Trabitz
07.07.2019 - 09:45 Uhr

„Zufriedenheit ist eine Gnade“

Es gibt Arten des Kennenlernens, die gibt es schon seit langem nicht mehr. So zum Beispiel der erste „Funkenflug“ zwischen Bundesbahn-„Lehrling“ Ludwig Hutterer und Klara Weismeier im Frühjahr 1956.

Vor 60 Jahren schlossen Ludwig und Klara Hutterer ihren Lebensbund. Bild: bjp
Vor 60 Jahren schlossen Ludwig und Klara Hutterer ihren Lebensbund.

Damals „knisterte“ es bei einer Begegnung an der Bahnsteigsperre des Pressather Bahnhofs. Die Bahnsteigsperren sind längst verschwunden. Doch die Ehe zwischen Klara und Ludwig Hutterer hat alle kleinen und großen Umbrüche, nicht nur im Bahnwesen, überdauert. Am 2. Juli 1959 läuteten in Pressath die Hochzeitsglocken. Und nun feierte das Paar seine diamantene Hochzeit. „Wir sind durch eine harte Schule gegangen“, blicken die beiden auf ihre wechselvollen Lebensläufe zurück. Doch traurig sind sie nicht darüber: „Diese Entbehrungen haben uns gelehrt, dass man auch mit Wenigem zufrieden sein kann. Umso mehr wissen wir, dass Zufriedenheit eine Gnade ist, und wissen zu schätzen, was wir jetzt haben.“

Besonders schätzt das Paar zwei Liebhabereien: „Reisen und Musik.“ Dabei ist das Reisen sicher nicht nur eine „Berufskrankheit“ des früheren Bahnbeamten Ludwig Hutterer, der es in seiner 42-jährigen Laufbahn vom „Bundesbahnassistenten zur Anstellung“ in Grafenwöhr über den Leiter der Hauptdienststelle Pressath bis zum Amtsrat bei der Nürnberger Bahndirektion brachte. „Fast alle europäischen Länder haben wir zumindest ‚beschnuppert‘“, weiß das Jubelpaar zu erzählen. Vor allem die Türkei hat es ihnen angetan: In zehn Reisen haben sie die antiken Kulturstätten, aber auch fast alle anderen Landesteile ausgiebig erkundet und denken an viele Gesten beeindruckender und manchmal beschämender Gastfreundschaft zurück.

Trotz aller Reiselust und etlicher berufsbedingter Umzüge blieben Ludwig und Klara Hutterer ihrer Heimat verbunden. 1985 bezogen sie ihr Haus in der Siedlung Kurbersdorf. Dass der „Bahnerer“ danach bis zur Pensionierung 1996 täglich aus der Oberpfalz nach Mittelfranken pendeln musste, fiel ihm nicht schwer: „Ich war immer ein Frühaufsteher und habe die Fahrtzeit nutzbringend mit guten Büchern verbracht.“ Ja, und die Musik? Fast sechseinhalb Jahrzehnte lang war Ludwig Hutterer aktiver Chorsänger – zuerst in Trabitz, dann von 1960 bis 1966 in Grafenwöhr und schließlich bis 2018 im Pressather Männergesangverein. Und schon als Schüler musizierte er im Schulorchester und in einem Jazzensemble.

Dem Gesang ist auch Gattin Klara zugetan, die dem Trabitzer Kirchenchor angehört. Die Leidenschaft für die Musik hat sich auf die drei Söhne Bernhard, Wolfgang und Martin und einige der sechs Enkelkinder vererbt: Die Söhne gehören zum Stamm des Ensembles „Musikfreunde Lauf“, wo sie verschiedene Blasinstrumente spielen – Sohn Martin sogar die seltene Es-Klarinette. Zu den Steckenpferden der Hutterers gehören obendrein drei Gewächs- und zwei Gartenhäuser: „Die sind vor allem das Reich meiner Frau, die den ‚grünen Daumen‘ besitzt“, verrät Ludwig Hutterer.

Info:

Schokolade für Schnecken

Mögen viele ewiggegenwärtige Zeitgenossen es für überflüssig und belächelnswert halten: Seine Begeisterung für die Heimatgeschichte hat sich Ludwig Hutterer nie mies reden lassen und auch bewusst die Erinnerung an selbst Erlebtes bewahrt. Unvergesslich blieben ihm insbesondere manche Kindheitserinnerungen an Nazizeit und Weltkrieg.

„Im Krieg sind französische Kriegsgefangene nach Trabitz verlegt worden“, erinnert sich der „Diamanthochzeiter“: „Sie arbeiteten im Leistritz-Maschinenwerk, das 1941 aus dem bombengefährdeten Nürnberg in die 1929 stillgelegte Trabitzer Glashütte verlegt worden war, oder als Hilfskräfte bei Bauern.“ Den allermeisten sei es gut gegangen: „Es war normal, dass die auf Bauernhöfen eingesetzten Gefangenen zum Essen bei den Bauernfamilien mit am Tisch saßen, obwohl das eigentlich verboten war.“

Das Verhältnis zwischen Einheimischen und Fremden sei entspannt gewesen, auch weil es unter den örtlichen NSDAP-Mitgliedern kaum Fanatiker gegeben habe: „Vor allem Bürgermeister Fritz Porsch war ein besonnener Mann. In unangenehmer Erinnerung blieb allerdings ein fanatischer Lehrer.“ Viele hätten die Franzosen, die sich ihre etwas „legerere“ Lebensart auch unter den Kriegsbedingungen so weit wie möglich bewahrt hätten, sogar als willkommene Abwechslung empfunden. Er selbst, so Ludwig Hutterer, habe als Kind Schnecken für die Franzosen gesammelt: „Das war für sie eine Delikatesse, und wir Kinder bekamen zur Belohnung Schokolade.“

 
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