Schwandorfer Müllkraftwerk im Dauerstreit mit der Bahn

Schwandorf
08.04.2022 - 15:09 Uhr

Riesiger Schaden, große Aufregung: Als vor einigen Wochen ein Zug beim Müllkraftwerk entgleiste, schien das ein bedauerlicher Einzelfall zu sein. Aber in Wirklichkeit ist es viel schlimmer.

Thomas Knoll, Direktor des großen, in Schwandorf ansässigen Zweckverbands Müllverwertung Schwandorf (ZMS), ist ein eher besonnener Mann, aber beim Thema „Bahn“ kann er sich in Rage reden. Bei einem Presseabend mit der ZMS-Spitze im Schmidt-Bräu in Schwandorf macht Knoll aus seinem Herzen keine Mördergrube: „Das System der Anlieferung des Mülls auf der Schiene sollte eigentlich ökologischer und ökonomischer sein als der Transport über die Straße – aber die Züge kommen immer öfter nicht an.“

Knoll bringt das Thema der Probleme mit der Bahn in die Öffentlichkeit, nachdem bei dem Pressetermin die Rede auf das Zugunglück vom 26. Januar dieses Jahres gekommen war, das sich neben dem Müllkraftwerk zugetragen hatte. Ein nicht entfernter Hemmschuh unter dem Radsatz eines Waggons des Müllzugs zum Müllkraftwerk Schwandorf hatte dazu geführt, dass dieser Tragwagen mit zwei Mülltransportcontainern aus dem Gleis gesprungen und entgleist war. Und dabei etliche Schwellen sowie eine Weiche erheblich beschädigt hatte. Die Kosten für die Behebung des Schadens belaufen sich nach ersten Angaben auf über 100 000 Euro. „Solche Entgleisungen von Müllzügen passieren öfter, wenn auch nicht auf dem Grundstück des Müllkraftwerks", berichtete der Direktor, „sie kommen ungefähr alle halbes Jahr vor“. Sie führen laut Knoll immer wieder zu schweren Beschädigungen an Gleisen und Weichen. „Einmal hat sogar ein Müllzug aus Regensburg unterwegs zwei Waggons verloren. Ich bekam zwei Tage später von einem Stellwerk auf der Strecke einen Anruf, ob die Waggons bei ihnen uns gehören würden.“

Züge fallen immer wieder aus

Besonders pikant ist im 40. Jahr der Mülllieferungen nach Schwandorf auf der Schiene, dass Züge immer wieder ganz ausfallen und die Müllumladestationen nicht anfahren. „Wir müssen die Container dann teilweise mit Tiefladern nach Schwandorf bringen,“ so Knoll. Die Unzuverlässigkeit der Bahn habe ein „erstaunliches Ausmaß“ angenommen, versicherte der Direktor: „Der Bahn fehlt es an Personal und an Zugmaterial und Corona gibt ihnen den Rest.“

Vergangene Woche sei beispielsweise der „Nordzug“, der den Müll aus Weiden, Kulmbach und Bayreuth bringt, mehrere Tage ausgefallen. „Die Bahn muss dann den Straßentransport und Vertragsstrafen bezahlen, was für sie hohe sechsstellige Beträge ergibt.“ Außerdem kämen die Waggons immer wieder in der falschen Reihung an, was Probleme beim Betriebsablauf im Müllkraftwerk verursache.

Ärgern kann sich Knoll auch über die neuartigen Schäden an den Schienen, die die Lokomotiven verursachen. „Die Loks sind untermotorisiert, und dann drehen beim Anfahren erstmal die Räder durch.“

Müllgebühren werden steigen

Als Zweckverbandsvorsitzender des ZMS bezifferte Landrat Thomas Ebeling die Menge an verbranntem Abfall des Jahres 2021 auf 457 121 Tonnen. „Durchschlagen“ auf die Müllgebühren wird laut Ebeling in diesem Jahr der Ukraine-Krieg. „Für den Zweckverband steigen die Preise, etwa für Ammoniakwasser“, sagte der Vorsitzende. Aber auch viele andere Komponenten würden im Einkauf deutlich teuerer für den ZMS.

„Ein bisschen in den Hintergrund“ der öffentlichen Aufmerksamkeit geraten sei zwischenzeitlich das „allergrößte Projekt des Zweckverbands seit seiner Gründung“, befand Ebeling und meinte damit „Triphönix“. Es wird auf 200 Millionen Euro an Kosten veranschlagt.

Dahinter steckt folgendes: Das Müllkraftwerk besteht im Wesentlichen aus einem Müllbunker, vier Müllkessellinien mit nachgeschalteten Rauchgasreinigungslinien sowie dem Wasser-Dampf-System. Die Ofenlinien eins bis drei haben nach rund 40 Jahren das Ende ihrer technischen Betriebszeit erreicht. Im Rahmen des Projektes „Triphönix“ plant der ZMS daher, die Müllkessellinien ein bis drei inklusive der zugehörigen Rauchgasreinigungsanlagen durch zwei neue, größere Kessellinien zu ersetzen. Zudem soll die Rauchgasreinigungslinie vier teilweise erneuert werden. Der erste neue Müllkessel soll 2025 den Betrieb aufnehmen, der zweite drei Jahre später. Im Jahr 2029 soll das Projekt abgeschlossen sein.

Allein 18 Millionen Euro kostet die derzeit anlaufende Erneuerung der Rauchgasreinigungslinie vier, die die Regierung der Oberpfalz kürzlich genehmigt hat. Erst danach stehen der Ersatz der Ofenlinien eins bis drei an. Hierzu laufen bereits vorbereitende Planungsmaßnahmen. An der Gustav-Hertz-Straße sowie an der Einmündung von der Libourne-Allee in die Hochrainstraße in Schwandorf finden in diesem Zusammenhang seit einiger Zeit Emissionsmessungen statt.

Schwandorf04.04.2022
 
 

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