Vohenstrauß
05.05.2023 - 14:53 Uhr

Ein blindes Oberpfälzer Ehepaar und sein Weg zurück zum Glück

Rudolf Pichlmeier konnte im Laufe seines Lebens immer weniger sehen und er wusste, dass er diesen Prozess nicht aufhalten kann. Nun ist er glücklich verheiratet – mit einer Vohenstraußerin, bei der das Schicksal ebenfalls hart zuschlug.

Der Podcast mit Rudolf Pichlmeier:

"Da bin ich schon fast mit der Nase dran", sagt Rudolf Pichlmeier. So macht das der 66-Jährige aus Regensburg, wenn er mit seinen Kindern kommuniziert. Früher konnte er sie noch richtig sehen, inzwischen sind diese nur noch Schatten für ihn. Desto mehr er sich seinen Kindern nähert, desto besser kann er sie eben noch erkennen.

Rudolf Pichlmeier ist blind, aber er war es nicht immer. Bis er 30 Jahre alt war, fuhr er noch mit dem Auto durch die Gegend, heute sieht er mit dem rechten Auge nur noch ganz schwache Konturen. "Mein linkes Auge ist durch die Erkrankung komplett kaputtgegangen", sagt er. Es musste durch ein Glasauge ersetzt werden. Bei Rudolf Pichlmeier sterben die Sehnerven ab. "Das schreitet immer voran", erklärt er. Der Oberpfälzer wurde im Laufe seines Lebens also immer blinder und er wusste, dass er diesen schrecklichen Prozess nicht aufhalten kann. Die Krankheit wurde ihm vererbt. Hauptsächlich sind inzwischen also die Ohren und die Hände seine Augen.

Er musste lernen, im Laufe seines Lebens immer mehr aufzugeben. Im Jahr 2007 war es die Arbeit. Pichlmeier war im Groß- und Außenhandel tätig und dort in die Planungen von Heizungsanlagen involviert. Mit 50 Jahren wurde er Rentner, obwohl er das nicht sein wollte. Seine Ehe ging in die Brüche. Er fragte sich damals: "Was mache ich denn jetzt als Blinder?" Er fiel in ein Loch. Doch Freunde und vor allem seine Kinder holten ihn da wieder raus. "Papa, Du musst was machen, weil, so geht es nicht weiter mit dir", redeten sie ihm damals ins Gewissen.

Das Ehrenamt als Rettung

Er entschied sich, ehrenamtlicher Berater beim Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund (BBSB) zu werden. Er ist aktuell sogar Bezirksgruppenleiter in der Oberpfalz – noch. Diese Aufgabe habe ihn gerettet, sagt er. Weil sie ihm damals diese eine wichtige Botschaft vermittelt hatte, die er heute selbst in die Welt trägt: Man muss diese Einschränkung, blind zu sein, annehmen. Erst dann könne man wieder aktiv sein Leben gestalten. Und die neue Aufgabe beim BBSB bescherte ihm dann schließlich auch neues Glück in der Liebe. "Durch meine Arbeit als Sehbehindertenberater habe ich meine Frau kennengelernt", sagt er.

Am monatlichen Stammtisch des Blinden- und Sehbehindertenbundes in Weiden passierte es. "Da hat es gefunkt", sagt Bettina Pichlmeier. Die 51-Jährige kommt gebürtig aus Vohenstrauß (Landkreis Neustadt/WN) und ist auch blind. Ihre Lebensgeschichte ähnelt der ihres Mannes. Bis zu ihrem 23. Lebensjahr konnte die Oberpfälzerin ganz normal sehen, dann wurden ihre Sehnerven beschädigt – zu viel Gehirnwasser drückte auf sie. Angedeutet habe sich dieses Unglück nicht. "Aus heiterem Himmel ist das gekommen", sagt Bettina Pichlmeier heute. Erst habe sie Kopfschmerzen bekommen, dann Doppelbilder gesehen. Auf dem linken Auge ist sie nun ganz blind. Auf dem rechten Auge sieht sie nur ganz wenig. "Ungefähr die Größe eines Locherloches."

Wechsel an der Spitze

Früher arbeitete sie als Schneiderin, mit 24 Jahren wurde die Vohenstraußerin in die Rente geschickt. "Man braucht schon Zeit, bis man das alles verarbeitet. Ich dachte, eine Welt bricht zusammen", blickt sie zurück. Und ihre Ehe ging damals tatsächlich in die Brüche. Durch ihren neuen Mann habe sie nun aber gelernt, ihr Schicksal besser anzunehmen. Inzwischen ist sie auch als Sehbehindertenberaterin beim BBSB tätig und in vier Wochen übernimmt sie sogar das Amt ihres Ehemannes. Bettina Pichlmeier wurde am vergangenen Samstag nämlich zur neuen Oberpfälzer Bezirksgruppenleiterin des Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbundes gewählt.

"Wir sind wirklich wieder voll aktiv im Leben", sagt ihr Mann. Der Alltag des Ehepaares Pichlmeier unterscheide sich auch nicht so sehr von dem sehender Menschen. Der größte Unterschied im Haushalt? "Es gibt immer Ordnung", sagt Rudolf Pichlmeier. Ob Klamotten, Geschirr oder Teller – er und seine Frau wissen genau, wo etwas steht. Außerdem gebe es viele Hilfsmittel, die sehbehinderten Menschen das Leben erleichtern – wie zum Beispiel einen Farberkenner. Dieser sagt Rudolf Pichlmeier, welche Farbe seine Klamotten haben. "Damit ich mich nicht anziehe wie ein Kasperl, wenn ich rausgehe", sagt er.

"Papa, Du bist wieder der Alte", stellten inzwischen übrigens auch seine Kinder fest. Und auch wenn Rudolf Pichlmeier von ihnen nur noch schattenartige Konturen erkennen kann, ist ihm natürlich nicht entgangen, dass sein Sohn plötzlich zum Bartträger geworden ist. Auch wenn er ihm ohne Bart besser gefalle, sagt er lachend.

Hintergrund:

Das macht der Bayerische Blinden- und Sehbehindertenbund (BBSB)

  • Ziel: Der BBSB steht für Teilhabe und Selbstbestimmung blinder und sehbehinderter Menschen und Menschen, deren Augenerkrankung zu Blindheit führen kann.
  • Beratung: Der BBSB informiert blinde und sehbehinderte Menschen zu Hilfsmitteln und Unterstützungsmöglichkeiten im Alltag.
  • Aufklärung: Über die Gefahren von Erkrankungen, die zu Blindheit oder Sehbehinderung führen können.
  • Politische Arbeit: In Verbänden, Wirtschaft und Öffentlichkeit zu den Themen Barrierefreiheit, Teilhabe und Inklusion von blinden und sehbehinderten Menschen.

Quelle: Bayerischer Blinden- und Sehbehindertenbund

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