Sulzbach-Rosenberg
17.09.2024 - 15:53 Uhr

Hans Schuierer reflektiert politische Karriere und Kampf gegen die WAA

Der „Stern“ nannte ihn den "Ghandi der Oberpfalz“': Hans Schuierer erzählte in Sulzbach-Rosenberg beim Verein Sega aus seinem Leben und über seinen Kampf gegen die WAA. Was ihm heute Angst macht, ließ der fast 94-Jährige nicht unerwähnt.

Er war der Älteste im Veranstaltungssaal der Berufsfachschule für Musik (BfM), "am 94. näher dran als am 93.", beschrieb er seine Lebensjahre. Eingeladen vom Verein zur Förderung der seelischen Gesundheit im Alter (Sega) eröffnete Hans Schuierer eine Veranstaltungsreihe mit Biografien. Vorstellen musste Moderator Armin Rüger den früheren Landrat des Kreises Schwandorf nicht. Er war in den 1980er Jahren die führende Figur des politischen Widerstandes gegen den Bau der WAA in Wackersdorf. Jahrzehnte später sagt Schuierer heute: "Wenn ich auf was stolz bin in meinem Leben, dann, dass ich damals dem Strauß die Stirn geboten habe."

Aufgewachsen in einer Klardorfer Arbeiterfamilie mit sieben Kindern, musste Hans früh zum Lebensunterhalt beitragen. "Von früh bis spät waren wir im Wald beim Beerensammeln", erinnert er sich, "nicht zuletzt, weil der Vater politisch verfolgt und dreimal inhaftiert worden ist." Aber nach dem Krieg wurde Schuierer senior von den Amerikanern als Bürgermeister von Klardorf eingesetzt; ein Amt, in das neun Jahre später sein Sohn Hans gewählt worden ist. Das Vorbild seines Vaters dürfte den Sohn geprägt haben, der es durch Fernstudium vom Maurer zum Bautechniker im Landratsamt geschafft hatte.

Politisch war Hans Schuierer immer ein SPD-Mann, war aktiv in der Gewerkschaft, der politischen Jugendarbeit, hat in all seinen Funktionen einiges bewegt. Der heutige Zustand seiner Partei allerdings lasse ihn verzweifeln, sagt er. Noch größere Sorge bereite ihm die AfD. „Dass es genauso wird wie im Dritten Reich“, befürchtet er die weitere Entwicklung aus der Erfahrung seines langen Lebens heraus.

Ministerpräsident ließ nachzählen

Die kommunalpolitische Karriere des Hans Schuierer ging steil bergauf. Einer aus dem Volk, nicht abgehoben, der inmitten seiner Bürgerinnen und Bürger stand, das waren Voraussetzungen für seine Wahl zum Landrat in Burglengenfeld und später im Großlandkreis Schwandorf. “Damit hatte damals keiner gerechnet“ so Schuierer, „dass der schwarze Landkreis an einen Roten gehen könnte.“ 375 Stimmen habe er 1972 bei der Wahl mehr gehabt als sein CSU-Gegenkandidat Spichtinger, worauf der damalige Ministerpräsident Goppel eine Nachzählung angeordnet habe. „Dann waren es 425 Stimmen für mich“, freut sich der Hans noch heute. Vier weitere Wahlen hat er als SPD-Kandidat gewonnen, lag 1990 bei 79 Prozent Zustimmung, „unvorstellbar für die heutigen Verhältnisse“, sagt er. Als „lebendes Archiv“ stand ihm bei seinen Erinnerungen sein langjähriger Weggefährte Wolfgang Nowak bei.

Im Rückblick auf die WAA-Geschichte schilderte Schuierer die wirtschaftlichen Probleme, die er damals als Landrat zu meistern hatte. Betriebe wie die Maxhütte in Haidhof, die Braunkohlenindustrie und die Bayernwerke wurden stillgelegt, neue Arbeitsplätze waren rar. So schien auch dem Landrat der Region der geplante Bau einer WAA mit über 3000 neuen Arbeitsplätzen eine gute Sache. „Nachdem ich aber auf einem Bauplan einen 200 Meter hohen Kamin gesehen habe, der die radioaktiven Partikel weit verbreiten und so die Gefahren für die Bevölkerung minimieren sollte, kamen mir erste Zweifel." Schnell erkannte Hans Schuierer, auf was er sich da einlassen sollte und wechselte das Lager.

Die Unterschrift verweigert

Bei zahlreichen Demonstrationen rund um das WAA-Gelände und direkt am Bauzaun stand er als Landrat an vorderster Front. Er verweigerte die nötige Unterschrift für die Baumaßnahmen, was die Staatsregierung dazu bewegte, ein noch nie dagewesenes Gesetz zu erlassen. Die "Lex Schuierer" machte es möglich, derartige Großprojekte ohne die Zustimmung der Landkreise durchzusetzen. „Das war nicht einfach für mich als Landrat“, gibt Schuierer zu: Tausende von Demonstranten jedes Wochenende am Bauzaun, Übergriffe der Polizei, gewalttätige Demonstranten, Anfeindungen, Druck. Letztlich war der Widerstand von Erfolg gekrönt, der Bau der WAA wurde gestoppt.

Hans Schuierer wurde mit mehreren Disziplinarverfahren überzogen, erhielt für sein Engagement allerdings auch zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem das Bundesverdienstkreuz am Band. Zudem ist er Ehrenbürger der Stadt Schwandorf.

Das alles liegt weit zurück hinter dem Mann, der in der Berufsfachschule für Musik seine Zuhörer beeindruckte und auch Fragen beantwortete. Die Augen, die Ohren und auch der Kopf seien seine „Baustellen“, sagte er, aber trotzdem strebe er auf die Hundert zu. Alkohol trinkt er seit fast 40 Jahren nicht mehr, und darauf hatte Organisatorin Sonja Oleson bei der Zusammenstellung eines Geschenkpakets Rücksicht genommen.

Der Dank des Sega-Vorsitzenden Armin Rüger galt ebenso dem Multichor aus Sulzbach-Rosenberg, der mit Liedern aus aller Welt den Nachmittag umrahmte. „Wir sind in 35 Jahren miteinander groß geworden“, beschrieb Leiter Franz-Xaver Reinprecht seinen Chor, der mit grenzüberschreitenden Liedern a cappella eine musikalische Verbindung herstellte zwischen Ländern und Kontinenten.

 
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