Sulzbach-Rosenberg
26.05.2022 - 10:16 Uhr

Ein Schutzpatron der Kleinkunst in Sulzbach-Rosenberg nimmt seinen Hut

Der Betrieb in der Kulturwerkstatt Sulzbach-Rosenberg läuft endlich wieder wie gewohnt. Und doch ist etwas anders: Nach 21 Jahren als Leiter hat Fred Tischler seinen Schreibtisch geräumt. Es übernimmt Angela Thar.

Alfred Tischler und seine Nachfolgerin Angela Thar Bild: aks
Alfred Tischler und seine Nachfolgerin Angela Thar

Ein bisschen ambivalent ist sie schon, die Stimmung beim Abschieds- und Antrittsgespräch mit Oberpfalz-Medien. Der Nachhall der jüngeren Vergangenheit lässt Fred Tischler allerdings nicht zögern, wenn es um die Frage nach dem vorherrschenden Gemütszustand geht: Nach der schwierigen Pandemie-Zeit blicke er jetzt eher lachenden Auges in die Zukunft.

In den letzten beiden Jahre habe das alles wenig zu tun gehabt mit seinem normalen Beruf: „Ich hatte nur negative Kontakte mit verzweifelten Künstlerinnen und Künstlern und war fast ausschließlich mit Verwaltungstechnischem wie Hygienekonzepten befasst“, rekapituliert Tischler.

Dass die Freude auf Kommendes überwiegt, gründet wohl zudem im Wissen, die anfangs noch unter „Fremdenverkehrsamt“ firmierende "Kulturwerkstatt" zu einer weit über die Region hinaus renommierten Institution aufgebaut zu haben. Der neue Name stammte wie das gesamte Konzept natürlich von ihm.

Kulturzelt am Dultplatz

Einer seiner persönlichen Höhepunkte datiert aber noch weit davor. Als städtischer Beamter, der er ja auch war, hob er im Jahr 1987 das Kulturzelt am Dultplatz aus der Taufe – drei Wochen lang jeden Tag Programm, unter anderem mit Hans Söllner, der so nervös war, dass Tischler ihn regelrecht auf die Bühne zwingen musste. Oder mit Georg Ringsgwandl, der erst solche Menschenmassen mobilisierte, dass die Organisation fast die Segel strich, und anschließend in der Disco „Eden“ einen schrillen Auftritt hinlegte. Ein frühmorgendlicher Polizeieinsatz, ausgelöst durch einen vergessenen Hotelschlüssel und den versuchten Einstieg übers Fenster, krönte den denkwürdigen Abend.

Fred Tischler zaubert noch viele weitere Erinnerungen aus dem Ärmel und bilanziert dann trocken: „Ich habe so viele Geschichten erlebt, ganze Bücher könnte ich schreiben. Aber die will ja niemand lesen“. Vielleicht doch, zumal weniger schöne Erlebnisse die Ausnahme geblieben sind. Das lag sicher auch an Tischlers zugewandter, verbindlicher und vor allem toleranter Art. Mehr als „gestresst“ oder „verhaltensoriginell“ kommt ihm zu unangenehmeren Künstlerinnen und Künstlern nicht über die Lippen.

Insoweit verwundert es wenig, dass er alles wieder so machen würde, nichts bereut und einmal mehr betont, wie gerne er gearbeitet hat. Letzteres auch deshalb, weil er immer das Vertrauen der Stadt genoss und seiner Kreativität nie Steine in den Weg gelegt wurden. Und obwohl Tischler keiner ist, der gerne im Vordergrund steht, sein Name wird untrennbar verbunden bleiben mit Kultur-Reihen wie „Kirche & Wirtshaus mit Pfiff“ oder der Kleinkunstbühne Historische Druckerei Seidel, seinem lange ersehnten und schließlich mit grandiosem Erfolg erfüllten Wunschprojekt.

"Eistauchen" als Steigerung des sprichwörtlichen "Sprungs ins kalte Wasser"

Kein leichtes Erbe also für seine Nachfolgerin. Die Fußstapfen, in die sie trete, seien nicht groß, sondern geradezu riesig, bekennt Angela Thar. Gemeinsam mit dem gesamten Team der Kulturwerkstatt dieses Erbe würdig weiterzuführen, ist ihr eine Herzensangelegenheit. Eine ordentliche Portion Respekt, aber auch große Vorfreude begleiten sie dabei.

Gefragt nach den, aufs erste Schnuppern gefolgten Tagen alleine als Leiterin, spricht sie von „Eistauchen“ – ihre Steigerung zum „Sprung ins kalte Wasser“. Das Wohlwollen, das ihr entgegenschlägt, der Spaß an der Arbeit und die gute Abstimmung im Team haben sie aber selbstredend an der Oberfläche gehalten. Ihr erstes Augenmerk gilt nun der Fortführung und dem Ausbau der Kooperation mit sämtlichen Kulturschaffenden der Stadt, um sich abzustimmen und das Profil zu schärfen.

Thars neuen Ideen bewegen sich in Richtung Straßenkünstler-Festival, Open Air im Park und Programm für die neue Bühne am Schanzl. Zur Sicherheit und fürs gute Gefühl bei allem, was kommt, hat sie Fred Tischlers Telefonnummer parat. Er wird sich auch nicht lange zieren, wenn Hilfe gefragt ist, so das Versprechen.

Davon abgesehen wünscht Angela Thar ihrem Vorgänger aber, dass er die verdiente Ruhe genießen kann und mit Freude auf seine insgesamt 37 Jahre im Dienste der Herzogstädter Kultur zurückblickt. Und dass er Wertschätzung erfährt für seine Leistung, zahllose Veranstaltungen und Veranstaltungsreihen nicht nur ins Leben gerufen, sondern vielmehr langfristig und überregional etabliert zu haben.

Hintergrund:

Zur Person und Programm

  • Fred Tischler hat zum 20. Mai die Kulturwerkstatt verlassen, offizielles Ende seiner Dienstzeit ist 1.Juli. Beim Konzert mit "Gankino Circus" am 3. Juni sagt er Freunden und Gästen in der Historischen Druckerei Seidel Lebewohl.
  • Angela Thar, geboren 1978 in Usingen (Hessen), hat u.a. Ausbildungen zur Werbekauffrau und zur Buchhändlerin abgeschlossen, Soziologie, Politikwissenschaft und Romanistik studiert, war von 2007 bis 2013 in Bruneck/Pustertal zuhause, seit 2013 lebt sie mit vier Kindern, Hund und zwei Katzen in Sulzbach-Rosenberg.
  • Programm der Kulturwerkstatt Sulzbach-Rosenberg:
    3.6., 20 Uhr, Historische Druckerei Seidel: Gankino Circus "Bei den Finnen"
    8. bis 17. Juli Knorr-von-Rosenroth-Festspiele, Schlosshof Sulzbach-Rosenberg mit Molières "Der eingebildete Kranke" (8. und 9. Juli sowie 16. und 17. Juli), Tyrol Music Project (10. Juli), Monika Dasch Trio (12. Juli), Leonhardsberger & Schmid (13. Juli), Gismo Graf Trio (15. Juli)
 
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