In der Ausgabe vom 28./29. Juli berichtete "Der Neue Tag" von einer Gerichtsverhandlung, in der eine Frau dafür verurteilt wurde, dass sie einen Polizisten mit dem Attribut "G'schnapplmeier" tituliert hatte.
Da es sich bei diesem Ausdruck mehr oder weniger um eine Neuschöpfung handelt, muss zunächst deren Bestandteilen Augenmerk geschenkt werden. Die erste Komponente geht auf das Eigenschaftswort "gschnàppe" zurück, das "vorlaut, frech, schnippisch" bedeutet, die zweite ist der Name "Meier" als Synonym für "Mensch". Also bezeichnet "G'schnapplmeier" im neutralen Sinn eine vorlaute Person. Was jedoch in der Standardsprache so sachlich-nüchtern daherkommt, entbehrt im Dialekt nicht einer gewissen Pikanterie, denn die beabsichtigte Diktion ist von Haus aus möglicherweise bzw. wahrscheinlich eine andere.
Bei vielen mundartlichen Bezeichnungen dieser Art schwankt die Aussage nämlich zwischen Beschreibung und Wertung oder bei anderen sogar zwischen einem positiv und einem negativ konnotierten Extrem. Man denke in diesem Zusammenhang nur an "Màtz", "Frägger" und "Gribbl". Außerdem ist es nun einmal eine Tatsache, dass dialektaler Wortschatz von Haus aus ziemlich derb-abwertend sein kann.
Wann stellt also, um im Juristendeutsch zu sprechen, ein solches Attribut die Pointierung eines Sachverhalts dar und wann eine Verbalinjurie? Für einen Richter ist die Antwort darauf sicherlich keine leichte Aufgabe, und es sind wahrlich salomonische Fähigkeiten gefragt, denn das Ganze soll oder darf nicht an Ernsthaftigkeit verlieren und auf die Ebene des Königlich Bayerischen Amtsgerichts abdriften.
Der Spielraum, der sich ergibt, wird wohl durch die Überlegungen eingeengt, in welcher Situation ein Wort fällt, an wen es gerichtet ist und wie der Betreffende die an ihn adressierte Bezeichnung empfindet. Wann ist also die Grenze zur Ehrabschneidung oder Beleidigung erreicht bzw. überschritten?
Unter diesem Aspekt hat der besagte Prozess zum Thema "G'schnapplmeier" in gewisser Weise auch den Charakter eines Präzedenzfalls, an dem sich - um nur einige wenige aus einer schier unendlichen Vielzahl zu nennen - die folgenden Äußerungen in Zukunft als potenzielle Schmährufe messen lassen müssen:
Annagschmeckter, Dipferlscheisser, Graousgoscherter, Gschàftlhuwer, Gscheidhàferl, Hädschhädsch, Hodernfloderer, Holawolka, Lädschnbene, Loimsejder, Schbringginkerl, Siemgscheider, Zwiederwurzn, Zwirmesgirgl.
Die Frage, die sich zu guter Letzt stellt, lautet: Würde bei der Verwendung des Wortes "Gschnàpperl" genauso verfahren wie bei "G'schnapplmeier"? Einmal mehr erweist sich der Dialekt als Fass ohne Boden für Betrachtungen und Reflexionen mannigfaltiger Art.
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