Pflegen wie am Fließband? Mit dieser Frage war eine Veranstaltung betitelt, zu der die Gewerkschaft Verdi ins Capitol eingeladen hatte. Bettina Rödig, Kinderkrankenpflegerin in München und Mitglied im Landesvorstand von Verdi zeichnete kein rosiges Bild für die Zukunft der Pflegebranche. In den nächsten Jahren fehlen nach vorsichtigen Berechnungen 100 000 Kräfte in der Krankenpflege und 180 000 in der Altenpflege, rund 500 000 gehen in den nächsten zehn Jahren in Rente. Bei dieser Hochrechnung seien jedoch nicht die bereits heute offenen Stellen berücksichtigt.
Pflege als Einsparmöglichkeit
Rödig bemängelte, dass sich niemand aus der Politik ernsthaft mit der Frage beschäftige, wie das Gesundheitssystem in den nächsten Jahrzehnten funktionieren soll. Eine Ursache für die negative Entwicklung sah Röding Finim anzierungssystem der Krankenhäuser. In einem Rückblick erklärte sie die verschiedenen Finanzierungsmodelle der Vergangenheit bis zur Einführung der sogenannten DRG-Finanzierung im Jahre 2004. DRG ist die Abkürzung für Diagnosis Related Groups, ein Klassifikationssystem für ein pauschaliertes Abrechnungsverfahren, mit dem Krankenhausfälle anhand von medizinischen Daten Fallgruppen zugeordnet werden. Röding fand viele Punkte, an denen dieses System krankt und erklärte an einem Beispiel, wie schnell das Budget für ein Fallbeispiel überschritten wird. Die Mehrausgaben müssten an anderer Stelle eingespart werden. Weil bereits vor der DRG-Einführung die gesetzlich geregelte Pflegepersonal-Regelung (PPR) außer Kraft gesetzt wurde und viele Kliniken die Reinigungs- und Versorgungsdienste privatisiert hatten, lagen die größten Einsparpotentiale in der Reduzierung der Pflegestellen, so Rödig. Immer mehr Patienten müssten in immer kürzerer Zeit von immer weniger Personal versorgt werden.
Anderde Finanzierung nötig
Die Ökonomisierung der Krankenhäuser war von der Politik gewollt. Sie sei aber auch der Todesstoß für viele kleine Krankenhäuser, weil sie auf dem Papier nicht mehr wirtschaftlich arbeiten.
Rödig sagte: "Wir brauchen eine grundlegend andere Krankenhausfinanzierung." Es gebe Bemühungen, die Misere zu ändern, aber keine Lösungen. Der Pflegeberuf habe ein Imageproblem. Finanzielle Anreize haben nur eine vordergründige Wirkung, sind aber keine langfristige Lösung. Abschließend forderte die Gewerkschafterin eine Selbstverwaltung der Pflege, fachliche Vertretungen in entscheidenden, politischen Gremien, eine öffentliche Aufwertung des Pflegeberufs und Anerkennung und Ausbau der Pflegewissenschaft.
Die anschließende Diskussion mit dem Publikum war überwiegend von betroffenem Schweigen gekennzeichnet.
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