Fast schade, dass es im Kubus so finster ist, während der Woid Woife mit vollem Körpereinsatz von seinen Erlebnissen im Wald erzählt. Wenn der Brackl von Mann mit Rauschebart und Filzhut in die Knie geht, um zu zeigen, wie er damals auf einem Baumstumpf saß, um einen Fuchs zu beobachten. Andererseits braucht's die dunkle Bühne, um die Bilder und Videos sehen zu können, die der Kult-Waldler, vor allem aber Tierfreund und Naturliebhaber aus Bodenmais zu seinem Vortrag nach Ursensollen mitgebracht hat: Außergwöhnliche Dokumente außergewöhnlicher Erlebnisse in der Natur, zu denen der Woife fast noch außergewöhnlichere Geschichten parat hat.
So kurzweilig können zweieinhalb Stunden Vortrag sein. Ohne Pause. Denn die wird gestrichen, damit sich die Besucher in der immer noch andauernden Pandemie nicht zu nahe kommen. Wegen Corona brauchte die Katholische Erwachsenenbildung (KEB), unterstützt vom Naturpark Hirschwald und der Evangelischen Erwachsenenbildung, drei Anläufe, um den Woid Woife nach Ursensollen zu holen. Aber jetzt ist er da, der Wolfgang Schreil und nimmt sein Publikum im voll besetzten Kubus mit auf die Waldabenteuer, die er draußen in der Natur erlebt hat.
Publikum lauscht atemlos
Das Publikum lauscht atemlos, der Woife atmet derweil umso lauter, wie der Hirsch, dem er auf der Brunft sehr nahe gekommen ist. Gleich zu Beginn wird klar, dass das kein normaler Vortrag wird. Der Woife liebt nicht nur seinen Wald und seine Tiere – er liebt es auch, anderen davon zu erzählen. Und entpuppt sich dabei als grandioser Entertainer. Aber auch als Anwalt des Waldes und seiner Bewohner, der will, dass der Mensch die Natur besser versteht, besser mit ihr umgeht, damit beide im Einklang leben können.
Früher war er Steinheber, dann Totengräber, jetzt lebt er im Wald. Dorthin nimmt er seine Zuhörer mit. Und zeigt ihnen ein Foto von einem Tier, das jeder im Saal kennt: Ein Rotkehlchen. Den kleinen braunen Vogel daneben kennt keiner. Auch ein Rotkehlchen. "Im Jugendkleid", erklärt der Woife – die Natur schützt den Nachwuchs durch ein Tarnkleid.
Die Story vom Oachkatzl
Dann kommt noch so ein Tier, das alle kennen – das Oachkatzl. Und ja: Natürlich haben auch alle von dem bösen schwarzen Eichhörnchen gehört, ein Einwanderer, der die heimischen Arten verdrängt. Ein Unsinn, der sich übers Internet verbreitet, aber deshalb nicht wahrer wird, auch wenn man siebzigmal googelt: Eichchörnchen gibt es bei uns in braun, rot, schwarz – und alle sind einheimisch, erklärt der Woid Woife. Das Grauhörnchen ist ein Einwanderer aus den USA, allerdings bislang nur in Großbritannien und Italien. "In Deutschland ist es noch nicht angekommen."
Nebenbei erfährt man noch, dass das Hörnchen seinen Namen nicht von den Eicheln hat, die ihm zu bitter sind, sondern vom altdeutschen Wort "eich", das "flink" bedeutet. Und das "Hörnchen" kommt von den Puscheln, die das flinke Tierchen im Winter an den Ohren bekommt. "Also ist es ein flinker Ohrpuschel. Das hat mit Eichel ned viel zu tun", sagt der Woife und merkt an, dass der Mensch zu viel urteilt. Auch, wenn er sich über die Elster, "das Mitsviech", aufregt, die die Nester der Amsel ausräumt.
Die Kohlmeise und das Spanferkel
Der Woife weitet den Blick darauf, dass das Elsternest von der Rabenkrähe geplündert wird, die vom Habicht geschlagen wird. Die Kette führt weiter, über Uhu und Steinadler, und endet beim Menschen, der nachmittags ohne Bedenken in die Hänchenbraterei geht. Und vom putzigen Eichhörnchen schwärmt. Aber Achtung: "Das Eichhörnchen ist kein Vegetarier." Es trinkt Vogeleier aus und schnappt sich auch mal ein Küken. Also vorsichtig sein mit Urteilen.
Und schon ist der Woife bei der Kohlmeise, die er fotografiert hat, als sie eine erfrorene Waldmaus frisst. Für die ist "die Raupe eine Leberkassemmel. Und da hamma a Spanferkel", kommentiert er das Foto und wirbt für Verständnis: Die Kohlmeise habe "im Winter die ganze Zeit Müsli gfressen und denkt halt, etz war a Leberkassemmel an ned schlecht."
Wenn der Bussrad jagen geht
Es gibt viel zu lachen an diesem Abend. Und viel zu lernen. Und zu Staunen. Der Woifi erklärt, warum der Fichtenkreuzschnabel einen gerkeuzten Schnabel hat (um an die Fichtensamen zu kommen), woran man erkennt, ob er ein Links- oder Rechtsschnabel ist ("Da oane hängt so am Zapfen, der andere so") und dass der kleinste Vogel Europas, das Wintergoldhähnchen, nur so viel wiegt wie ein 20-Cent-Stück (5,5 Gramm). "In der Natur passiert nix ohne Grund", erklärt der Woife. Deshalb hat's natürlich auch einen Grund, warum das Goldhähnchen so leicht ist: Damit es ganz vorne zu den Fichtenspitzen kommt, um dort kleine Spinnentiere und Insekten rauszuholen.
Richtig lustig wird es, wenn der Woife über die Bühne rumpelt, um zu zeigen, wie der Mäusebussard auf die Jagd geht. Also ja: geht, nicht fliegt. Und wenn er erklärt, warum man vor der Kreuzotter keine Angst haben muss, wenn man sie einfach in Ruhe lässt. Ruhe ist ohnehin eine gute Methode, um magische Natur-Erlebnisse im Wald zu haben, die eigentlich gar nicht möglich sind, wie es in allen Büchern zu lesen ist. Außer in denen vom Woid Woife, denn er hat viele solcher Erlebnisse gehabt und mit bemerkenswerten Fotos und Videos aus nächster Nähe auch dokumentiert.
Lieber ohne Tarnzelt
Ganz ohne Tarnzelt übrigens, auch wenn ihm seine Frau eins geschenkt hat. Viermal hat er es probiert – und damit kein einziges Foto machen können. "Die Tiere denken: Na, Woife, so ned." Als setzt er sich lieber ganz ruhig auf einen Baumstumpf und schaut. Und blickt plötzlich einem Fuchs, "eines der seltensten Tiere des bayerischen Waldes", direkt in die Augen. Oder bekommt Besuch von einem Platzhirsch in der Brunft. "Ein magischer Moment", sagt der Woife. Einer von vielen, die er an diesem Abend mit seinen Gästen im Kubus teilt – in Wort, Bild, Film und mit ganz viel Humor und Herz.
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