Sulzbach-Rosenberg
06.03.2019 - 13:15 Uhr

Seenotrettung im Mittelmeer hautnah erlebt

Immer weniger Flüchtlinge und Asylbewerber erreichen die Bundesrepublik: Sind die Fluchtursachen und das Leid von Millionen Menschen damit überwunden? Wohl kaum, wie ein Abend im Capitol zeigt.

Fotograf, Journalist und Kandidat der Grünen zur Europawahl: Erik Marquardt bei seinem Vortrag im Capitol. Bild: Michael Prechtl
Fotograf, Journalist und Kandidat der Grünen zur Europawahl: Erik Marquardt bei seinem Vortrag im Capitol.

Bilder von geretteten Flüchtlingen im Mittelmeer, die unter die Haut gingen, und aus dem angeblich sicheren Afghanistan, wie manche Politiker meinen, hat der Europa-Kandidat der Grünen, Journalist und Fotograf Erik Marquardt aufgenommen. Auf Einladung des Vereins für Politik und Kunst ("Punk"), des Oberpfälzer Bündnisses für Toleranz und Menschenrechte und der Verdi-Jugend Oberpfalz, schilderte der Referent seine Eindrücke, die er auf Rettungsmissionen im Mittelmeer mit Sea Watch und Sea Eye sowie auf einer Reise an den Hindukusch gesammelt hat.

Lebensretter droht Haft

Skandalös sei, dass die EU-Außenpolitik die Situationen, die zum Ertrinken von Flüchtlingen im Mittelmeer führen, zum Teil selbst erzeuge, indem ein hartes Abschottungskonzept gefahren werde, kritisierte der wissenschaftliche Leiter des Literaturarchivs, Michael Hehl, bei der Einführung. Skandalös sei aber auch, dass Menschen, die andere vor dem Ertrinken bewahrten, dafür juristisch belangt würden. Ein Beispiel sei Dariush Beigui aus Hamburg, der im Mittelmeer an der Rettung von 14 000 Menschen beteiligt gewesen sei. Jetzt drohten ihm vor einem italienischen Gericht bis zu 20 Jahre Haft. Das sei nicht hinnehmbar.

Die negative Stimmung gegen Flüchtlinge sei politisch erzeugt worden, konstatierte Erik Marquardt. Obwohl ihre Zahl seit dem Höchststand vor zwei bis drei Jahren stetig sinke, sei die damals vorherrschende positive Stimmung in der Bevölkerung gekippt. Behauptungen, dass es sich hauptsächlich um Wirtschaftsflüchtlinge handle, die in Deutschland Sozialleistungen kassieren wollten, hätten Wirkung gezeigt. Von den rund 68 Millionen Menschen, die sich weltweit auf der Flucht befänden, wollten 40 Millionen gar nicht nach Europa kommen, sondern blieben in benachbarten Regionen.

Obwohl inzwischen bekannt sei, dass in libyschen Flüchtlingslagern die Menschenrechte mit Füßen getreten werden, brächten italienische Schiffe Geflüchtete in das nordafrikanische Land zurück, um sie dort ihrem Schicksal zu überlassen. "Hinter der vielbeschworenen Bekämpfung der Fluchtursachen verbirgt sich mehr der Versuch, Schutzsuchende an der Flucht zu hindern", hielt Marquardt dagegen.

Vor Anschlägen nicht sicher

Ähnlich verhalte es sich in Afghanistan. Zwar herrschten in manchen Gebieten kaum kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und Taliban. Doch dabei handle es sich weitgehend um Regionen, in denen die Überlebenchancen angesichts fehlender Arbeitsmöglichkeiten gering seien, schilderte der Referent. In den Bereichen, in denen die Regierung die Macht ausübe, gäbe es zwar mehr Freiheiten als früher, doch auch dort ist die Bevölkerung vor Anschlägen der Taliban nicht sicher.

Die Menschenrechts- und Sicherheitslage, die sich in jüngster Zeit verschärft habe, werde von der Bundesregierung völlig außer Acht gelassen. Sie lasse wieder verstärkt Flüchtlinge nach Afghanistan zurückbringen. Marquardt sprach von einer Doppelmoral und forderte den sofortigen Stopp der Abschiebungen in Gebiete wie dieses vom Bürgerkrieg zerrissene Land.

Hintergrund:

Verein Sea-Eye

Mehr als 1200 ehrenamtliche Helfer fuhren mit zwei Rettungschiffen des Vereins Sea-Eye auf mehr als 60 Missionen und retteten über 14 000 Schiffbrüchigen das Leben. Wer mehr über diese Aktivitäten wissen möchte, kann sich an das Büro von Sea-Eye, Wiener Straße 14, 93 055 Regensburg, per E-Mail an info[at]sea-eye[dot]org oder auf der Homepage www.sea-eye.org informieren. Spenden an Sea-Eye sind möglich auf das Konto Iban DE60 7509 0000 0000 0798 98.

 
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