Schwandorf
27.07.2022 - 10:30 Uhr

"Lieber dort sterben als hier der Katastrophe zusehen"

Die Folgen des Ukrainekriegs bringt die Arbeitsagentur ins Schwitzen. Aber auch die Firma Horsch aus Schwandorf hat wegen ihrer Kontakte in die Krisenregion heftig zu rudern, um auf Kurs zu bleiben.

Die Folgen des Ukrainekriegs auf die Region beschäftigen die Firma Horsch und Agentur für Arbeit Schwandorf. Man traf sich zum Gedankenaustausch. Von links Bernhard Lang, Peter Rihm und Katja Ertl von der Agentur, Kreishandwerksmeister Ernst Maler, sowie von Horsch Steffen Besserer und das Ehepaar Cornelia und Michael Horsch. Bild: Thomas Dobler
Die Folgen des Ukrainekriegs auf die Region beschäftigen die Firma Horsch und Agentur für Arbeit Schwandorf. Man traf sich zum Gedankenaustausch. Von links Bernhard Lang, Peter Rihm und Katja Ertl von der Agentur, Kreishandwerksmeister Ernst Maler, sowie von Horsch Steffen Besserer und das Ehepaar Cornelia und Michael Horsch.

Die große Landmaschinenfirma aus Schwandorf mit den guten Ostkontakten und die Agentur für Arbeit finden bei der Hilfe für die Geflüchteten aus der Ukraine viele Berührungspunkte. Das ergab sich nicht erst bei der Sitzung des Verwaltungsausschusses der Agentur, die am Dienstag bei Horsch auf dem Sitzenhof stattfand, doch dort wurde es wieder einmal offenkundig. Sowohl der Behörde wie auch der Privatfirma liegt daran, die Menschen aus dem Kriegsgebiet zu integrieren - jeder mit einer anderen Herangehensweise.

Bernhard Lang, der Geschäftsführer Operativ der Agentur in Schwandorf, sprach bei Horsch von den neuen Herausforderungen, nachdem sich der Arbeitsmarkt in der Region "von Monat zu Monat" von den Pandemiefolgen weiter erholt hatte. "Obwohl der Arbeitsmarkt stabil ist, sind die Arbeitslosenzahlen nun binnen Monatsfrist sprunghaft angestiegen," so Lang. Der Grund liegt auf der Hand: Der Angriffskrieg Russlands hat eine große innereuropäische Fluchtbewegung ausgelöst. Wenn auch Deutschland nicht das Hauptzufluchtsland der Menschen aus der Ukraine ist, so haben laut Lang dennoch Hunderte Menschen in den Landkreisen Amberg-Sulzbach, Schwandorf und Cham sowie in der kreisfreien Stadt Amberg Schutz gesucht und gefunden.

Erfahrungen bei Horsch

"Die Entwicklung stellt die Arbeitsagentur - und vor allem die Jobcenter - erneut vor eine große Herausforderung," betonte Lang. Einig waren sich mit ihm die Mitglieder des Verwaltungsausschusses darin, dass auch diese Krise gelöst werden wird: "Dazu beitragen werden wesentlich die Arbeitgeber in der Region." Besonders engagiert sei das Unternehmen Horsch Maschinen, dem es ein Herzensanliegen sei, den Geflüchteten Perspektiven zu bieten. Das Kompliment gab Geschäftsführer Michael Horsch zurück: "Bei der Zusammenarbeit mit der Agentur geht vieles auf dem kurzen Dienstweg."

Während die Arbeitsagentur auf nachhaltige Integration setzt, hat man bei Horsch auch anderslautende Erfahrungen mit den Geflüchteten gesammelt. Die Firma hat sich in den letzten Monaten intensiv um Frauen und Kinder von Mitarbeitern in der Ukraine gekümmert und ihnen in Schwandorf Wohnungen zur Verfügung gestellt, sowie Arbeitsmöglichkeiten in der Kantine und der Produktion angeboten. Das erste Hindernis sei natürlich die Sprache - ganz wichtig für das Anlernen an den Hightech-Maschinen des Landmaschinenherstellers. Die Firma Horsch und im speziellen Geschäftsleitungsmitglied Cornelia Horsch setzt hier auf die Initiative "Integration SAD", die schon für arabische Frauen Sprachkurse angeboten hat.

Die Mentalität der Gäste ist das andere Thema, in verschiedener Hinsicht. Da die Menschen zu Hause nicht arm seien, würden sie auch nicht jedes Hilfe-Angebot aus Schwandorf ungesehen annehmen - gerade, was Wohnungen anbelangt. "Uns ginge es wahrscheinlich als Flüchtlinge in der Ukraine ähnlich," mutmaßte Geschäftsführer Michael Horsch.

Horsch hat auch einen Sinneswandel beobachtet, der sich in der letzten Zeit vollzogen habe. "Viele sind fatalistisch geworden und gehen jetzt wieder zurück, weil sie lieber dort sterben als von hier der Katastrophe zusehen wollen, wie sie sagen."

Massiver Einbruch

Bei der Horsch Maschinen GmbH schlug der Kriegsbeginn gehörig ins Kontor, das Geschäft mit der Ukraine und Russland sei "erstmals eingebrochen". Von 70 Prozent Umsatzeinbuße war die Rede. "Wir haben aber schnell reagiert und die Produktion für die Ukraine gestoppt und dafür andere Aufträge bedient, die sonst liegen geblieben wären," berichtet Michael Horsch. "Heimschicken" musste man von der Belegschaft niemanden. Das Geschäft läuft so gut, dass man am Standort Schwandorf 70 Leute, im Firmenverbund sogar 200 einstellen könnte. Auch werden immer noch Azubis aufgenommen, obwohl die Frist offiziell schon abgeschlossen ist.

Themen der Sitzung des Verwaltungsausschusses der Schwandorfer Arbeitsagentur waren auch Personalien: Der Amberger Siemens-Manager Peter Rihm schied aus Altersgründen als alternierender Vorsitzender des Ausschusses aus, die Regensburger DGB-Funktionärin Katja Ertl rückte auf seine Position nach.

Hintergrund:

Ukraine-Flüchtlinge in der Region

  • Rund 1840 Ukrainerinnen und Ukrainer waren nach Angaben der Arbeitsagentur Schwandorf in der Mittleren Oberpfalz Mitte Juni als erwerbsfähige Personen gemeldet.
  • Knapp 1060 Geflüchtete aus der Ukraine sind im klassischen Sinne arbeitslos gemeldet. Zu den Erwachsenen hinzu kommen noch zahlreiche Kinder.
  • Auf circa 1110 beläuft sich die Zahl der Bedarfsgemeinschaften, also der Familien mit mindestens einer Person als Leistungsempfänger.
 
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