Stulln
07.03.2025 - 11:33 Uhr

Müllzweckverband Schwandorf zeigt Interesse an insolventer Fluorchemie in Stulln

Über der insolventen Fluorchemie in Stulln hängt das Damoklesschwert des Rückbaus. Dieser würde dem Landkreis Schwandorf Millionen kosten. Doch der Zweckverband Müllverwertung Schwandorf (ZMS) könnte zumindest teilweise für Abhilfe sorgen.

Der Zweckverband Müllkraftwerk Schwandorf kann sich vorstellen am Standort der insolventen Fluorchemie in Stulln, in einem neuen Verfahren Schlacke weiter auf zu bereiten. Archivbild: td
Der Zweckverband Müllkraftwerk Schwandorf kann sich vorstellen am Standort der insolventen Fluorchemie in Stulln, in einem neuen Verfahren Schlacke weiter auf zu bereiten.

Die Fluorchemie in Stulln und deren etwa 80 Mitarbeiter hängen in der Luft. Die Suche nach einem Investor läuft noch. Gleichzeitig sorgt schon jetzt der Landkreis Schwandorf – das Landratsamt tritt hier als Behörde des Freistaates auf – mit viel Geld dafür, dass Energiekosten bezahlt und sicherheitsrelevante Mitarbeitende weiter beschäftigt werden. Flusssäure gilt als hochgiftig. Das Unternehmen ist als Störfallbetrieb klassifiziert. Eine Demontage der Anlage würde, so die Schätzungen, einen zweistelligen Millionenbetrag verschlingen, den der Landkreis zunächst zahlen müsse, um ihn später wieder einzutreiben. Doch die Angelegenheit Fluorchemie könnte womöglich eine andere Wendung nehmen.

"Waren mehrfach draußen"

ZMS-Verbandsdirektor Thomas Knoll bestätigt auf Nachfrage Informationen von Oberpfalz-Medien, wonach der Zweckverband Interesse an der insolventen Chemiefirma habe. "Ja, wir waren mehrfach draußen", sagt Thomas Knoll auf telefonische Anfrage. Weshalb? Er nennt als Grund eine weitere Aufbereitung der Schlacke aus der Müllverbrennung. Eisenteile werden bereits per Magnet noch im Müllkraftwerk entfernt. Die benachbarte Firma MG holt weiteres Restmetall heraus. "Im Feinkorn der Schlacke, in einer Größe von 0 bis 10 Millimeter, befindet sich noch recht viel Kupfer", erklärt Thomas Knoll.

Verfahren als Patent angemeldet

In diese Richtung wird seit längerem geforscht und probiert. Nun gibt es ein neues elektro-chemisches Verfahren, das die Firma "ESy-Labs" mit Sitz in Regensburg, entwickelt und als Patent angemeldet hat. Dadurch wird nicht nur Kupfer aus der Schlacke gewonnen, sondern diese kann dann als Chemierohstoff in Kläranlagen eingesetzt werden. Es entsteht Grünsalz, ein Phosphatfällmittel, das diesen Stoff ausflockt, damit er nicht von der Kläranlage in Gewässer gelangt und dort das Pflanzenwachstum anregt. "ESy-Labs" hat Thomas Knoll zufolge noch ein weiteres Verfahren in petto, um Reste aus einem metallverarbeitenden Betrieb aufzubereiten. Dafür geeignet wäre eine Halle der Fluorchemie. Was den Standort in Stulln attraktiv macht, ist nach den Worten des ZMS-Verbandsdirektors geschultes Personal und ein aktiver Gleisanschluss. Auch in dieser Nachfolgenutzung, sollte sie denn umgesetzt werden, wird mit Säuren, zum Beispiel Schwefelsäure, und Laugen gearbeitet. "Alles, was sich an diesem ausgewiesenen Industrie- und Chemiestandort ansiedelt, ist weniger problematisch als der Flusssäure-Betrieb."

Win-Win-Situation

Diese Lösung versieht Thomas Knoll jedoch mit Fragenzeichen. Er spricht im Konjunktiv und von noch losen Enden. Sie würde allerdings eine gewisse Win-Win-Situation für ZMS und Landkreis bedeuten. Der Landkreis Schwandorf müsste nicht alles zurück bauen. Der ZMS und "ESy-Labs" hätten einen Standort mit Fachpersonal, der sich natürlich auch betriebswirtschaftlich rechnen muss. "Der Insolvenzverwalter hat das Heft in der Hand", sagt er zu einer möglichen Umsetzung dieser Pläne.

Nach Informationen der Redaktion läuft eine Frist noch bis zum 1. April, um einen Geldgeber zu finden. "Sollte kein Investor gefunden werden, ist es denkbar, dass im Laufe des Jahres 2025 auch Demontageschritte zur weiteren Entfernung der Gefahrstoffe erfolgen", sagte der Sprecher des Landratsamtes Manuel Lischka bereits in einem früheren Gespräch zu Oberpfalz-Medien zur Zukunft des Standortes. Nach wie vor wird versucht, die Fachkräfte auch für einen Rückbau bei Fluorchemie zu halten.

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Hintergrund::

Fluorchemie in Stulln

  • Flusssäure: wird seit 1940er-Jahren in Stulln aus Spat hergestellt.
  • 1982/83: VAW Flussspat-Chemie GmbH errichtet nach Bergwerks-Einsturz neue Flusssäureanlage.
  • 1994: VAW Flussspat-Chemie GmbH gründet die Fluorchemie Stulln GmbH, Übernahme durch die Fluorchemie Gruppe.
  • 2021: Übernahme durch die Thanatos Chemical Industries GmbH und die Fluorchemie Kronberg GmbH
  • 2023: Fluorchemie-Gruppe meldet Insolvenz an.
  • Insolvenzverfahren: am 1. Juli 2023 eröffnet
 
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