„Kafkas Reise durch die bucklige Welt“ heißt der druckfrische Roman, der den fiktiv gealterten Franz Kafka von seiner südtiroler Zufluchtsstätte über den Brenner zurück zu Schauplätzen seiner Romane und seines Lebens führt. Und auch der Schöpfer der fantastischen Geschichte begibt sich mit seinem neuen Werk auf Reisen: Am 14. April ist Bernhard Setzwein zu Gast bei den Weidener Literaturtagen, am 17. April liest er in Cham und am 25. April stellt er das Buch im Literaturhaus Oberpfalz in Sulzbach-Rosenberg vor.
Zu Kafka gefunden hat der in Waldmünchen und München beheimatete Schriftsteller bereits während der Schulzeit: „Ich hatte hervorragende Deutschlehrer, denen ich heute noch dankbar bin“, schreibt Setzwein auf Nachfrage von Oberpfalz-Medien. Ob ihm nun aber „Die Verwandlung“ oder doch „Das Urteil“ den Kafka-Kosmos eröffnete, weiß er nicht mehr so genau. Danach sei er jedenfalls so infiziert gewesen von dieser Art der Weltbetrachtung, aber auch von dieser grausam klaren Sprache ohne jeden Schnörkel, dass er in rascher Folge alles Weitere gelesen habe. „Der Brief an den Vater“ habe ihn ebenso nachhaltig beeindruckt wie eine Freilicht-Theateraufführung von „Ein Bericht an die Akademie“ im Alten Hof in München: "Ich sehe heute noch, 50 Jahre später, den Schauspieler im Affenkostüm vor mir.“
Begeistert von der Rätselhaftigkeit
Den Grund für seine Begeisterung vermutet Setzwein in Kafkas Rätselhaftigkeit: „Seine Texte sind ja wie buchlange Träume, ohne jegliche Erklärung, was sie eigentlich bedeuten sollen, das ist ja das Faszinierende, dass Träume nicht ihre eigene Erklärung mitliefern. Dann aber auch der Widerspruch seines, ich nenne es mal 'kleinen', unbedeutenden Lebens, in dem er so vieles zu keinem glücklichen, 'runden' Ende gebracht hat, und der ungeheuren Weltgeltung, die es nach seinem Tod erfahren hat. Das fasziniert mich ungemein, wie ein landläufiges Scheitern sich zu so einem vollständigen Triumph umkehren kann.“
Die diversen Besprechungen, TV-Serien etc., die Franz Kafka bereits Monate vor seinem 100.Todestag am 3. Juni eine umfangreiche mediale Aufmerksamkeit bescheren, verfolgt Setzwein „mit größtem Interesse“. Aber er auch schon zuvor war er in dieser Richtung orientiert. Die Begegnung mit und das Kennenlernen von Reiner Stach, dem großartigen Kafka-Biografen, sei eine helle Freude für ihn gewesen: „Am Anfang wusste ich, allgemein wir alle, wenig über Kafka. Erst nach und nach kamen ja die Dinge ans Licht, seine schwierigen Frauenbeziehungen, die wundervollen Briefe, die er ihnen schrieb, quälende Briefe aber auch.“ Sobald etwas Neues erscheint, sauge er es regelrecht in sich auf: „Nur so konnte ich dann auch relativ zügig meinen Roman schreiben.“
Weil er Reiner Stachs dreibändige Kafka-Biografie für unübertreffbar hält, wählte er bewusst einen anderen Zugang zum Romanstoff: „Einen bei dem die Phantasie und die Fiktion zu ihrem Recht kämen. Und gleichwohl auch viele Realien aus Kafkas Leben mit eingewoben wären“. Unter die vielen Erklärer und Deuter wollte er sich dabei aber ausdrücklich nicht mischen, lieber wollte er von Kafka erzählen wie von einer Romanfigur.
Würde Kafka heute wortlos staunen?
Die vielen im Roman verarbeiteten Anspielungen und Originalzitate waren Setzwein auch deshalb so präsent, weil er vieles von Kafka immer wieder gelesen habe: „Was auch ein immer wieder bestätigtes Faszinosum ist: Bei jeder Lektüre entdeckt man wieder etwas Neues. Ich wüsste kaum einen zweiten Schriftsteller, wo es mir ähnlich geht.“
Auf Kafkas fiktiven Reisebegleiter, den polnischen Schriftsteller Marek Hłasko stieß Setzwein durch Zufall: „Ein Bekannter hat mich, ohne es zu wissen, auf ihn aufmerksam gemacht. Vor drei Jahren wusste ich noch gar nichts von ihm. Als ich dann 'Der Nächste ins Paradies' las, dachte ich mir: Das liest sich in gewisser Weise wie ein unbekannter Text Franz Kafkas. Gut, zugegeben, ein etwas proletarischerer, noch härterer Kafka.“
Dass sich auch Ingeborg Bachmann und H.C. Artmann ein literarisches Stelldichein geben, liegt an Setzweins Verehrung der beiden. Sich vorzustellen und auszumalen, ein gealterter Kafka hätte sie tatsächlich noch kennenlernen können, übte einen ebenso großen Reiz auf ihn aus wie die damit verbundene Frage, welche Gespräche Kafka mit ihnen hätte führen können.
Welche Art Gespräch Kulturjournalist Stefan Voit mit Bernhard Setzwein im Rahmen der Buchvorstellung bei den Weidener Literaturtagen führt, wird sich konkret erst am Abend der Lesung herausstellen, „denn wir haben uns dazu nicht abgesprochen“, lässt der Moderator des Abends wissen: „Wir werden natürlich über das Buch reden, über den Dichter und Menschen Franz Kafka, aber auch über den Schriftsteller Bernhard Setzwein und seine Arbeit zum Buch.“
Letzteres kennt Voit natürlich bereits: „ Ich war von den ersten Seiten an gefesselt und habe es – fast – in einem Ruck ausgelesen. Was für eine grandiose Idee, dass Kafka alles überlebt: seine Krankheit, den Zweiten Weltkrieg und – tragischerweise – auch seine Familie, von der ein Großteil in Auschwitz ums Leben kam. Kafka ist Weltliteratur und sollte immer gelesen werden und nicht nur, weil ein Jahrestag ansteht.“
Im übrigen wünscht Voit sich, dass so ein Abend dazu beitragen kann, wieder einmal Kafka zu lesen, zu reflektieren und in sein Werk einzutauchen. Es gebe ja nicht nur schwere Stoffe wie "Die Verwandlung" oder "Der Process": "Wer sich ein bisschen auf das Werk von Kafka einlässt, wird noch viel Schönes entdecken können.“ Und genau wie Kafka müsse auch Setzweins Roman unbedingt gelesen werden.
Kafka selbst wäre wohl eher irritiert vom aktuellen Trubel um seine Person und sein Werk. "Die Vorstellung, dass jemand über ihn einen Roman schreibt, käme ihm wahrscheinlich sehr surreal und vor allem: übertrieben vor. Ich glaube, er hat sich absolut nicht für bedeutend gehalten und über seine weltweite Bekanntheit heute würde er wortlos staunen“, mutmaßt Bernhard Setzwein.
Zu Person, Buch und Lesungen
- Bernhard Setzwein, Schriftsteller, geboren 1960 in München, Studium der Germanistik, Autor von Lyrikbänden, Essays, Reisefeuilletons, Romanen, Theaterstücken und Radio-Features, ausgezeichnet u.a. dem Friedrich-Baur-Preis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Bernhard Setzwein lebt in Waldmünchen und München.
- Kafkas Reise durch die bucklige Welt, Roman, Hardcover, 304 Seiten, edition lichtung, 25 Euro
- Lesungstermine: Sonntag, 14. April, 19 Uhr, Weiden Regionalbibliothek, Mittwoch, 17. April, 19 Uhr, Cham Cordonhaus, Donnerstag, 25. April, 19 Uhr, Literaturhaus Oberpfalz Sulzbach-Rosenberg
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