Schwandorf
12.04.2019 - 17:32 Uhr

Der Einfluss des Dialektes auf die Standardsprache

Aus dem mundartsprachlichen Dàscherl wird ein hochdeutsches Täschelchen. Die Soziolinguistik - eine Teildisziplin der Sprachwissenschaft - nennt dieses Phänomen Hyperkorrektur.

Die Antwort „Da leint er ja, der Rechen.“ auf die Frage, wo sich das besagte Gartenwerkzeug befinde, ist sicherlich nicht für jedermann verständlich. Bild: slu
Die Antwort „Da leint er ja, der Rechen.“ auf die Frage, wo sich das besagte Gartenwerkzeug befinde, ist sicherlich nicht für jedermann verständlich.

Dabei handelt es sich um die Anpassung des eigenen Sprachgebrauchs, des Dialektes etwa, an eine als vorbildlich angesehene Sprachvarietät, die Hochsprache. Es kommt durch die Hyperkorrektur zu einer über das Ideal hinausgehenden Wortschöpfung.

Diese Erscheinung trat vor allem früher bei reinen Dialektsprechern auf, die sich bemühten oder angehalten waren, in der Standardsprache zu reden und zu schreiben Aus diesem Grund kam es in der Schule bei Aufsätzen häufig zu Überschneidungen, die letztlich dazu beitrugen, den Dialekt per se zu diskreditieren und als ursächlich für schulisches Versagen zu brandmarken.

Ein erst in jüngster Zeit entdecktes Beispiel ist Täschelchen für Täschchen. Hier wird sofort klar, dass diese Wortschöpfung von einem Dialektsprecher stammt. Im Bairischen wird nämlich die Verkleinerungsform von Tasche mit der Endung "-erl" gebildet, also Dàscherl. In der hyperkorrekten Wiedergabe wird diese Endung beziehungsweise das "-l" daraus mit der standardsprachlichen Endung "-chen" verbunden. Schon ist das "Täschelchen" entstanden.

Ein anderes Beispiel, das früher sehr gerne kolportiert wurde, um Dialektsprecher zu karikieren, ist "leinen" für "lehnen", etwa in dem Satz: "Wo leint er denn, der Rechen?" Die mundartliche Entsprechung heißt: "Waou loinda'n, da Rächa?". Hier hat der Sprecher aus einem lautlichen Charakteristikum, das im Dialekt gang und gäbe ist, in der Standardsprache die falsche Schlussfolgerung gezogen. In vielen Fällen entspricht nämlich einem standardsprachlichen "ei" im Nordbairischen ein "oi", zum Beispiel "Leiter" und "Loiter". Analog dazu wird daher im Umkehrschluss aus einem "loina (lehnen) ein "leinen".

Beobachtet wird Hyperkorrektur in der Regel auch heute noch bei sozial Aufstiegswilligen, die danach trachten, sich dem als Norm empfundenen Sprachgebrauch sogenannter höherer Schichten anzupassen, vor allem wenn es um die Verwendung von Fremdwörtern geht. In diesem Zusammenhang werden immer wieder sehr gerne die diesbezüglichen Fauxpas von im Fußballgeschäft Tätigen zitiert, etwa der Satz "Wir sind eine gut intrigierte Truppe." Um ihn an dieser Stelle nicht zusätzlich der Lächerlichkeit preiszugeben, wird darauf verzichtet, den Autor zu nennen.

 
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