„Wissen Sie, es ist folgendes …“ So fängt Heinz Rieß an, wenn er etwas erzählen will. Und der Sulzbach-Rosenberger hat viel erlebt, er kennt alle Leute in der Herzogstadt und freut sich, wenn er erzählen kann. Am 17. Mai feiert er seinen 85. Geburtstag.
Angefangen hat alles am Luitpoldplatz. Dort führte Rieß’ Familie seit Ende des 19. Jahrhunderts eine Wirtschaft und eine Bäckerei. Gebraut wurde im Kommunbrauhaus im Boch, später das Bier vom Bayerischen Hof bezogen. 1943 verlangten die Nazis, Wirtschaft und Bäckerei zu trennen, und die Familie gab die Wirtschaft auf.
Kurz vor Kriegsende wurde Rieß’ Vater Leonhard noch eingezogen, kam aber schon nach sechs Wochen unversehrt wieder heim, ohne eingesetzt worden zu sein. Nach der Währungsreform wurde das Café Rieß eröffnet. Hierfür stellte die Familie einen Konditor ein. Heinz Rieß lernte Bäcker, stieg aber vorläufig nicht ins Geschäft ein. Stattdessen war er in Schwaben in allen möglichen Berufen unterwegs, bis er 1963 zurückkam und das Café übernahm. Die Bäckerei war schon vorher aufgelöst worden. „Gebacken haben wir schon, aber ich nicht“, erinnert sich Rieß schmunzelnd, denn bis zum Schluss war Vater Rieß für die Torten zuständig. Legendär war vor allem der Apfelkuchen mit einem köstlichen Hefeboden und Äpfeln aus dem eigenen Garten. Für viele Besucher soll das der Hauptgrund gewesen sein, das Café zu besuchen. Nachbacken kann man diesen Gaumenschmaus aber nicht: Der Vater hat das Rezept mit ins Grab genommen.
Treffpunkt aller Sulzbacher
Das Café wurde bald zum Treffpunkt aller Sulzbacher, und Heinz Rieß als der galante „Oberkellner vom Café Rieß“ war immer mittendrin. Ab 13 Uhr offen. Am Nachmittag kamen die Schüler, abends die Lehrer, und zugesperrt wurde erst zur Polizeistunde. Zu den Gästen gehörte auch Walter Höllerers Vater, der Rieß’ Lehrer gewesen war, und auch mit Höllerer selbst war Rieß bekannt. Ein Buch aus dessen Feder mit persönlicher Widmung hält Rieß immer noch in Ehren.
Als das Café 1980 nach dem Tod von Leonhard Rieß geschlossen wurde, hatte Rieß endlich mehr Zeit für seine vielen Vereine und sein ehrenamtliches Engagement. So hat er jahrelang im Seniorenheim Bühler Höhe geholfen, die Gottesdienstbesucher in die Kapelle zu bringen, und im Seidelsaal regelmäßig Stühle aufgestellt und wieder weggeräumt. Später pflegte er die Geselligkeit als einer der ersten Gäste der Tagespflege in der Ökumenischen Sozialstation. Auch dort brachte er sich ein und zeigte den Damen, wie man aus Hefeteig Osterhasen dreht.
Jahrzehntelang war Rieß nicht aus dem Stadtbild wegzudenken: Zuverlässig ging er jeden Vormittag und jeden Nachmittag mit seinem Pudel spazieren. Vier waren es insgesamt, zwei schwarze und zwei apricotfarbene. Die Spaziergänge behielt Rieß auch nach dem Tod seines letzten Pudels, Dusty, bei, zum Schluss allerdings mit Rollator. Immer freute er sich, Bekannte zu treffen und ein Schwätzchen zu halten.
Neues Zuhause im Barbaraheim
Nach diesem buchstäblich sehr bewegten Leben ist er vor einem halben Jahr auf den Loderhof, ins Barbaraheim, gezogen. Er hat neue Bekanntschaften geschlossen und bildet mit seinen beiden Zimmernachbarn ein fröhliches Männertrio. Vor allem kann er von dort weiterhin seine Stadt sehen und an allem Anteil nehmen. Denn wenn auch die Beine nicht mehr so recht wollen, seine hellwachen Augen blitzen immer noch jeden verschmitzt an.
„… und so weiter.“ So beendet Rieß oft seine Erzählungen, weil er noch viel mehr über Sulzbach und seine Geschichte sagen könnte.
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