Sulzbach-Rosenberg
19.01.2024 - 11:23 Uhr

Michael Krüger präsentiert "Verabredung mit Dichtern" in Sulzbach-Rosenberg

Als Verleger, Herausgeber und Schriftsteller hat Michael Krüger die deutsche Literaturszene geprägt. Bei seiner Lesung im Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg werden nicht nur seine schriftlich festgehaltenen Erinnerungen zum Leben erwachen.

Verleger und Schriftsteller Michael Krüger wird am 25. Januar in Sulzbach-Rosenberg lesen. Archivbild: Sven Hoppe/dpa
Verleger und Schriftsteller Michael Krüger wird am 25. Januar in Sulzbach-Rosenberg lesen.

Den Weg in die Oberpfalz kennt der frühere Verleger des Carl Hanser Verlages und Herausgeber der Zeitschrift „Akzente“ seit Jahrzehnten bestens. Und er schätzt ihn auch landschaftlich, verrät Michael Krüger im Telefon-Interview mit Oberpfalz-Medien. Dass er ihn aber überhaupt gefunden hat, verdankt er seiner Freundschaft mit Walter Höllerer, der auch im fernen Berlin immer seiner Heimat verbunden blieb und 1977 das Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg im ehemaligen Amtsgericht etablierte.

Zum Kennenlernen mit dem „Schriftstellerprofessorkulturunternehmer“ war es über Krügers Bruder gekommen, der zum entfernten Mitarbeiterteam Höllerers zählte: „Da war sofort eine große Zuneigung, wohl auf beiden Seiten.“ Den Prolog zu seiner Geschichte mit Höllerer bezeichnet Krüger im Nachhinein als „komische Koinzidenz“, in der er aber letztlich doch Fügung erkennt: Als junger Mann las er einst einer französischen Austauschstudentin Höllerer-Gedichte vor. Wie der Zufall oder eben die Fügung es wollte, hatte sie ihre Unterkunft in just der Wannsee-Villa, in der Höllerer später das Literarische Colloquium Berlin beheimaten sollte.

Im persönlichen Kontakt beeindruckt hat Krüger – neben dem urgewaltigem Lachen – Höllerers Art, Literatur als etwas ganz Wunderbares, aber auch Zugängliches zu beschreiben: „Er machte nicht wie damals bei anderen üblich eine Geheimwissenschaft daraus, seine Literaturvermittlung hatte etwas zutiefst Demokratisches.“ Dass sich die Literaturszene nach dem Zweiten Weltkrieg überhaupt wieder in West-Berlin ansiedelte, sei Höllerer zu verdanken gewesen. Erst mit ihm sei die Stadt für die Szene wieder attraktiv geworden, er habe die ganzen jungen deutschen, aber auch die internationalen Autoren geholt: „Er war kein Deutscher, der nur deutsches Zeug hatte.“

In seinen „Verabredung mit Dichtern“ betitelten Erinnerungen wie im Interview bedauert Krüger daher das Fehlen einer umfassenden biografischen Würdigung Höllerers, auch unter dem Blickwinkel des Einflusses, den Höllerer auf seine, Krügers Generation hatte. Er selbst sei jetzt mit 80 Jahren zu alt dazu und vorher habe ihm als Verleger die Zeit gefehlt.

Das zum 100. Geburtstag Höllerers von Literaturwissenschaftler Heribert Tommek, dem Vorsitzenden des Literaturarchivs Sulzbach-Rosenberg, vorgelegte Werk „Flecken – Walter Höllerer und die Epiphanien der Moderne“ sei ein Schritt in die richtige Richtung. Dass aber noch keine große Straße in Berlin nach Höllerer benannt wurde und eine „große internationale Sause“ zum runden Geburtstag 2022 ausblieb, verbucht Krüger unter Versäumnis.

In den „Verabredungen mit Dichtern“ ist Höllerer dagegen ein eigenes Kapitel gewidmet. Aber wie unterscheidet Krüger eigentlich zwischen den ja nicht wirklich synonymen Begriffen „Dichter“, „Autor“ und „Schriftsteller“? Das sei eine komplizierte Frage. Es gebe Autoren, die auch Dichter sind, aber eigentlich sei es doch eine eigene Gruppe: „Dichter sind eigentümliche Menschen, die wenig schreiben, das aber immer in hoher Konzentration ... Dichter sind meistens langweilige Leute.“

Für Langeweile wird bei der anstehenden Lesung im Literaturarchiv allerdings wenig Raum bleiben, schließlich gibt es viel zu erzählen, wenn einer der häufigsten und wichtigsten Gäste wieder im Haus ist. Wie Programmleiterin Patricia Preuß und der wissenschaftliche Leiter Michael Peter Hehl erinnern, zählte Krüger schon zu den Autoren, die bei der Eröffnung 1977 mit von der Partie waren.

Zwei Jahre später habe Krüger sich an der Ausstellung zum 25-jährigen Bestehen der von Höllerer gegründeten Literaturzeitschrift "Akzente" beteiligt, die er später als Herausgeber betreuen sollte. Seine eigenen Bücher wie etwa „Die Cellospielerin“ (2001) und „Der Gott hinter dem Fenster“ (2016) stellte er in der Herzogstadt ebenso vor wie beispielsweise den von ihm verlegten Roman „Mittelmäßiges Heimweh“ (2007) von Wilhelm Genazino.

„Anfang der 1990er Jahre überließ Krüger dem Haus seine Unterlagen zum Petrarca-Preis, den er zusammen mit Hubert Burda ins Leben gerufen hatte. Daraus entstand eine Ausstellung zur Geschichte dieses Preises mit Fotografien von Isolde Ohlbaum, die das Literaturhaus zu seiner Wiedereröffnung nach einer Umbauphase 1994 zeigte. Natürlich war er dann zur Eröffnung in Sulzbach-Rosenberg“, so Preuß und Hehl.

Aufgrund all der gemeinsam erlebten Geschichte und Verbundenheit wird der neuerliche Besuch wohl nicht ganz frei von Wehmut sein, mutmaßen die Gastgeber. Michael Krüger freut sich aber schon auf das Wiedersehen mit seiner Freundin Brigitte Fließ, die seinerzeit die „Akzente“-Ausstellung mit kuratierte, den Austausch mit Moderator Heribert Tommek – und auf den Gasthof Sperber Bräu, der übrigens auch seinen Platz in „Verabredung mit Dichtern“ gefunden hat.

Walter Höllerer, so glauben Preuß und Hehl, würde seinen Freund vermutlich freudig mit den Worten begrüßen: „Schau, die Ideen, die wir damals hatten, haben gefruchtet! Es hat alles so geklappt, wie wir uns das vorgestellt haben!" Auch das mit der Provinz als Möglichkeit. „Provinz ist das Einzige“, konstatiert Michael Krüger, „wer will heute noch in Berlin leben?“

Hintergrund:

Zu Person, Buch und Lesung

  • Michael Krüger: Verleger, Schriftsteller, Übersetzer, geboren 1943 in Wittgendorf/Sachsen-Anhalt, von 1986 bis 2013 Verlagsleiter der Carl Hanser Verlage, von 1976 bis 2014 Herausgeber der Literaturzeitschrift "Akzente", von 2013 bis 2019 Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, für sein schriftstellerisches Werk mehrfach ausgezeichnet; lebt in München.
  • Verabredung mit Dichtern – Erinnerungen und Begegnungen: Hardcover, 447 Seiten, Suhrkamp Verlag, 30 Euro.
  • Lesung: Donnerstag, 25. Januar, um 19 Uhr im Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg, Moderation Heribert Tommek; Tickets unter www.nt-ticket.de
 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.