Tirschenreuth
05.10.2022 - 15:33 Uhr

Grünen-Politiker und Verbandsvertreter wollen Bahnstrecke zwischen Wiesau und Tirschenreuth reaktivieren

Noch ist es nur eine Idee: Landtagsabgeordnete Anna Schwamberger bringt die Reaktivierung der Bahnstrecke Wiesau-Tirschenreuth wieder ins Spiel. Es ist nicht die einzige Strecke, welche die Infrastruktur im Landkreis bereichern könnte.

"Es ist bemerkenswert, dass Tirschenreuth als Kreisstadt keinen Bahnanschluss hat", sagte Wolfgang Kraus vom Fahrgastverband Pro Bahn. Er war am Dienstag eingeladen zum Pressetermin, den die Grünen-Landtagsabgeordnete Anna Schwamberger initiiert hatte. Im Fokus stand die Reaktivierung der ehemaligen Bahnstrecke zwischen Wiesau und Tirschenreuth. Dabei hatte die Termineinladung zunächst etwas anderes versprochen.

Denn darin fand die Ziegler-Group Erwähnung. Es hieß: "Die Fa. Ziegler Global möchte durch Eigenmittel die Bahntrasse von Wiesau nach Liebenstein wieder aktivieren und den örtlichen Straßenverkehr durch das hohe Aufkommen der Holz-Lkws entlasten." Dass die Ziegler-Group für die Reaktivierung der Bahn Eigenmittel zur Verfügung stellt, wurde durch die Landtagsabgeordnete inzwischen widerrufen. Beim offiziellen Termin waren weder Vertreter der Ziegler-Group noch des Landratsamts Tirschenreuth anwesend, das sich laut Schwamberger entschuldigt hätte.

Politische Impulse

Stattdessen waren vor allem politische Vertreter der Partei Bündnis 90/Die Grünen vor Ort. Mit dabei waren auch Wolfgang Kraus von der Pro-Bahn-Regionalgruppe Oberpfälzer und Bayerischer Wald und Christian Loos, Beisitzer im Landesvorstand des Umweltverbandes Verkehrsclub Deutschland (VCD). Verstärkung bekam Schwamberger von ihrem Landtagskollegen Markus Büchler, der auch Fraktionssprecher für Mobilität ist. Bei dem Termin am Wanderparkplatz zum Vizinalbahnradweg in Tirschenreuth gab Schwamberger zu: "Die Idee ist nicht neu, die Bahnstrecke zu reaktivieren." Konkretes gäbe es noch nicht, das Ziel sei es, politische Impulse zu setzen und die Sache im Landtag voranzubringen. Der Vorbericht von Oberpfalz-Medien zu dem Termin sei laut der Landtagsabgeordneten auf reges Interesse gestoßen. "Die Rückmeldungen waren positiv. Ich glaube, viele Menschen wären froh, eine Alternative zum Auto zu haben."

Der Grünen-Ortsverband in Tirschenreuth brachte schon 2020 den Gedanken zur Reaktivierung der Bahnstrecke Wiesau-Tirschenreuth ins Spiel und überlegte, wie der Radweg zu den Bahngleisen alternativ verlaufen könnte. Auch 2021, als bekannt wurde, dass die Ziegler-Group seine Fertighaus-Produktion in Tirschenreuth bauen möchte, bekräftigten die Grünen ihren Vorschlag zur Reaktivierung der Bahnstrecke, damit der Güterverkehr von der Straße auf die Schiene gebracht werden könnte.

Studie sieht Bedarf

Tirschenreuths Stadtrat Franz Heinrich (Bündnis 90/Die Grünen) bekräftigte bei dem Pressetermin erneut: "Es wäre doch sinnvoll, die alte Bahnstrecke zu reaktivieren." Der Synergieeffekt wäre, die Standorte der Ziegler-Group in Wiesau, Tirschenreuth und Liebenstein zu verbinden, um so zunehmenden Verkehr auf den Straßen zu entzerren. Doch nicht nur Politiker erachten die Reaktivierung der alten Bahnstrecke als sinnvoll. Auch der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) veröffentlichte kürzlich die dritte Auflage seiner Studie zur Reaktivierung von Eisenbahnstrecken.

Diese Untersuchung macht den politischen Vertretern vor Ort Mut, das Vorhaben von einer Idee in die Realität umzusetzen. In der Studie wird aufgezeigt, wo der Bedarf für eine Reaktivierung vorhanden ist. Aus dem Landkreis werden die Strecken Wiesau-Tirschenreuth und die Linie Wiesau-Mitterteich-Waldsassen-Cheb vorgeschlagen. Begründet wird das damit, dass Tirschenreuth als Kreisstadt an den Schienenverkehr angeschlossen und so aufwandsarm Verbindungen in Richtung Hof-Regensburg oder in die noch fehlende grenzüberschreitende Verbindung nach Cheb geschaffen werden könnten.

Die Politiker und Verbandssprecher sehen Vorteile für Unternehmen, Tourismus, Einwohner und Klimaschutz. "8700 Einwohner könnten von einem Bahnanschluss in Tirschenreuth profitieren", so Wolfgang Kraus. Darüber hinaus sieht er Pluspunkte für Tourismus-, Schüler- oder Freizeitverkehr. Bei dem Termin stand zwar vor allem die elf Kilometer Strecke zwischen Wiesau und Tirschenreuth im Fokus, doch Schwamberger hat darüber hinaus den Lückenschluss nach Bärnau oder sogar nach Tachov in Tschechien im Blick, der ebenfalls Vorteile für Grenz-, Güter- und Personennahverkehr hätte.

Landtagswahl als Chance

Christian Loos vom VCD war der Ansicht, dass Bayern von seinen Nachbarn lernen könnte. "Tschechien ist stark vernetzt und hat die Schiene ausgebaut. Baden-Württemberg hat ein großes Programm zur Reaktivierung aufgelegt." Die Schiene sei effizienter und in Hinblick auf die Elektrifizierung CO2-neutral. Landtagsabgeordneter Bücherl machte deutlich: "Die Abhängigkeit vom Auto grenzt Menschen aus der Mobilität aus." Damit meinte er Menschen ohne Führerschein, Menschen mit Handicap, Jugendliche oder auch ältere Menschen. Auch der Umstieg auf E-Autos würde den sozialen Aspekt der Frage nicht lösen.

Büchler betonte: "Realisierungszeiträume sind lang im Bahnbau, deshalb müssen wir jetzt anfangen." Schwamberger erklärte die nächsten Schritte: "Wir wollen einen Berichtsantrag stellen, um zu sehen, wie die Staatsregierung das einschätzt." Auf diese Weise soll eine Machbarkeitsstudie angeregt werden. Aufgrund von höheren Fördermöglichkeiten für den Schienenausbau über den Bund und wegen der anstehenden Landtagswahlen im Jahr 2023 glauben die Politiker, dass durchaus die Chance für die Rückkehr der Bahnstrecke besteht.

Doch was ist mit dem Naturschutzgebiet, durch das die Bahnstrecke verlaufen soll, und mit dem beliebten Radweg zur Himmelsleiter? Im Vordergrund stehen für die Vertreter von Verbänden und Politik die Effizienz und die CO2-Ersparnis durch die Reaktivierung der Bahnstrecke. "Auch für den Radweg braucht es eine gute Lösung", sagte Schwamberger. Mobilität sei für sie eine politische Aufgabe, ein funktionierender ÖPNV ein Grundrecht. Bei einer Reaktivierung sei die Streckenführung gesetzlich nicht mehr direkt an die alten Bahngleise gebunden: "Es muss nicht auf der alten Strecke gebaut werden." Es reiche aus, wenn die neuen Gleise in der Nähe der alten Bahnstruktur laufen würden.

Der Vizinalbahnradweg und die Ziegler-Standorte

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Tirschenreuth11.05.2021

Die Studie des VDV zur Reaktivierung von Bahnstrecken in Deutschland

Hintergrund:

Von Bahnstrecke zum Radweg

  • Ehemalige Bahnstrecke Wiesau-Bärnau: verbindet die Kreisstadt Tirschenreuth, den Mittelpunkt des Stiftlandes und das obere Waldnaabtal in der nördlichen Oberpfalz
  • Eröffnung der Bahnstrecke Wiesau-Tirschenreuth: am 10. November 1872, war ca. 11 Kilometer lang, die Strecke Tirschenreuth/Bärnau kam am 8. Juli 1903 hinzu mit einer Strecke von 13,1 Kilometern
  • Stilllegung: aus wirtschaftlichen Gründen wurde zwischen Tirschenreuth und Bärnau der Personenverkehr am 28 September 1975 eingestellt, zwischen Wiesau und Tirschenreuth erfolgte die Stilllegung am 22. September 1989
  • Spatenstich Radweg: im Jahr 2006 für den ersten Teilabschnitt Wiesau-Tirschenreuth-Liebenstein
  • Vizenalbahnradweg: Verläuft direkt über der alten Bahnstrecke, Radweg führt an der Himmelsleiter vorbei und durch das Naturschutzgebiet Waldnaabaue (Quelle: www.wiesau.de)
 
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