Es ist natürlich kein Zufall, dass die beiden Schriftsteller mit ihren Romanen „Dorfroman“ und „Das Marterl“ am Mittwoch, 26. Oktober, der Einladung des Literaturhauses Oberpfalz ins Capitol folgen – steht das Herbstprogramm doch ganz im Zeichen des Literaten Walter Höllerer, der im Dezember seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte und vom dem das Bonmot von der Provinz als Möglichkeit stammt.
Während diese Möglichkeit beim Ich-Erzähler auf Pfingstbesuch in der niederrheinischen Heimat Kalkar vor allem in Form der Rückkehr ins Elternhaus nicht so ganz verfängt, ist sich sein Schöpfer Christoph Peters da nicht ganz so sicher: „Ich persönlich denke immer häufiger darüber nach, zurück aufs Land zu ziehen, am liebsten an den Niederrhein. Je älter ich werde, desto weniger Interesse habe ich an den Sensationen und Aufregungen der Großstadt – dagegen scheint mir die Vorstellung, morgens aus der Haustür ins Grüne zu treten, mir mehr Platz mit deutlich weniger Menschen zu teilen, immer verlockender“, antwortet Christoph Peters auf schriftliche Nachfrage von Oberpfalz-Medien.
Als Kind im Urlaub in der Oberpfalz
Was Walter Höllerer und die Oberpfälzer Provinz betrifft, sind die Blätter beim Schriftsteller noch relativ unbeschrieben. Den geehrten Sohn der Stadt verbindet er vor allem mit der Höllerer-Gründung Literatisches Colloquium Berlin, „ein wichtiger Ort für mich als Autor“. Von der Oberpfalz an sich weiß er, dass er hier mal als Kind mit seinen Eltern Urlaub gemacht hat, bleibende Erinnerungen sind dazu allerdings nicht geblieben. In Sulzbach-Rosenberg war er 2013 im Rahmen einer Romanwerkstatt der Bayerischen Akademie des Schreibens eine Woche lang zu Gast: „Da wurde allerdings so intensiv gearbeitet, dass uns allen kaum Zeit blieb, etwas von Stadt und Umland zu sehen“.
Sein Roman, den er nun zum zweiten Besuch in der Herzogstadt mitbringt, sei inzwischen auch für ihn selbst eine ziemlich undurchdringliche Mischung aus persönlichen Erinnerungen, historischen Rekonstruktionen und vollständiger Erfindung. Dass das fiktive Calcar anders geschrieben wird als der reale Ort, diene dazu, deutlich zu machen, dass Erzählung nie eins zu eins Wirklichkeit abbilde. Mit Blick auf die sich nachgewiesenermaßen mit Zeitablauf verändernden Erinnerungen hielte er es für absolut unredlich, so zu tun als wäre das, was er erzähle, die „historische Wahrheit“: „Die ist im Grunde sowieso eine Fiktion“, sagt Peters.
Viel Zuspruch bekommen
Beim Publikum trifft seine, auch auf die enormen Verwerfungen im Zusammenhang mit dem „Schnellen Brüter“ zurückblickende Geschichte einen Nerv. Er habe selten so positive und auch persönliche Rückmeldungen auf ein Buch bekommen, nicht nur von Anti-AKW-Aktivisten, sondern auch von einem Bauern aus dem Dorf, der ihm sagte: „Weißt du eigentlich, dass du den Roman meines Lebens geschrieben hast?!“
Ebenfalls eine Rückkehr in die Provinz, in diesem Fall in die niederbayerische, hat Johannes Laubmeier für sein Roman-Debüt „Das Marterl“ gewählt. Sein vornamensgleicher Protagonist macht sich auf in die Vergangenheit, um den Jahre zurückliegenden Unfalltod des Vaters aus dem Blickwinkel des Erwachsenen zu verarbeiten. In der niederbayerischen Kleinstadt angekommen, muss er sich dem Schmerz und Verlust ebenso stellen wie so manchen bis heute erhaltenen Wunderlichkeiten seiner Kindheits- und Jugendtage.
Gebürtiger Regensburger
Dem Ich-Erzähler fällt dieser eine Ort, an den er zurückgeht, sehr schwer – aber auch bei ihm ist es ja nicht ganz klar geschnitten, so Laubmeier. Was ihn selbst und die Provinz als Möglichkeit betreffe, könne er es sich gerade nicht vorstellen, aus der Großstadt wegzuziehen. "Aber ich komme ja aus der Provinz, bin praktisch ein Produkt – und diese Tatsache ändert sich ja nicht, auch wenn ich so tue, als wäre es nicht so", schreibt der in Regensburg geborene und mit der Oberpfalz familiär verbundene Schriftsteller.
Seinen Debütroman sieht er als Autofiktion: "Dass der Erzähler Johannes heißt, ist natürlich Absicht. Aber es ist auch Absicht, dass er nicht Johannes Laubmeier heißt." Das Publikum berühre "Das Marterl" in besonderer Art und Weise. Oft würden sie zwischen den Kapiteln länger Pause machen, weil sie beim Lesen auf eigene Erinnerungen gestoßen werden, haben ihn Leserinnen und Leser immer wieder wissen lassen. Laubmeier vermutet, dass diese Erinnerungen dann auch an Orten spielen, die mehr oder weniger wie sein "A." sind. "Aber ich glaube, dass es gar nicht so sehr der Ort ist, der das Zurückgehen kompliziert macht – der Ort ist ja zufällig. Es ist vielmehr die Zeit, in die man zurückkehrt, die das Problem ist. Weil man in der ja nichts mehr verloren hat. Nicht als die Person, die man geworden ist".
Die Autoren und ihre Werke
- Christoph Peters, geboren 1966 in Kalkar am Niederrhein, Autor zahlreicher, mehrfach ausgezeichneter Romane und Erzählungen, lebt in Berlin
- Dorfroman, 416 Seiten, Hardcover, Luchterhand Literaturverlag, auch als Taschenbuch, btb Verlag
- Johannes Laubmeier, geboren 1987 in Regensburg, arbeitet als Schriftsteller, Reporter und Übersetzer in Berlin,
- Das Marterl, Debüt-Roman, 288 Seiten, Hardcover, Tropen
- Lesung: "Provinz ist eine Möglichkeit II: Weggehen und Wiederkommen – Johannes Laubmeier und Christoph Peters" am Mittwoch, 26. Oktober, 19 Uhr, Capitol, Moderation Dieter Heß; Karten: 09661/8159590; info[at]literaturarchiv[dot]de
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