Fünf Mal die Woche Training am Schießstand, Trockenübungen zu Hause, Wettkämpfe, Lehrgänge: Das gehörte neben ihrem Job als Apothekerin in Teublitz zu Julia Simons Alltag. Seit einigen Wochen aber steht die Welt wegen der Ausbreitung des Coronavirus Kopf - auch das Leben der Sportschützin aus Süß veränderte sich drastisch. "Wir sind momentan sieben Tage die Woche von 7 bis 22 Uhr im Einsatz", erzählt die 28-Jährige. Auf den Schießsport verwende sie kaum einen Gedanken. Ihr Traum von Olympia ist weit in den Hintergrund gerückt. Es herrscht Ausnahmezustand.
Kein Wort zum Sport mit Julia Simon
"Wir arbeiten in zwei Schichten, die sich nicht begegnen. Falls einer im Team betroffen ist, kann das andere Team weiter arbeiten", erklärt Simon. "Es wäre verheerend, wenn wir die Versorgung nicht aufrecht erhalten könnten." Neben dem Alltagsgeschäft versorgt die Apotheke rund 2500 Menschen in 35 Altenheimen in der Region mit Medikamenten. Die werden individuell verblistert, also verpackt, und ausgeliefert. "Normalerweise einmal wöchentlich, aber wir gehen jetzt in Vorproduktion, um einen Vorlauf von zwei Wochen zu schaffen."
Verständnis für Angst
Engpässe plagen die Apotheken Julia Simon zufolge schon seit eineinhalb Jahren. "Viele Firmen haben ihre Produktion im Ausland, da gab es schon immer wieder Lieferschwierigkeiten." Paracetamol zum Beispiel sei kaum mehr verfügbar. "Da haben wir nun auch die Abgabe beschränkt. Patienten mit Fieber bekommen zwei Packungen, andere nur eine." Die Pharmazeutin weiß, dass viele Menschen gerne mehr fiebersenkende Mittel kaufen würden, "aber dann wäre der Vorrat schnell aufgebraucht".
Am Anfang der Coronakrise hätten die Mitarbeiter in der Apotheke deutlich gespürt, dass die Leute in Panik verfallen. "Wenn jemand krank ist oder unter chronischen Schmerzen leidet, ist das auch verständlich", sagt Simon. "Dauermedikationen wurden verfrüht wieder verschrieben. Die hatten einfach Angst, dass sie nichts mehr bekommen."
Der Ansturm auf die Apotheke sei enorm gewesen und nicht jeder hätte die Bitte um Abstand respektiert. "Aber wir haben gleich am Anfang reagiert und Plexiglasscheiben zu unserem Schutz und dem der Kunden aufgebaut." Seit der Ausgangsbeschränkungen sei es besser geworden. "Die Leute halten sich daran und nutzen auch unseren Botendienst, den wir vermehrt anbieten." Der sei vor allem für Alte und Kranke wichtig. "Wir wollen da für mehr Sicherheit sorgen." Ruhig ist es für die Mitarbeiter der Apotheke dennoch nicht geworden. "Der Kundenverkehr flacht seit den Beschränkungen zwar ab, beziehungsweise hat er sich wieder normalisiert. Aber unsere Arbeit wird nicht weniger, weil wir neben dem normalen Betrieb nun auch Händedesinfektionsmittel herstellen." Um dem massiven Mangel entgegenzuwirken, ist das den Apotheken seit der Coronakrise erlaubt.
4000 Liter Desinfektionsmittel
"Wir haben zum Glück noch die dafür notwendigen Rohstoffe bekommen", erklärt Simon. In großen Kanistern mischt sie mit ihren Kollegen die Bestandteile zusammen. Auch samstags und sonntags wird gearbeitet. So stellte die Apotheke bereits rund 4000 Liter des Desinfektionsmittels her. "Zunächst haben wir unsere Heime versorgt, die wir auch mit Medikamenten beliefern, weil dort eben Hochrisikopatienten leben." Rund 1800 Liter gingen an den Katastrophenschutz. "Wir haben beim Gesundheitsamt angerufen und nur eine Stunde später meldete sich jemand vom Katastrophenschutz." Immer wieder werde das Mittel mit Transportern abgeholt und weiterverteilt an Krankenhäuser, Arztpraxen, Seniorenheime. "An alle, die es am meisten brauchen."
Beim direkten Verkauf in der Apotheke sei die Abgabemenge beschränkt worden. Fast jeder Kunde frage auch nach Gesichtsmasken. "Die sind unglaublich gefragt, aber nur noch vereinzelt verfügbar", erklärt Julia Simon. "Verkäuferinnen zum Beispiel sind so wenig geschützt", bedauert sie. "Da ist es so wichtig, dass sie wenigstens ihre Hände desinfizieren können." Als eine Bäckereiverkäuferin in der Apotheke gesehen habe, dass sie noch Desinfektionsmittel anbieten, habe sie sofort ihren Chef angerufen. "Der kam dann gleich und kaufte für all seine Mitarbeiter ein."
Apotheker arbeiten am Limit
Die aktuellen Situation wäre ohne die Apotheken vor Ort nicht zu stemmen, ist sich Julia Simon sicher. Stellvertretend für alle Kollegen sei es ihr ein Anliegen, das deutlich zu machen. Die Pharmazeutin betont: "Wir arbeiten am Limit, um die Menschen zu versorgen. Ein Online-Versandhändler schert sich nicht darum, ob die alten Leute Desinfektionsmittel haben. Der würde auch niemals ein Medikament herausgeben, wenn nur ein Fax vom Arzt da ist und kein Originalrezept."
In den nächsten Wochen hätte Simon die Möglichkeit gehabt, sich mit dem Luftgewehr für die Olympischen Spiele in Tokio zu qualifizieren. "Ich finde es richtig, dass Olympia verschoben wird", sagt sie. Aber nicht, weil ihr momentan kaum Zeit zum Training bleibt. "In dieser Zeit sieht man einfach, wie unwichtig das eigentlich ist. Für den Sportler steht der eigene Sport natürlich an erster Stelle." Doch sogar Athleten, die schon qualifiziert waren, hätten sich für eine Absage der Spiele ausgesprochen. "Die Gesundheit und das Allgemeinwohl sind einfach viel wichtiger."
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