Tirschenreuth
20.03.2019 - 17:23 Uhr

Eine Prügelei, viele Versionen

Schon am ersten Verhandlungstag wegen einer gefährlichen Körperverletzung vor dem Amtsgericht Tirschenreuth hatten die Zeugen unterschiedliche Versionen parat. Das änderte sich auch am zweiten Verhandlungstag nicht.

Symbolbild. Bild: Oliver Berg/dpa
Symbolbild.

Vor Richter Thomas Weiß standen ein Lokalbetreiber (44) und sein Mitarbeiter (24). Sie sollen Anfang Februar 2018 vor einer Pizzeria und Shisha-Bar im Landkreis Tirschenreuth einen Gast verprügelt haben. In der Anklageschrift ist von Faustschlägen, einem Sturz über drei oder vier Treppenstufen und Fußtritten gegen Schulter, Kopf und Rippen die Rede. Dies hätten die beiden einem 25-jährigen Berufsschüler zugefügt.

Einige Zeugen hatten am ersten Verhandlungstag große Erinnerungslücken und ihre Aussagen deckten sich nicht mehr mit den damaligen Angaben bei der Polizei (wir berichteten). Diesmal legte die Frau des Pizzeria-Chefs ihre Sicht der Dinge dar: "Ich erzähle, was ich 100-prozentig gesehen habe. Ich bin mir sicher."

Automat umgestoßen

Der Geschädigte und ein weiterer Berufsschüler hätten damals im Lokal geraucht. Daher habe sie die beiden nach draußen geschickt. "Dann habe ich auf einmal gehört, wie im Gang der Kaugummiautomat umgestoßen wurde." Sie habe noch gesehen, wie die zwei dort das Geld einsammelten und zur benachbarten Spielothek weiterzogen. "Ich konnte später beobachten, dass dort geschlägert wurde", so die gelernte Krankenschwester.

Weder ihr Mann noch der Mitarbeiter hätten den Geschädigten geschlagen. Dieser sei aus ihrer Sicht unter Alkohol- und Drogeneinfluss gestanden. Daher sei er auch von der Treppe gestolpert. "Bei dem war an diesem Tag gar nichts normal. Zudem hat er verwaschen gesprochen."

Hinweis auf Kamera

Von einer Anzeige wegen des Kaugummiautomaten habe sie abgesehen, da sie bei solchen Sachen bisher nur schlechte Erfahrungen gemacht habe. "Das wurde immer alles eingestellt. Die Zeit kann ich mir sparen." Sie habe den Eindruck, "dass wir von der Polizei benachteiligt werden". Sie habe den Beamten in der Tatnacht gesagt, dass sie noch weitere Zeugen hätte. Zudem habe sie darauf hingewiesen, dass an der Spielhalle bestimmt eine Kamera sei, die möglicherweise die Schlägerei aufgezeichnet habe.

Richter Thomas Weiß hatte zu Beginn des zweiten Prozesstages darauf aufmerksam gemacht, dass der Lokal-Betreiber und dessen mitangeklagter Mitarbeiter verwandt sind. Der 24-Jährige habe am ersten Verhandlungstag nicht gesagt, dass die Familie des 44-Jährigen ihn adoptiert habe.

"So genau kann ich mich nicht mehr erinnern", war von einem weiteren Zeugen zu hören. Der 20-jährige Berufsschüler war sich sicher, dass es eine Schlägerei gab. Aber er habe nicht erkennen können, wer es war. "Bei ihrer Aussage bei der Polizei in Münchberg war das aber viel detaillierter", hielt ihm Weiß vor.

Damals hatte der 20-Jährige angegeben, dass die beiden Angeklagten mit Fäusten auf seinen Mitschüler eingeprügelt hatten. "Ich war besoffen und stand oben auf der Terrasse. Ich habe nicht alles gesehen", verteidigte sich der 20-Jährige. Zudem sei seine Vernehmung schon vor einem Jahr gewesen. Auf Nachfrage des Richters bestätigte der Berufsschüler, dass er auch nach dem Vorfall noch ein-, zweimal in der Pizzeria war.

Im Zeugenstand waren zudem zwei Polizisten. Eine Beamtin hatte drei Wochen nach der Tat einen der Zeugen vernommen. Dieser hatte sich am ersten Prozesstag an viele Einzelheiten und die Schlägerei nicht mehr erinnern können. Daher hatte der Richter die Polizistin vorgeladen. "Der Zeuge hatte mir sehr detailliert geschildert, wer wann wo stand", erklärte sie. Zudem habe er die Auseinandersetzung des Lokal-Chefs mit dem Geschädigten genau beschrieben. In die gleiche Richtung gingen die Angaben eines Polizisten der PI Tirschenreuth, der 20 Tage nach dem Vorfall einen anderen Zeugen vernommen hatte. Der Beamte war zudem in der Tatnacht selber vor Ort. "Was genau passiert ist, war in dieser Nacht nicht zu klären", sagte der Polizist auf Nachfrage des Richters. Der Lokal-Chef habe so getan, als sei nichts gewesen.

Weiterer Verhandlungstag

Daher haben er und sein Kollege nur alle Personalien festgestellt und Fotos von den Verletzungen des Geschädigten, der "deutlich alkoholisiert war", gemacht. Diese zeigen eine leichte Schwellung am Auge und Abschürfungen. Zudem gab der Polizist an, dass er einige Tage später die Frau des Pizzeria-Betreibers angerufen habe. "Sie hat mir gesagt, dass sie von dem Vorfall nichts mitbekommen hat."

Schließlich entschied der Richter, noch zwei weitere Polizisten zu befragen. Zum einen den zweiten Beamten, der damals in der Tatnacht vor Ort war, und zum anderen den Polizisten aus Münchberg, der eine Zeugenaussage aufgenommen hatte. Als nächsten Prozesstermin setzte Weiß den 5. April (9 Uhr) an.

Tirschenreuth25.02.2019
Hintergrund:

Anwalt Richard Ducheck hatte noch zu Beginn der Sitzung beantragt, die Verhandlung zu vertagen, da ihm keine Akteneinsicht zum Protokoll des ersten Verhandlungstags gewährt worden sei. Dies wies Richter Thomas Weiß allerdings zurück, „da es Pflicht des Verteidigers ist, auf dem aktuellen Stand zu sein“. Zudem sei Ducheck am ersten Prozesstag anwesend gewesen.

 
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