der Armen Schulschwestern an der Volksschule und in den Kindergärten.
Zum Verhängnis wurde Kramer eine Begebenheit am 1. Januar 1944, als er einem Jugendlichen die Absolution verweigerte. Dies führte zu einer Anzeige durch die Mutter des Jungen, woraufhin der Pfarrer im September 1944 zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt wurde. Trotz Einspruchs blieb das Urteil bestehen. Kramer trat seine Strafe am 3. November 1944 im Zuchthaus in Landsberg am Lech an.
Alfons Leißl, der zur dieser Zeit 15 Jahre alt war, kann sich noch gut daran erinnern. Er erlebte den Geistlichen als einen gütigen und gerechten Menschen in Kindergarten und Schule. Doch auch Kramer sorgte mit der damals üblichen Strenge für Ordnung im Unterricht, zu harten Züchtigungen, die bei vielen Lehrern der damaligen Zeit üblich waren, griff er aber seltener. Seine „Tatzen“, also Stockschläge auf die Finger, waren gefürchtet. Aber in den höheren Schulklassen soll es schon „einige Rabauken“ gegeben haben, bei denen es angebracht war, ist es aus Leißl Schilderungen herauszuhören. Den Unterschied machte er aber auch mit gezielten Belohnungen. Mit der vorwiegend bäuerlich geprägten Bevölkerung konnte er laut dem Zeitzeugen gut umgehen, er war als „Bauernpfarrer“ anerkannt und beliebt.
Die donnernde Kritik am NS-Regime von der Kanzel lag dem Geistlichen weniger, eher waren es seine mahnenden und wohl bedachten Worte, die ihm sehr viel Respekt einbrachten. Da fast alle Lehrkräfte in dieser Zeit keinen Hehl aus ihrer nationalsozialistischen Gesinnung machten, ist dies umso beachtlicher. Als frommer und vorsichtig abwägender Mensch passte er nicht in die Zeit der NS-Diktatur. Dennoch scheuten sich die örtlichen Nazi-Funktionäre zunächst, Maßnahmen gegen den Pfarrer einzuleiten, weil sie Unruhe in der Bevölkerung fürchteten. Letztlich gaben sie den Fall aber an die Kreisleitung weiter, die dafür sorgte, dass ein Gerichtsverfahren ins Rollen kam.
Pfarrer Kramer wurde wegen eines Vergehens gegen das damalige Heimtückegesetz angeklagt. Zur Last gelegt wurde ihm, dass er im Beichtstuhl "eine staatliche Einrichtung verunglimpft hat". Bei einem Beichtgespräch habe der Priester angeblich einem Jugendlichen erklärt, dass die nationalsozialistische Weltanschauung mit dem katholischen Glauben nicht vereinbar sei. Der junge Mann war freiwillig in eine nationalsozialistische Jugendorganisation eingetreten und konnte wegen kasernierter Arbeitseinsätze die Gottesdienste an den Sonntagen nicht besuchen. Der Priester soll ihm die Absolution nur unter der Bedingung in Aussicht gestellt haben, dass er wieder regelmäßig am Sonntagsgottesdienst teilnimmt.
Die Mutter des Jungen, die als Zeugin geladen war, fand in ihrer Aussage auch wohlwollende Worte für den angeklagten Pfarrer. Ihr war wohl die Tragweite der Anklage bewusst, und wollte - vielleicht auch aus Angst vor der dem Pfarrer wohlgesonnenen Bevölkerung - nicht als Denunziantin dastehen. Auch andere Zeugen setzten sich für den Pfarrer ein, was aber letztlich den Richter nicht von einer Verurteilung abhielt. Der Geistliche selbst lehnte es mit Hinweis auf das Beichtgeheimnis ab, Einzelheiten zu erzählen. Sein Anwalt hatte, wie Kramer selbst, rasch die Überzeugung gewonnen, dass eine Verteidigung angesichts der feindseligen Atmosphäre zwecklos wäre.
Während seiner Haft durfte er nur einmal im Monat schreiben, und viele der Briefe an ihn wurden ihm vorenthalten. Eine seiner ehemaligen Schülerinnen besuchte ihn nach Weihnachten und fand ihn stark abgemagert vor. In seinem letzten Brief im Februar 1945 schrieb Kramer, dass sein Gesuch um Strafnachlass abgelehnt worden sei. Die Bedingungen in der Haft waren seiner Gesundheit nicht zuträglich, der Geistliche zog sich eine schlimme Erkältung zu. Eine Lungenentzündung und eine Herzschwäche kamen schließlich noch dazu, weshalb er schon sehr geschwächt in das städtische Krankenhaus in Landsberg verlegt wurde. Dort konnte sein Leben nicht mehr gerettet werden. Er starb am 27. März 1945, zehn Tage bevor seine Haftzeit abgelaufen wäre.
Aufgrund des Krieges konnte der Leichnam des Pfarrers nicht sofort nach Schnaittenbach überführt werden. So wurde Pfarrer Karl Borromäus Kramer am Karsamstag im Priestergrab im städtischen Friedhof in Landshut beerdigt. Erst im November 1945 wurde sein Leichnam von Mesner Josef Reindl und weiteren Schnaittenbachern heimgeholt und im dortigen Priestergrab beigesetzt.
Die Erinnerung an Pfarrer Kramer ist in Schnaittenbach lebendig, unter anderem mit mehreren Gedenkorten, darunter eine Straßenbenennung und ein Feldkreuz. Auf Initiative von Hans Hirsch, Professor Dr. Manfred Stauber, Albert Wagner und Pfarrer Josef Gebhardt wurde neben dem Südportal der Pfarrkirche St. Vitus eine Gedenktafel angebracht, die der Weidener Bildhauer Günter Mauermann gestaltet hat.
Gemeinsam mit den Initiatoren der Gedenktafel will der Schnaittenbacher Arbeitskreis Heimat und Kultur die Erinnerung an Pfarrer Kramer lebendig halten. Er lädt zu einer Gedenkfeier am Priestergrab am Samstag, 29. März, um 18 Uhr ein, die im Abendgottesdienst um 18.30 Uhr in der Pfarrkirche ihre Fortsetzung findet.
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