"Mit dem Krisendienst haben wir einen Volltreffer gelandet", erklärte Franz Löffler bei einer Pressekonferenz in den Räumen der Leitstelle in der Friedrich-Ebert-Straße. Mit diesem Zuspruch habe er nicht gerechnet. Was ihn besonders überrascht: Die meisten Anrufe kommen von "Betroffenen" selbst. Diesen Umstand wertet der Bezirkstagspräsident als Beweis dafür, "dass psychisch kranke Menschen immer mehr aus der Tabuzone heraustreten und sich helfen lassen". Von der Zusammenarbeit mit "dem großen Player Medbo" erwartet sich der Chamer Landrat noch mehr Professionalität und eine niederschwellige Behandlungsmethode. "Wir wollen hilfesuchende Menschen nicht gleich in die klinische Reparaturwerkstätte einweisen, sondern versuchen, sie zunächst ambulant betreuen", betonte der Bezirkstagspräsident.
Da sein in schwieriger Lage
Der Geschäftsführer der "Krisendienst Oberpfalz GmbH", Jens Scheffel, zog für die ersten 100 Tage eine positive Bilanz. Die zwölf Mitarbeiter des Krisendienstes arbeiten in drei Schichten und besetzen die Telefone rund um die Uhr. Fachliche Leiterin Katjenka Wild erzählt von den ersten Erfahrungen: "Manche Leute rufen an und wollen einfach nur über ihre Probleme reden", so die Sozialpädagogin. Sie begleitet aber auch Menschen, "die einen schweren Schicksalsschlag erlitten, eine schlimme medizinische Diagnose erhalten oder eine Zäsur im Leben erfahren haben". Die Suchttherapeutin beschreibt ihre Aufgabe so: "Wir versuchen, da zu sein, zuzuhören und gemeinsam mit den Betroffenen neue Ziele zu formulieren". Die Anrufer sollen das Gefühl haben, in ihrer schwierigen Lebensphase nicht alleine zu sein.
"Wir erleben häufig eine große Dankbarkeit", sagt Katjenka Wild. Sie spürt, "wie sich der psychische Ausnahmezustand des Anrufers schon während des Telefongesprächs stabilisiert". Wenn die Mitarbeiter des Krisendienstes aber merken, "dass die Situation zu eskalieren droht", schalten sie den mobilen Dienst ein. Dieser rückte bislang 15-mal aus. Fachleute der Psychiatrie machten sich auf den Weg zu den Betroffenen und versuchen vor Ort, die Lage zu entspannen und weitere Schritte einzuleiten. Eine wichtige Rolle spielt in Zukunft die "Medbo", die medizinische Einrichtung des Bezirks. "Bei uns ist rund um die Uhr ein Facharzt erreichbar", erklärte Vorstand Helmut Hausner bei der Unterzeichnung des Kooperationsvertrages.
Hoher finanzieller Aufwand
Der Bezirk lässt sich den Krisendienst im Jahr eine Million Euro kosten, den gleichen Betrag steuert der Freistaat Bayern bei. "Der volkswirtschaftliche Schaden wäre ungleich höher, wenn wir den Betroffenen nicht helfen würden", relativiert Löffler den finanziellen Aufwand. Deshalb will er bei der Finanzierung auch die Krankenkassen mit ins Boot holen. Wer bayernweit die Notrufnummer 0800/6 553 000 wählt, wird rund um die Uhr automatisch mit der Leitstelle seines Bezirks verbunden.
Träger der Oberpfälzer Einrichtung ist eine GmbH mit zwölf Gesellschaftern, die Jens Scheffel zum Geschäftsführer berufen haben. Der Lehrer für Mathematik und Physik war zuvor Personalvorstand einer privaten Bildungseinrichtung in Regensburg und ist seit März 2020 mit dem Aufbau der Strukturen befasst. Die Geschäftsstelle befindet sich in den 160 Quadratmeter großen Räumen einer ehemaligen Physiotherapiepraxis in der Friedrich-Ebert-Straße. Ausgangspunkt war das "Bayerische Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz" aus dem Jahre 2018. Darin beauftragt der Freistaat die Bezirke mit dem Aufbau von Strukturen zur Akuthilfe für psychisch kranke Menschen.
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