Sulzbach-Rosenberg
09.06.2023 - 14:30 Uhr

Nie auf der Sonnenseite des Lebens: Tommie Goerz stellt seinen ersten historischen Roman in Sulzbach-Rosenberg vor

Obwohl kein Krimi ist der neueste Tommie Goerz ein düsteres Buch. Was den Schriftsteller auf die historische Geschichte "Im Tal" gebracht hat und wie nahe ihm die Oberpfalz steht, hat er vor der Lesung in Sulzbach-Rosenberg verraten.

Es ist ein erschütterndes Leben, das im Mittelpunkt des Romans steht. Geprägt von Kargheit, Einsamkeit, emotionaler Verwahrlosung und frühem Verlust schlägt sich der Protagonist Toni Rosser durch die Zeit der beiden Weltkriege. Und so sehr man auch mit hofft und bangt, die Tragödie nimmt unaufhaltbar ihren Lauf.

Als Inspiration dienten unter anderem ein Nachbar von früher, ein Senn aus dem Tessin, die eigene Kindheit und das Tal, das es tatsächlich gibt, schreibt Tommie Goerz auf Nachfrage von Oberpfalz-Medien: „So kommt eins zum anderen, Fantasie kommt ins Spiel, mischt alles durcheinander, eine Geschichte entsteht, der Protagonist entwickelt ein Eigenleben ... den einen Anstoß also hat es nicht gegeben, es sind immer viele Dinge, die, oft unkontrollierbar, ineinander spielen“.

Inwieweit seine Erfahrungen als promovierter Soziologe eingeflossen sind, vermag er kaum zu beurteilen: „Aber wer Soziologie studiert hat, denkt ein Leben lang quasi soziologisch“. Ohne seine Erfahrungen als Hüttenwirt im Tessin und als Alpe-Knecht im Piemont allerdings hätte er das Leben des Toni Rosser sicher nicht glaubhaft und überzeugend darstellen können, so Goerz.

Für die Frage nach der Motivation zum Wechsel vom fränkischen Krimi zum historischen Roman bringt er nur begrenzt Verständnis auf: „Wissen Sie, wenn ich auf der Bühne stehe und Musik mache, und ich habe das über 30 Jahre lang getan, dann fragt keiner, warum ich mal einen Rock spiele, dann einen Funk, dann eine Ballade, dann einen Blues. Aber wenn ich das beim Schreiben mache, soll ich es plötzlich begründen“. Er schreibe gern und versuche sich auch gerne auf neuen Spielfeldern aus, merkt er mit Verweis auf sein Wirtshausbuch und sein Buch über Tante-Emma-Läden noch an.

Und trotz aller Erfolge mit den, auch preisgekrönten, Krimis – die Schublade „Krimiautor“ misshagt ihm. „Ich wollte einmal eine Geschichte in einer klaren, einfachen und eindringlichen Sprache erzählen“. Im Übrigen sei es die reine Lebens- und Schreibensfreude, die hinter den Genrewechseln stecke. Mit dem Sprung von der Gegenwart zur Historie hatte Goerz ebenfalls kein Problem: „ Nach dem Gewinn des Glauser 2021 (Friedrich-Glauser-Preis für deutschsprachige Kriminalliteratur, Anmerk. d. Red.) war ich letztes Jahr in der Jury für den Glauser 2023 und musste über 450 Krimis beurteilen. Danach ist man erst mal Krimi-satt. Da hat mir »Im Tal« eher geholfen“.

Die „begeisterte bis euphorische“ Reaktion von Publikum wie Kritik freut ihn natürlich sehr. Sie ist wohl zugleich Motivation: „Sowohl die Idee für einen neuen Krimi wie die auch für einen weiteren Roman reifen schon in meinem Kopf, die ersten Seiten sind auch schon geschrieben. Nur die Entscheidung, welche Geschichte ich zuerst fertigstellen werde, ist noch nicht gefallen. Damit lasse ich mir auch noch Zeit, hier zwingt mich nichts und niemand“.

Dass er unter einem Pseudonym veröffentlicht, hat seinen ursprünglichen Grund in der beruflichen Karriere. Als sein erster Krimi „Schafkopf“ in Druck gehen sollte, befand sich Tommie Goerz unter den letzten drei Kandidaten für eine Professur „Text und Konzeption“ in Nürnberg: „Da ich die Entscheidung durch einen Regionalkrimi nicht negativ beeinflussen wollte, veröffentlichte ich unter Pseudonym. Aus der Professur wurde schließlich doch nichts, das Pseudonym aber blieb. Der Name stammt übrigens aus der Oberpfalz: Es ist der Mädchenname meiner Schwiegermutter“.

Er wurde dann aber doch noch Lehrbeauftragter und Dozent für diesen Fachbereich an der Technischen Hochschule Georg Simon Ohm Nürnberg respektive an der Faber-Castell-Akademie Stein. Auf die Frage, ob er sich selbst immer an das halte, was er seinerzeit vermittelt hat, antwortet Goerz: „Insofern ich nur das schreibe, was mir als Leser gefallen würde, ja. Das ist mein stärkstes Korrektiv. Und das: Brich jede Regel. Die Sprache muss zur Story passen und dafür ist alles erlaubt“.

Die Lesung am 30. Juni in Sulzbach-Rosenberg wird sein erster Auftritt in der Herzogstadt sein, die er jedoch privat schon als Station bei Wanderung und Radtour kennengelernt hat. Mit der Oberpfalz an sich ist er ja ohnehin vertraut: „Meine Frau kommt schließlich aus Pressath“.

An der abschließenden Frage an den ausgewiesenen Bierexperten und Genussmenschen kommt man da natürlich nicht vorbei: Kann die Oberpfalz in diesen Bereichen noch was von Franken lernen? Die Antwort ist ein ganz klares Nein- „ich sag nur Zoigl“. Die besten Kartoffeln habe die Oberpfalz eh. „Nur bei den Bratwürsten sähe ich noch Entwicklungsbedarf. Diese dünnen blassen Dinger, die man hier kriegt, sind nichts für einen Mittelfranken“.

HINTERGRUND:

Zu Person, Buch und Lesung

  • Tommie Goerz, Schriftsteller, Jahrgang 1954, bekannt durch seine Krimi-Reihe um Friedo Behütuns, der 2020 erschienene Roman "Meier" stand u.a. auf der Krimi-Bestenliste, der Nachfolger "Frenzel" wurde 2022 mit dem Crime Cologne Award für den besten Kriminalroman ausgezeichnet. Tommie Goerz lebt in Erlangen.
  • Im Tal, Roman, 240 Seiten, Hardcover, ars vivendi verlag, 22 Euro
  • Lesung am Freitag, 30. Juni um 19.30 Uhr in der Buchhandlung Volkert, Rosenberger Straße 12, Sulzbach-Rosenberg, Tickets unter Tel. 09661/812373
 
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