Tirschenreuth
08.09.2019 - 15:09 Uhr

Ein Jahr Knast wegen eines nächtlichen Aussetzers

Wegen Beleidigung, versuchter Körperverletzung und Trunkenheit im Verkehr muss sich ein 23-Jähriger vor dem Amtsgericht Tirschenreuth verantworten. An die Nacht kann sich der junge Mann nicht erinnern.

Symbolbild. Bild: dpa
Symbolbild.

Die Tat geschah zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt in den Nachtstunden des 20. November 2018 und zog sich in die frühen Morgenstunden des Folgetages. Der Angeklagte, ein gebürtiger Iraker, betrank sich in seiner Wohnung in einer Unterkunft mit mehreren Kumpels und anderen Bewohnern. Eine Flasche Wein und eine halbe Flasche Whiskey soll er intus gehabt haben. Dann klaute der Landkreisbewohner den Autoschlüssel seiner Vermieterin aus deren Küche, stieg betrunken in den Opel und rauschte davon - obwohl er nie einen Führerschein besessen hat. Gegen 4.30 Uhr war er auf der B22, kam von der Straße ab und fuhr das Auto im Bankett fest.

Helfer angegriffen

"Das Auto ist eine Weile vor mir gefahren. Schlangelinien - mal mit 40, mal mit 80 km/h. Teilweise fuhr der Typ auf der Gegenfahrbahn", berichtet ein 54-jähriger Sicherheitsdienstmitarbeiter, der damals gerade von der Arbeit nach Hause fuhr. Als das Auto in der Böschung landete, wollte der Mann helfen. "Ich dachte, der hat was mit dem Kreislauf oder mit dem Herz. Aber er ging gleich auf mich los und schrie mich an." Der Angeklagte hätte ihn wüst beschimpft, versucht zu treten und zu schlagen. "Er wollte ständig auf die Straße rennen", sagt der Mann vom Sicherheitsdienst. Ein weiterer Passant rief die Polizei. Der 54-Jährige beaufsichtigte den Betrunkenen 45 Minuten lang. Etwa 10 Minuten bevor die Polizei kam, setzte sich der 23-Jährige wieder ans Steuer, gab im Leerlauf Vollgas, würgte den Rückwärtsgang rein, bis das Auto einen Satz machte. Dabei überfuhr der Angeklagte den Helfer beinahe.

"Die Polizei hat mitten in der Nacht bei mir zu Hause angerufen und wollte wissen, wo ich bin", sagt die 78-jährige Vermieterin. Erst da erfuhr die Hausfrau, dass der gebürtige Iraker mit ihrem Auto unterwegs war. "Ich hab' nichts gemerkt, ich hab' geschlafen", berichtet die Zeugin. "Wahrscheinlich hatte er mal wieder zu viel getrunken, dann ist er unberechenbar", erklärt sie. Angeblich habe er sich auch in anderen Unterkünften schon "aufgeführt". Als die Vermieterin am nächsten Morgen mit ihrem Enkel auf der Autobahn Richtung Regensburg unterwegs war, entdeckte sie ihren kaputt gefahrenen Opel am Standstreifen in der Nähe von Wernberg-Köblitz und verständigte die Polizei.

Die Streife der PI Weiden traf kurz vor 7 Uhr beim Auto ein. "Das Auto hatte die Warnblinkanlage an, die Unfallstelle war aber nicht abgesichert", erinnert sich die Polizistin. Der 23-Jährige lag im rundum beschädigten Opel (Totalschaden) unverletzt quer über die Vordersitze. "Es hat gedauert, bis er wach war", sagt die Beamtin. "Er war unorientiert und verwirrt. Ich glaube, er hat uns gar nicht als Polizei erkannt."

"Verlorene Jahre"

Um 8 Uhr hatte der Angeklagte noch 1,76 Promille im Blut. "Wenn man das zurückrechnet, hatten Sie um 4 Uhr zu Fahrtbeginn vermutlich um die 2,8 Promille", erklärt Amtsgerichtsdirektor Thomas Weiß. Seit vier Jahren lebt der Asylbewerber in Deutschland, eine Arbeit fand der Handwerker hierzulande nicht. Was er die ganze Zeit gemacht hat? "Fußball gespielt." Seine wenigen Worte Deutsch lernte er in den sieben Monaten Gefängnis, die er bis Juli 2018 wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln verbüßte. Weitere drei Einträge wegen Betrugs und Drogendelikten finden sich im Strafregister des gebürtigen Irakers. "Warum spielt man lieber Fußball, betrinkt sich, langweilt sich, als dass man arbeitet?", fragt Weiß. Verteidiger Franz Schlama antwortet: "Zu mir sagte er: ,Es waren verlorene Jahre.'"

"Sein Verhalten war extrem rücksichtslos", sagt die Staatsanwältin. Dass nicht mehr passiert sei, sei ein Wunder. Dass er auf einen Helfer losging, "so eine Reaktion geht gar nicht!" Weil der 23-Jährige ständig auffalle, durchaus trinkgewöhnt und nach seiner letzten Verurteilung sehr schnell rückfällig geworden sei, fordert die Staatsanwältin eine Freiheitsstrafe von 14 Monaten.

"Eine sinnlose Aktion", beschreibt Rechtsanwalt Schlama; aber ein bösartiges Verhalten könne man seinem Mandanten nicht unterstellen. Weil der junge Mann zudem versuche, sein Leben auf die Reihe zu bekommen, hält Schlama eine Freiheitsstrafe von acht Monaten für angemessen, die auch zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Richter Tomas Weiß verurteilt den Landkreisbewohner zu einem Jahr Haft wegen vorsätzlichen Vollrausches. Bei 2,8 Promille könne man eine Schuldunfähigkeit nicht ausschließen.

 
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