Graffiti-Sprayer "OWSG": Wie die Polizei vier Serientäter dingfest machte

Sulzbach-Rosenberg
14.02.2023 - 16:53 Uhr
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Allein in Sulzbach-Rosenberg liegt der Schaden bei über 50.000 Euro. Eineinhalb Jahre hielten Serien-Sprayer Polizei und Bevölkerung in Atem. Nun ist klar, wer die Täter sind – dank intensiver Ermittlungsarbeit und einer versteckten Kamera.

Alles begann in der Nacht auf den 29. August 2021. Um 4.15 Uhr ging der Alarm bei der Polizei ein. Ein Anwohner habe mehrere Personen beobachtet, wie sie Graffiti am Bierhalsberg sprühen würden – damals wurden dort die Oberpfalz-Arkaden gebaut. Den Beamten war klar: Die Täter sind noch vor Ort, jetzt zählt jede Minute. Sie eilten zu ihrem Dienstwagen und rasten los. „Wir sind sofort ausgerückt“, berichtet Erster Polizeihauptkommissar Michael Kernebeck rückblickend. „Als die Streife an der Arkaden-Baustelle eintraf, haben sie die Flucht ergriffen.“ Die Sprayer entkamen den Polizisten nur knapp.

An diesem Sommertag zu Hochzeiten der Coronapandemie begann ein Katz-und-Maus-Spiel, das über ein Jahr dauern sollte. In den Morgenstunden des 29. August war der Streifenbesatzung, die zur Arkaden-Baustelle alarmiert wurde, noch nicht klar, dass dies der Auftakt für eine Graffiti-Serie war, die es in Sulzbach-Rosenberg seit über zehn Jahren so nicht mehr gegeben hat und die auch die Städte Amberg, Weiden und Deggendorf massiv betraf.

Über 50.000 Euro Schaden

„Wir sind am 29. August Sulzbach-Rosenberg abgefahren und haben noch weitere, zahlreiche Schmierereien überall in der Stadt entdeckt“, sagt Kernebeck, der Chef der Sulzbach-Rosenberger Polizei, im Gespräch mit Oberpfalz-Medien. „Absperrungen, Ampeln, Hauswände – allein an und um die Arkaden-Baustelle herum gab es elf OWSG-Schmierereien“, ergänzt Polizeihauptkommissar Achim Kuchenbecker, Kernebecks Stellvertreter.

Dabei blieb es nicht. In den kommenden Wochen und Monaten tauchten die blauen Schriftzüge fast überall auf. An der Fassade des Sulzbacher Schlosses – einem denkmalgeschützten Bau. An der für Millionen Euro frisch sanierten Stadtmauer. An Bushaltestellen, Fußgängerunterführungen, dem Bahnhof, der Friedhofsmauer, am Annaberg und natürlich an unzähligen privaten Häusern. All das sei keine Kunst, so Kuchenbecker, sondern ein Straftatbestand, Sachbeschädigung. Die Kosten für den Vandalismus sind unterschiedlich hoch.

„Mal sind es 500 Euro Schaden, mal 3000 Euro.“ Rechnet man alle OWSG-Graffitis (Abkürzung für „Open World Sprayer Group“) zusammen, sind es 136 Fälle in vier Städten. Aber: Wird eine ganze Mauer Dutzendfach besprüht, zählt auch das als „ein Fall“. In Wirklichkeit stecken also viel mehr Schmierereien dahinter als „nur“ 136 Fälle. „In Deggendorf ist die Rede von circa 40 000 Euro Schaden. Und in Sulzbach-Rosenberg? „Es sind weit über 50 000 Euro“, sagt Kernebeck. „Locker“, sagt Kuchenbecker.

Drei Männer und eine Frau

Seit Ende Januar kennt die Polizei nun nicht nur die Täter, sie kann die meisten Taten auch nachweisen und zuordnen. Kuchenbecker ist wichtig, zu betonen, dass dieser große Ermittlungserfolg nicht nur den Sulzbach-Rosenberger Kollegen zu verdanken ist. „Das war eine Teamleistung. Die Zusammenarbeit mit den Kollegen in Amberg und Deggendorf war hervorragend.“

Bei den Tätern handelt es sich laut Kernebeck um ein Quartett. Dazu gehörten ein Pärchen aus Sulzbach-Rosenberg, zum Tatzeitpunkt 20 und 22 Jahre alt, ein 32-Jähriger aus Amberg und ein 18-Jähriger aus dem westlichen Landkreis Amberg-Sulzbach, der in Deggendorf zur Berufsschule geht. Das erklärt auch das Auftauchen der OWSG-Sprühereien in der niederbayerischen Stadt. „Wir haben die Zeiten seines Blockunterrichts mit den Graffiti-Meldungen abgeglichen – das passte zeitlich zusammen“, sagt der Sulzbach-Rosenberger Polizeichef.

Aufnahme beweist nichts

Doch wie kam die Polizei nun den Schmierfinken auf die Spur? Einen starken Verdacht habe es schon am ersten „Tattag“, dem 29. August, in Sulzbach-Rosenberg gegeben. „Wir haben die Aufnahmen der Kamera am Friedhofsberg ausgewertet“, erklärt Kernebeck. Darauf war das beschriebene Pärchen zu sehen. „Um die Uhrzeit ist dort eigentlich niemand unterwegs.“ Und: Friedhofsberg und Arkaden-Baustelle, der erste Tatort, liegen nur einen Katzensprung auseinander. Das Problem: Die Aufnahme allein beweist überhaupt nichts. „Wir haben das Pärchen nicht kontaktiert, um die beiden nicht zu warnen, dass wir ihnen auf der Spur sind.“

Genau diese Spur wird dann auch kalt. Zwar gab es allein in Sulzbach-Rosenberg eine eigene Ermittlungsgruppe mit drei Beamten und viele Hinweise, aber die Beweise fehlten. Anfang 2022 blieb der Inspektion nichts anderes übrig, als die Akte zu schließen und an die Amberger Staatsanwaltschaft zu geben. Fall ungelöst?

Schmierfink läuft in Fotofalle

Es kommt anders. Im August 2022 – ein Jahr nach dem Serienauftakt – meldet sich der Betreiber einer Bude am Annaberg. „Der Mann hatte dort eine Wildtierkamera angebracht, um seine Bude zu schützen“, so Kernebeck. Was er auf der Kamera-Aufnahme sieht, ist ein Volltreffer: „Die Qualität war schlecht, aber wir haben letztlich ermitteln können, dass es sich um den 18-Jährigen aus dem Westen des Landkreises handelt. Man sieht ihn beim Sprühen“, berichtet Kuchenbecker.

Die Polizei durchsucht die Wohnung, wertet Handyfotos und Chatverläufe aus – die Beweislast ist eindeutig. Der junge Mann wird vorgeladen, intensiv befragt. „Er hat letztlich kooperiert und gestanden.“ So erfährt die Polizei auch die Identität der anderen drei Beteiligten, des Pärchens aus Sulzbach-Rosenberg und des 32-jährigen Ambergers. In Kürze gehen die Akten an die Staatsanwaltschaft, dann kann die Anklage vorbereitet werden. Das ist die strafrechtliche Seite.

Doch mit Blick auf die Wiedergutmachung greift das Zivilrecht. Wer glaubt, dass die Täter nun für den Schaden aufkommen müssen, wird wohl enttäuscht. „Dazu muss halt auch Geld da sein. Der 18-Jährige ist Schüler. Und die anderen drei sind alle arbeitssuchend, seit längerem“, sagt Kernebeck. Der 32-Jährige sei sowieso ein Problemfall. Er ist amtsbekannt: Drogen, Kriminalität.

Oberpfalz-Medien wollte wissen, warum sie überhaupt gesprüht haben. Fanden sie es cool? War ihnen langweilig? Kernebeck, fast beschämt: „Ja, das trifft es.“

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