Sulzbach-Rosenberg
17.04.2019 - 08:00 Uhr

O Kirwa lou niad nou…

Kirwa ist ein Stück Heimat. Ganz besonders in der mittleren und westlichen Oberpfalz wird sie zelebriert.

Heimat und Kirwa - das gehört in vielen Gegenden der Oberpfalz fest zusammen. Archivbild: ibj
Heimat und Kirwa - das gehört in vielen Gegenden der Oberpfalz fest zusammen.

"O Kirwa lou niad nou" hört man es aus den Wirtshäusern und Festzelten zur Kirchweihzeit. Der Ursprung der Kirwa wird auf die vorchristliche Zeit der Altvorderen zurückgeführt. Ihnen galt der Baum als heilig. Im Sulzbacher Land steht der „Bätzn“ für das Überbleibsel eines Ernteopfers und wird beim Tanz um den Kirwabaam mitgeführt. Auch der „Kirwabär“ wird dieser Zeit zugeschrieben. „Bär“ kommt von Eber oder „Saubärn“. Rituale bestimmen bis in die heutige Zeit das Fest, wenn die jungen Burschen in den Kreis der Männer aufgenommen werden.

Sie holen unter Jubel und mit Musik den schönsten Baum ein, halten Wache, damit ihn die Burschen aus den Nachbarorten nicht stehlen oder ansägen können und stellen ihn mit Muskelkraft auf. Dabei beweisen sie, dass sie nun alt genug, mutig und stark für einen Platz unter den Männern sind. Auf die „Kirwaliesl“, den geschmückten Bierkrug, passen die Burschen besonders auf, denn wird sie gestohlen, muss der Krug unter Gespött teuer ausgelöst werden.

A gscheide Kirwa

Seit der Christianisierung wird das Fest am Namenstag des Kirchenpatrons gefeiert. Es ist der kulturelle Höhepunkt im Jahr und dauert mindestens drei Tage. „A gscheide Kirwa dauert bis zum Irta und ko se a schicka bis zum Micha und fahlts niad am Kocha, göihts die ganz Wocha“. Einst klagte der Pfarrer von Vilseck: „Jeder noch so kleine Ort hat seine ,Fresskirwa'. Dabei bieten sie alles auf, was sie sich leisten können“.

Auch heute gehören ein üppiger Schmaus, die viereckigen evangelischen oder die runden katholischen Köichln und der gelbe Koucha zur Kirwa. Weder Bischof noch König konnten mit der Allerweltskirchweih im Oktober den vielen „Kirwan“ in der Oberpfalz ein Ende setzen, denn ab da feierten sie eben zum Patrozinium und zur Allerweltskirchweih.

Zwiefache nicht einfach

Groß ist der Andrang der Zuschauer, wenn die Kirwapaare um den Baam tanzen und dabei Lieder und Schnoderhipfln mit gellenden „Gurzern“ hinaus schreien. Zu den Tänzen gehört auch der „Baierische“. Dieser alt überlieferte Volkstanz wurde immaterielles Kulturerbe der Unesco. Der erste Quellennachweis im weiß-blauen Raum findet sich im Stadtarchiv Amberg mit einer um 1730 datierten Musikhandschrift. Man kennt die einfachen Baierischen, die „Vazwicktn“ und den „Vadrahdn“. Selbst die besten Tänzer brauchen dafür musikalische Ohren und leichte Füße, wenn die Musikanten die Tanzbegeisterten mit den einzelnen Varianten „tratzen“. Ein besonders derber Zwiefacher “s’Orschloch vo Leinsiedl“ wurde sogar wegen Beleidigung gerichtsmassig.

Früher verkauften die Musikanten Tanzrunden. Der Zahler bestimmte, wer mittanzen darf und warf damit manchen Konkurrenten aus dem Rennen oder sperrte gar die Kirwaleit im eigenen Ort vom Tanzvergnügen aus. Wollte einer diese Schmach nicht hinnehmen und sich erdreisten mitzutanzen, kam es sofort zu wilden Raufereien. Heute werden die Rivalitäten schlagfertig mit Gesang ausgetragen. Zur allgemeinen Schadenfreude kommt dabei manch gut gehütetes Geheimnis heraus. Die Gäste verfolgen gespannt den traditionellen Wettstreit und ertragen mit Humor, wenn auch sie Opfer der Spottlieder werden. Am Abend sorgt meist Partymusik für ausgelassene Stimmung bei den jungen Leuten, aber auch gemütliche Unterhaltung bei traditioneller Blasmusik wird wieder mehr geboten.

Kirwa fördert Miteinander

Beliebt bei groß und klein ist der „Standlmo“ mit seinen Lebkuchenherzen, Zuckerzeug und Spielzeugkram. Oftmals sind auch Karussell oder Autoskooter für die Kinder aufgebaut. Am Montag früh wird zur „Noukirwa“ der „Kirwabär“ für Schnaps und Köichln von Haus zu Haus getrieben, bevor am Abend der „Baam“ verlost und die Kirwa unter lautem Gejammer ausklingt. Dabei liegt der Trinkfesteste im Waschtrog und jeder schüttet das letzte „Noigerl“ hinein mit der Gewissheit, nächstes Jahr wird wieder gefeiert. Kirwa fördert das Miteinander sowohl unter den Jugendlichen als auch zwischen den Generationen und festigt die Bindung an den Ort. Und sie ist für Weggezogene ganz bestimmt ein Grund unter vielen, wieder heimzukehren. Vielleicht sogar dauerhaft.

 
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