Sulzbach-Rosenberg
15.07.2022 - 16:44 Uhr

Der vergessene Lyriker – Sonderausstellung zum Höllerer-Jubiläum

Was hätte sich Walter Höllerer wohl zum 100. Geburtstag gewünscht? Im Literaturhaus Oberpfalz tippt man auf eine Ausstellung, die sich dem weltoffenen Lyriker Höllerer widmet. Eröffnung im Rahmen des Literatur-Sommerfestes am 16. Juli.

Als Gründervater des Literaturarchivs Sulzbach-Rosenberg (Literaturhaus Oberpfalz) und Namenspate der örtlichen Realschule ist Walter Höllerer bis heute ein Begriff in der Region. Literatur-Interessierte verbinden den Namen darüber hinaus mit der legendären "Gruppe 47", der Zeitschrift "Akzente" oder dem "Literarischen Colloquium Berlin". Der Lyriker dagegen steht bis heute im Schatten des international geschätzten Literaturvermittlers aus Sulzbach-Rosenberg.

Dabei hat die Lyrik einen hohen Stellenwert im Gesamtwerk Walter Höllerers, befindet der wissenschaftliche Leiter des Literaturarchivs, Michael Peter Hehl. Immerhin habe der Jubilar schon als Kind angefangen, Gedichte zu schreiben und sich immer als Lyriker verstanden. Dass die öffentliche Wahrnehmung mehr den Kritiker und Wissenschaftler im Fokus hatte, gehörte zu den Diskrepanzen seines Lebens.

Dabei war die Lyrik nicht nur sein roter Faden, Höllerer hat sich in diesem Genre auch erkennbar immer weiterentwickelt, ergänzt Patricia Preuß, die Programmleiterin des Hauses. Die nun aus den Beständen des im Archiv verwahrten Nachlasses bestückte Sonderausstellung macht das auch optisch deutlich.

Lyrisches Schaffen erzählt Biografie

Überhaupt ging es den Kuratoren weniger darum, eine Biografie nachzuerzählen. Vielmehr erzählt sein lyrisches Schaffen das Biografische, immer eng verknüpft mit Höllerers Stationen etwa in Paris, Rom, Prag oder Amerika. "Ost-West, Nord-Süd und im Mittelpunkt immer Sulzbach-Rosenberg", fasst Hehl zusammen.

Was Höllerers Gedichte im Besonderen auszeichnet, sei die Fähigkeit, Worte für das zu finden, was einem im Leben als "Ungelegenheiten" begegnet. Lyrik musste für ihn so sein, wie man eben nicht spricht, sagt Hehl. Akribisch war der Dichter auch, nicht selten existieren mehrere Fassungen zu einem Werk. Zum Poem, das auch der Ausstellung ihren Titel gab, fanden sich sage und schreibe 25 Versionen. Gleichsam 25 Schichten, die dem verarbeiteten Schrecken einer Exekution in Griechenland Schritt für Schritt zur gewünschten Distanz verhalfen.

Mit der Nase im Wind

Zu entdecken sind darüber hinaus zahlreiche Fotos, Original-Manuskripte und die mittlerweile kostbaren, weil nicht mehr neu aufgelegten Lyrikbände, die Höllerer bei großen Verlagen wie etwa Suhrkamp veröffentlicht hat. Womit wiederum ein Wunsch der Ausstellungsmacher ins Spiel kommt: Vielleicht regen das Gezeigte und überhaupt das Jubiläums-Jahr ja doch noch einen Verlag dazu an, die Höllerer'sche Lyrik dem ja leider bereits zu seinen Lebzeiten einsetzenden Vergessen zu entreißen und dem modernen Literaturbetrieb neu zugänglich zu machen. Es müsste ja nicht zum 100. Geburtstag sein, der 101. wäre genauso gut.

Nachdem nun aber immerhin der Name bis heute so präsent ist und demnächst auch die Lyrik dank der Sonderausstellung in neuem Licht glänzt, stellt sich doch die Frage nach der Person Walter Höllerer. Patricia Preuß hat ihn noch kennengelernt und bei aller Intellektualität als sehr geerdet und nahbar empfunden. Sein "Ich geh und halte meine Nase in den Wind" findet sie gut zur Charakterisierung.

Katharina Erlenwein, im Literaturhaus zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit, hebt seine unglaubliche Neugier auf andere Menschen und sein enormes Interesse an der Welt hervor. Und Michael Peter Hehl beschreibt den Jubilar als "ganz und gar mit beiden Beinen in der Gegenwart, immer mit Offenheit für Neues, für das es noch keine Sprache gibt". Der schöne Satz "Provinz ist eine Möglichkeit" stammt übrigens auch vom großen Sohn der Herzogstadt.

Hintergrund:

Zu Person, Ausstellung und Sommerfest

  • Walter Höllerer: geboren am 19. Dezember 1922 in Sulzbach-Rosenberg, gestorben am 20. Mai 2003 in Berlin, deutscher Schriftsteller, Literaturkritiker, Literaturwissenschaftler, Mitglied der "Gruppe 47", Gründer der Zeitschrift "Akzente", des Literarischen Colloquiums Berlin und des Literaturarchivs Sulzbach-Rosenberg (Literaturhaus Oberpfalz)
  • Sonderausstellung: "Ich sah ich hörte. Walter Höllerers Lyrik und ihre Orte. Eine Ausstellung zum 100. Geburtstag", Eröffnung am Samstag, 16. Juli um 18 Uhr, zu sehen bis Ende des Jahres, immer Dienstag bis Freitag von 9 bis 16 Uhr, Sonntag 14 bis 17 Uhr, Führungen auf Anfrage telefonisch unter 09661/8159590 oder per Mail info[at]literaturarchiv[dot]de
  • Literatur-Sommerfest: Samstag, 16. Juli, ab 16 Uhr, im Literaturhaus Oberpfalz – mit Lesungen von den Nadja Küchenmeister und Marcel Beyer, sowie mit Uwe Timm, Reservierung und Vorverkauf telefonisch unter 09661/8159590 oder per Mail info[at]literaturarchiv[dot]de
 
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