Sulzbach-Rosenberg
13.07.2022 - 12:22 Uhr

Literaturhaus Oberpfalz: Besondere Leckerbissen für die Sommerlektüre

Drei Gäste stellen beim Sommerfest des Literaturhauses Oberpfalz in Sulzbach-Rosenberg am Samstag, 16. Juli, besondere Lese-Leckerbissen vor. Und ein großer Geburtstag wirft auch schon seine Schatten voraus.

Im kommenden Dezember wäre Walter Höllerer 100 Jahre alt geworden. Zum Auftakt der Jubiläumsfeierlichkeiten eröffnet „sein“ Literaturhaus Oberpfalz beim Sommerfest die Sonderausstellung „Ich sah, ich hörte. Walter Höllerers Lyrik und ihre Orte“.

Nadja Küchenmeister

Passend dazu steht Lyrik auch im Mittelpunkt der Nachmittagslesung mit Nadja Küchenmeister und Marcel Beyer. Während es für den in Dresden lebenden Schriftsteller eine Rückkehr in bekannte und geschätzte Gefilde wird, freut sich die Berliner Lyrikerin darauf zu erleben, was sie bislang nur aus Erzählungen von Thomas Geiger vom Literarischen Colloquium Berlin kennt.

Mit im Gepäck hat sie ihren aktuellen Band „Im Glasberg“, der gerade Alltägliches thematisiert. Aber wie wird aus einem Eindruck Poesie? "Das entscheidet, so seltsam das klingen mag, das Gedicht selbst. Im Entstehen weiß ich, welcher Spur sich nachzugehen lohnt, anderes verliert sich, das Gedicht bringt sich also nicht zuletzt selbst hervor, in dem es geschrieben wird“, so Küchenmeister.

Die dabei strikt durchgehaltene Dreizeiligkeit der Strophen ist kein Zufall: Neben der Ästhetik schätzt Nadja Küchenmeister die Verlässlichkeit dieses Formats, das genug Übersicht gebe, um sich in den Bildern zurecht zu finden: „Auch stelle ich mir das Gedicht oft als eine Art Treppe vor, und jede Strophe ist eine Stufe, die ich nach und nach betrete“.

Marcel Beyer

Marcel Beyer schwört ebenfalls auf ein festes Format. Dass man in seinem Band „Dämonenräumdienst“ stets 40 Zeilen zählt, ist einem gemeinsamen Projekt mit seiner Frau, der Künstlerin Jacqueline Merz, zu verdanken: „Ein strenger, unveränderbarer Rahmen, innerhalb dessen dann um so mehr Unterschiedliches passieren kann“.

Und so klingen die Taunus-Krimis von Nele Neuhaus ebenso an wie Erinnerungen an längst verblasste Größen: „Hildegard Knef aus meiner Kindheit, Rudolf Moshammer aus der Schickimicki-Welt der achtziger, neunziger Jahre“. Gerade auch als die gebrochenen, dunkel umwölkten Figuren, die sie waren, verschafft ihnen der seit über zwei Jahrzehnten in Dresden lebende Lyriker noch einmal einen Auftritt. Auch zu verstehen als Reminiszenz an seine westdeutsche Vergangenheit.

Der Name Walter Höllerer ist den beiden Literaten natürlich schon lange ein Begriff. „Wenn jemand Dichter und zugleich Literaturwissenschaftler ist, braucht die Nachwelt vielleicht ein bißchen länger, um sein Werk zu entdecken“, schränkt Beyer ein. Aber er sei sich sicher, dass irgendwann eine Generation zum Beispiel Walter Höllerers Roman »Die Elefantenuhr« wiederentdeckt.

Uwe Timm

Uwe Timm, der dritte Gast des Sommerfestes, kann sogar persönliche Erinnerungen beisteuern: „Ich habe als junger Schriftsteller Walter Höllerer kennengelernt. Er war ein so offener, fragender Mensch, der so gar nicht autoritär auftrat. In unserem Gespräch entwickelte er eine Theorie der sich minimierenden Aufnahmetechniken. Das war im Literarischen Colloquium 1973. Wenn ich heute mit meinem Handy ein Foto mache, muß ich manchmal an Höllerer denken“.

In seiner Abend-Lesung wird er den Essay-Band „Der Verrückte in den Dünen. Über Utopie und Literatur“ vorstellen. Ein durchaus aktuelles Thema. „Zeiten der Dystopie wie heute, sind immer auch Zeiten konkreter Utopien, etwa wenn es darum geht, wie man Flüchtlinge aufnehmen und ihnen neue Lebensmöglichkeiten schaffen kann“, so Timm. Im Buch erzählt er von Beispielen, wie und wo das gerechte Zusammenleben versucht wurde.

Auf seinen nach eigener Schätzung vierten oder fünften Besuch in der Herzogstadt freut sich der Schriftsteller: „Ich komme sehr gern nach Sulzbach-Rosenberg. Ich finde diese Konstellation, eine große Industrieanlage neben einer spätmittelalterlich geprägten Kleinstadt, ganz erstaunlich“. Und das Publikum sei jedesmal ein Erlebnis.

Hintergrund:

Zu Personen, Büchern und Sommerfest

  • Uwe Timm, geboren 1940 in Hamburg, vielfach ausgezeichneter Schriftsteller. Bekannteste Werke: "Die Entdeckung der Currywurst", "Am Beispiel meines Bruders" und natürlich das Kinderbuch "Rennschwein Rudi Rüssel".
  • Nadja Küchenmeister, geboren 1981 in Berlin, hat bislang drei Gedichtbände veröffentlicht und wurde mit dem Basler Lyrikpreis 2022 geehrt. Sie schreibt auch Hörspiele und Rundfunkfeatures, 2022 gibt sie zusammen mit Matthias Kniep das "Jahrbuch der Lyrik" heraus.
  • Marcel Beyer, geboren 1965 in Tailfingen, ist vielfach ausgezeichneter Schriftsteller u.a. mit dem Georg-Büchner-Preis 2016, für seinen aktuellen Lyrikband "Dämonenräumdienst" erhielt er den Peter-Huchel-Preis 2021.
  • Bücher:
    Uwe Timm "Der Verrückte in den Dünen. Über Utopie und Literatur", 256 Seiten, gebundene Ausgabe, Verlag Kiepenheuer&Witsch, 20 Euro
    Nadja Küchenmeister "Im Glasberg", 112 Seiten, gebundene Ausgabe, Verlag Schöffling & Co., 20 Euro
    Marcel Beyer "Dämonenräumdienst", 173 Seiten, gebundene Ausgabe, Suhrkamp Verlag, 22,39 Euro
  • Literatur-Sommerfest, Samstag, 16. Juli, 16 Uhr Lesung mit Nadja Küchenmeister und Marcel Beyer,
    18 Uhr Ausstellungseröffnung "Ich sah ich hörte. Walter Höllerers Lyrik und ihre Orte. Eine Ausstellung zum 100. Geburtstag",
    19 Uhr "Der Verrückte in den Dünen. Über Utopie und Literatur" Lesung und Gespräch mit Uwe Timm, Moderation Thomas Geiger (Literarisches Colloquium Berlin),
    musikalische Umrahmung Andreas Fischer (Gitarre), Reservierung und Vorverkauf telefonisch unter 09661/8159590 oder per Mail info[at]literaturarchiv[dot]de
 
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