So unterschiedlich wurde das Wirken von Georg Elser, der versuchte mit einem Attentat Adolf Hitler zu töten, in der deutschen Gesellschaft währen des Dritten Reiches und danach beurteilt: Zunächst als Feind der Volksgemeinschaft diffamiert und danach zum deutschen Helden hochstilisiert. Bei einer Veranstaltung anlässlich des Jahrestages im Capitol, fragte der Historiker und Promotionsstipendiat Matheus Hagedorny aus Leipzig, ob Georg Elser heute ein Vorbild für politische und gesellschaftliche Arbeit sein sollte.
Unabhängig, wie man das Leben von Georg Elser heute einschätze, sei es wichtig, sich mit seinen Motiven zu beschäftigen und sich an seine Tat zu erinnern, forderte der Verdi-Bezirksvorsitzende Stefan Dietl im Namen der Ortsvereine von Verdi und Medien, Kunst & Industrie, dem DGB-Ortskartell und Punk e.V. als Veranstalter auf. Ebenfalls spiele eine wichtige Rolle, wie die Gesellschaft und die politisch Verantwortlichen mit Georg Elser, der mit seinem Attentat, den Krieg verhindern wollte, in der Vergangenheit umgegangen sind und heute umgehen. Die Buchlesung, die schon vor einiger Zeit hätte stattfinden sollen, aber immer wieder verschoben wurde, sei ein Schritt auf diesem Weg.
Georg Elser, der 1903 im einfachen Elternhaus in Königsbrunn am Bodensee geboren wurde, verließ 1925 die beengten Verhältnisse und begab sich auf Wanderschaft, schilderte der Referent. Zuvor hatte er als Jahrgangsbester eine Ausbildung als Schreiner absolviert. Er organisierte sich gewerkschaftlich an und wurde 1929 Mitglied des Roten Frontkämpferbunds der KPD. Während der Weltwirtschaftskrise verlor Georg Elser seine Arbeit und wurde arbeitslos. In dieser Zeit habe wahrscheinlich Elser, der christlich und kommunistisch geprägt war, den Entschluss gefasst, Hitler und andere führende Nazis zu töten. Aus diesem Grund suchte er regelmäßig den Bürgerbräukeller in München auf, in dem die NSDAP jedes Jahr zusammenkam, um an den gescheiterten Putsch vom 8. November 1923 zu erinnern, so der Referent. Fachlich ausgebildet, besorgte er sich Sprengstoff, um das Attentat auszuführen. Doch als die Bombe explodierte, war Adolf Hitler nicht im Bürgerbräukeller. Auch Elser war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in München, sondern auf dem Weg zur Schweizer Grenze. Im normalen Fall wäre es kein Problem gewesen, über die „Grüne Grenze“ in die Schweiz zu gelangen, doch nach dem über das gescheiterte Attentat berichtet wurde, sei die Grenze schärfer als sonst bewacht worden. Die Folge, Georg Elser wurde kontrolliert und verhaftet und von der Gestapo verhört, 1940 als persönlicher Gefangener von Adolf Hitler in das Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt und am 9. April 1945 im KZ Dachau ermordet.
Anfangs behaupteten die Nazis, dass der britische Geheimdienst Georg Elser beauftragt hatte, das Attentat auszuführen, wovon sie aber später abrückten. Bis zum Ende des Kalten Krieges stand der proletarische Widerstandskämpfer oftmals im Schatten der Attentäter vom 20. Juli 1944. Erst später wurde die Tat des schwäbischen Handwerkers von der deutschen Gesellschaft gewürdigt und wurden ihm Denkmäler gesetzt. Es vergehe kaum eine Gelegenheit, dass politische Amtsträger den Attentäter loben, ohne aber auf seine Motive und sein Anliegen, den Krieg zu verhindern einzugehen. Hier sei noch viel Aufklärungsarbeit nötig, konstatierte der Referent.
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