Außer dem Angeklagten war bei dem Vorfall kein Erwachsener dabei. Doch das Gericht glaubte den beiden Kindern und Zeugen, denen sie sich anvertraut hatten. Wegen Körperverletzung gab es nun eine Freiheitsstrafe mit Bewährung.
Der 26-Jährige aus dem Landkreis Tirschenreuth leugnete auch am vierten Verhandlungstag jede absichtliche Gewaltanwendung im Juni 2018. Vielmehr habe er seine beiden Stiefkinder, die im zweiten Stock vor dem geöffneten Fenster saßen, vor einem Sturz bewahren wollen und vielleicht etwas grob zurückgezogen. Fakt ist, dass die Achtjährige eine blutende Lippe und eine Gehirnerschütterung erlitt. Zwei Tage im Klinikum Weiden waren die Folge. Ihr ein Jahr jüngerer Bruder hatte blaue Flecken an Rücken und Gesicht.
Eine Aussage vor Gericht blieb den Kindern nicht erspart. Ein Rechtsgespräch mit der Aussicht auf eine empfindliche Geldstrafe, aber ohne Freiheitsstrafe, war ergebnislos verlaufen: Es gebe nichts zu gestehen, beharrte der Stiefvater. Die beiden Kinder gaben unter Ausschluss der Öffentlichkeit und des Angeklagten am ersten Verhandlungstag an, dass sie mit Gewalt weggezogen wurden, als sie Papier aus dem Fenster warfen. Das Mädchen blutete nach dem Sturz. Der Junge sagte, der Stiefpapa habe ihn zu Boden und gegen den Schrank gedrückt.
Einzige Zeugin am letzten Verhandlungstag war die Chefärztin des Sozialpädiatrischen Zentrums am Klinikum Weiden. Die Mutter der Kinder hatte sie von der Schweigepflicht entbunden. Die Medizinerin attestierte dem Siebenjährigen zwar eine hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens, aber keine psychische Erkrankung oder Intelligenzminderung, die sich auf die Glaubwürdigkeit seiner Aussagen auswirke.
Eine damalige Freundin der Mutter und eine weitere Zeugin bestätigten vor Gericht die Verletzungen. Von Striemen und blauen Flecken bereits früher berichtete eine Familienhelferin. Die Mutter, die inzwischen von dem Angeklagten getrennt lebt, nutzte ihr Zeugnisverweigerungsrecht. Seine neue Freundin sprang dem Mann bei, indem sie eine Beobachtung vor dem Verhandlungsraum schilderte: Die Achtjährige habe ihre Aussage gegen den Stiefvater unmittelbar danach korrigieren wollen und sich auf den Boden geworfen.
Diese Darstellung fand vor Gericht keinen Glauben: "Absolut fernliegend" sei so ein Verhalten für ein Kind dieses Alters, sagte Staatsanwalt Peter Frischholz. Er sah die Anklage als bewiesen an, warf dem 26-Jährigen rohes und gefühlloses Verhalten vor. Er habe das Vertrauensverhältnis zu den Kindern, die "Papa" zu ihm sagten, missbraucht. Der Staatsanwalt forderte ein Jahr Freiheitsstrafe mit Bewährung, dazu 1500 Euro Geldauflage.
Verteidigerin Ilka Lang-Seifert forderte Freispruch. Ihr Mandant habe die Kinder am Fenster nur sehr schnell gepackt: "Mag sein, zu heftig, aber nicht, um sie zu verletzen." Die Zeugenaussagen stellte die Anwältin als nicht beweiskräftig dar, die Verletzungen der Kinder seien eher als Unfallfolgen zu werten.
Richter Thomas Weiß urteilte anders: "Der Angeklagte ging massiv gegen die Kinder vor, weil er über ihr Verhalten verärgert war." Die Beweisaufnahme habe ein eindeutiges Gesamtbild ergeben. Für den 26-Jährigen spreche, dass er nicht vorbestraft sei und einer geregelten Arbeit nachgehe. Zwar liege ein Urteil vom Amtsgericht Wunsiedel vor, doch das sei noch nicht rechtskräftig. Erst kurz vor dem Verfahren in Tirschenreuth war der Mann wegen Körperverletzung an seinem Stiefsohn zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden.
Weiß sprach den Angeklagten der vorsätzlichen Körperverletzung in zwei Fällen schuldig und verhängte neun Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt drei Jahre zur Bewährung. Die 1500 Euro Geldauflage kann der Mann, der in prekären finanziellen Verhältnissen lebt, in Raten abstottern.













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