Schwandorf
11.04.2019 - 12:36 Uhr

Falsche Helden im Kinderzimmer

Nur ein Mädchen von 40 000 erfüllt die Kriterien, um sich für Germany‘s Next Topmodel bewerben zu können. Trotzdem setzt die Sendung Maßstäbe für die jungen Zuschauerinnen. „Alle denken, sie sind zu dick“, sagt Maya Götz.

Die Medienexpertin Maya Götz (Mitte) kam auf Einladung von Helga Forster (links) und Dorothea Seitz-Dobler (rechts) nach Schwandorf, um im Foyer der Sparkasse über Geschlechterbilder und Rollenklischees in den Medien zu sprechen. Bild: Thomas Dobler
Die Medienexpertin Maya Götz (Mitte) kam auf Einladung von Helga Forster (links) und Dorothea Seitz-Dobler (rechts) nach Schwandorf, um im Foyer der Sparkasse über Geschlechterbilder und Rollenklischees in den Medien zu sprechen.

Maya Götz, eine promovierte Medienpädagogin aus München, sieht seit Jahren genau hin, wie Jungs und Mädchen sich selbst und das jeweils andere Geschlecht sehen und wie wichtig für die Identitätsbildung von Kindern die Welt der Medien ist. "Geschichten und Figuren des Fernsehens beflügeln die Fantasie und entwerfen Bilder davon, was normal, möglich oder richtig ist," versicherte Götz bei einem Vortrag im Foyer der Sparkasse. Eingeladen wurde sie von der Gleichstellungsbeauftragten des Landkreises, Helga Forster, und der Beauftragten für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt der Agentur für Arbeit, Dorothea Seitz-Dobler. Dass sich auch Landrat Thomas Ebeling nach einer wichtigen Kreistagssitzung am Nachmittag den Vortrag nicht entgehen ließ, freute die Veranstalterinnen besonders.

Nur auf Platz 12

Als Leiterin des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen beim BR und des Prix Jeunesse International kannte Maya Götz zahlreiche Beispiele dafür, wie Kinder und junge Leute auf Medien reagieren; und welches Bild vom Menschen über die Monitore der Geräte in die Häuser gelangen. Es sei ein sehr einseitiges Bild, wusste die Referentin, gerade mit Blick auf die Geschlechter-Gerechtigkeit. Die Medien zementierten vielfach die Ungleichheit von Mann und Frau, die in Deutschland noch immer sehr ausgeprägt sei. Götz machte das unter anderem an einer entsprechenden Auswertung fest, die Deutschland in der Frage der Gleichberechtigung nur auf Platz 12 sieht: "Noch hinter Spanien!"

Helga Forster hatte schon in ihren einleitenden Worten darauf hingewiesen, dass Kinder früher mit Holzspielzeug spielten, das Bobbycar war für alle rot. Heute gebe es rosa Überraschungseier für Mädchen, Monstertees für Jungen, rosa und blaue Smarties. Die Aufschriften der Schnuller und der T-Shirts lauten bei den Jungs "Bad Boy", für die Mädchen "Drama Queen".

"Es geht dabei um weit mehr als nur um Farben - pink oder blau - es geht darum welche Werte, welche Rollenbilder mit diesen Spielsachen transportiert werden," sagte Forster. Wenn Mädchen von klein auf lernen, dass Schönheit, Puppenpflege und das sich um andere zu kümmern zu den Interessen eines Mädchens gehören, "dann wird es schwieriger, ihnen später zu erklären, wie spannend und erfolgversprechend technische und naturwissenschaftliche Berufe sind". Und die Jungen, die die Welt erobern, Kämpfer und Macher spielen und Autos bauen, werden wenig begeistert sein vom Erzieherberuf. "Wir wollen bewusstmachen, dass es sich lohnt, darüber nachzudenken, welche Rolle die Heldinnen und Helden im Leben der Kinder spielen, und wie zukünftige Lebensentwürfe von teils fragwürdigen Vorbildern beeinflusst werden können."

"Das andere Geschlecht"

Genau das war das Thema von Maya Götz, die eine Vielzahl von Untersuchungen und die zugehörigen Zahlen präsentierte, dies aber sehr kurzweilig tat. Sie vertrat die These, dass das Geschlecht, also die Definition als Junge oder Mädchen, durch die Gesellschaft erfolge, und zwar von den ersten Lebensmomenten an. "Und die Medien spielen dabei eine wichtige Rolle", betonte sie und verwies auf fragwürdige "Helden" wie die Prinzessin Lillifee, wie Batman und andere, die ein klares, aber einschränkendes Image anbieten würden. Götz lobte die französische Intellektuelle Simone de Beauvoir und deren bahnbrechendes Werk "Das andere Geschlecht" von 1949. Das Buch gilt als entscheidendes Grundlagenwerk, da es erstmals die Kategorie Geschlecht ins Zentrum einer Untersuchung stellte und dabei konsequent zwischen biologischem Geschlecht und kultureller oder sozialer Prägung von Geschlecht unterschied.

Dass auch die öffentlich-rechtlichen Sender Probleme mit der Gleichberechtigung haben, zeigte Götz unter anderem an der Krimiserie "Tatort" auf: Sie wird überwiegend von Männen geschrieben und verantwortet. "Das Bild, das uns das TV bietet, ist zum großen Teil das Bild weißer Männer von der Welt." Frauen seien weniger sichtbar, würden in weniger Berufen gezeigt und seltener als Experten auftauchen.

 
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