Fast schon wie eine Prozession wirkte die lange Schlange von interessierten und mit Grafenried verbundenen Leuten, die der Einladung des CeBB am zweiten Septembersonntag folgten und sich von den Land-Art-Kunstwerken von Studenten der Landschaftsarchitektur aus Weihenstephan-Triesdorf und Prag inspirieren ließen. Nach der Bügellohe und Plöß wird jetzt zwei Jahre später das einen Steinwurf von der Grenze entfernt liegende, untergegangene Dorf Grafenried (Lučina) mit bis zum Kriegsende sudetendeutscher Bevölkerung ergänzend zum Erinnerungs- nun auch zu einem Kunstort am Grünen Band.
Nach der Vertreibung und dem Abriss von Brauerei, Schloss, Kirche, Friedhof und vieler stattlicher Bauern- und Handwerkerhäuser Anfang der 50er Jahre verschwanden die letzten Zeugnisse des einst kargen, aber intakten dortigen Lebens. Dank unvorstellbar ausdauernder Handarbeit, vorbildhaft Helmut Roith aus Treffelstein, kamen Mauersockel, Geschirrscherben, Türangeln und Grabkreuze, ja der ganze Friedhof, alles unkenntlich unter der überwuchernden Natur verschwunden, wieder zum Vorschein.
Es ist Verdienst der beiden Professoren Karl-Heinz Einberger (Hochschule Weihenstephan-Triesdorf) und Aleš Hnízdil (Landwirtschaftsuniversität Prag), jungen Studierenden der Landschaftsarchitektur bei einem einwöchigen Land-Art-Workshop die Augen zu öffnen für eine dunkle Zeitspanne der Geschichte an der bayerisch – böhmischen Grenze. Die Auseinandersetzung mit dem Erbe des Zweiten Weltkriegs, mit dem Eisernem Vorhang, der befreienden Samtenen Revolution 1989 und der folgenden Bereitschaft, sich zur Versöhnung die Hände zu reichen in inzwischen über 30 Jahren grenzüberschreitender Zusammenarbeit, hat die Arbeiten der 16 Studenten aus Tschechien und Deutschland erkennbar beeinflusst.
Am augenfälligsten wird dies durch eine simple Schaukel, aufgehängt an zwei Birken direkt an der Grenze neben dem Weg vom bayerischen Untergrafenried zum tschechischen, in Fragmenten weiterlebenden Grafenried. Wer sich draufsetzt, schwingt von einem Land ins andere und wieder zurück. Ein unablässiges Hin und Her, wenn man denn will und dem Gedanken eines grenzenlosen Europas folgt.
Beim Spazieren von Kunstwerk zu Kunstwerk, ob zart klingend mit dünnen hängenden Glasröhrchen, zwischen Ästen gespannten filigranen Fäden oder die in einem sechseckigen Holzkasten aneinander gereihten Abbildungen von Schnittwunden, die den Grenzverlauf nachzeichnen, spiegeln sich die in einer intensiven Arbeitswoche entstandenen Kunstwerke zwischen wucherndem Grün und freigelegten Grundmauern zerstörter Häuser. Professor Karl-Heinz Einberger sagte bei der Begrüßung „das Projekt sucht Antworten auf Grafenried. Doch mit jeder Antwort tauchen neue Fragen auf."
Zusammen mit Kollegen Aleš Hnízdil drückt er am Ende des Rundgangs den Dank mit Blumensträußen und zugewandten Worten an alle aus, die halfen und unterstützten. Voran Veronika Hofinger vom CeBB mit ihrem Team und die Förderpartner, die die Umsetzung möglich machten, darunter der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds, die Bayerisch-Tschechische Hochschulagentur, Erasmus+ und der tschechische Český les, das östliche Gegenstück zum Naturpark Oberpfälzer Wald.
Die Künstler und ihre Werke
- Anna Veselá und Veronika Syřišťová: Einer für alle.
- Aron Haindl / Grenzen überwinden
- Jana Liszewski und Malin Mende: Cibi simplices: Gemeinsam Kochen.
- Kateřina Janíková: Grenzzersetzung.
- Joyce Kunig und Adrian Rumpf: Tempus.
- Aurel Schedo und Arcelia Almenara: Gallo, Heilung.
- Sandra Landfeldová: Fluss der Zeit
- Petr Šmatolán: Die Grenzen
- Tereza Slabá: Das Tor
- Lucia Kopásková: Horizont.
- Anna Veselá und Veronika Syřišťová: Fussabdrücke der Vergangenheit.
- Professor Karl-Heinz Einberger: Camera utopica.
- Professor Aleš Hnízdil: Der Mund der Erde, der Klang von Glas
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