Vohenstrauß
09.08.2020 - 13:39 Uhr

Mit dem E-Bike "einfach happy"

Nicht nur auf ausgewiesenen Radwegen tummeln sich seit Monaten immer mehr Freizeitsportler. Seit Corona erlebt das Radfahren eine bemerkenswerte Renaissance. Die meisten Fahrradgeschäfte können den Ansturm kaum bändigen.

Martin Eckl (rechts) hat alle Hände voll zu tun. Neben Verkaufsgesprächen warten zahlreiche kleinere oder größere Reparaturanfragen auf ihn. Bild: Gabi Schönberger
Martin Eckl (rechts) hat alle Hände voll zu tun. Neben Verkaufsgesprächen warten zahlreiche kleinere oder größere Reparaturanfragen auf ihn.

Martin Eckl bemerkt seit etwa drei Jahren, dass die Branche insbesondere mit E-Bikes (in der Fachsprache Pedelec) einen unglaublichen Aufschwung verzeichnet. "Bei den Erwachsenenrädern liegt der Anteil an E-Bikes bei etwa 90 Prozent", erklärt der Tännesberger, der in Altenstadt bei Vohenstrauß ein Fahrradgeschäft betreibt. Corona habe dem Trend noch eins draufgesetzt und den meisten Fahrradgeschäften einen "Sonderboom" beschert.

Die Kunden, die sich für E-Räder interessieren, werden laut Eckl immer jünger. Ab 25 Jahren radeln die Freizeitsportler oft schon mit elektrischer Unterstützung. Auch wenn die körperliche Anstrengung etwas auf der Strecke bleibe, habe ein E-Bike unschlagbare Vorteile: "Man kann den Radius enorm erweitern. Mit einem normalen Rad kommt man am Abend von Vohenstrauß nach Waidhaus und zurück, mit dem E-Bike geht das sehr viel weiter", so Eckl. 60 bis 70 Kilometer seien leicht machbar, da komme man schon mal auf 1000 Höhenmeter.

Corona verursacht "Sonderboom"

"Viele Ältere erzählen, wie glücklich es sie macht, dass sie nun mit dem Rad Orte ihrer Kindheit ansteuern. Oder sie erkunden ganz neue Wege in ihrer Umgebung." Der klassische Radweg sei dabei häufig nicht die erste Wahl. Stattdessen geht es auf ruhige Straßen oder in Waldgebiete. Selbst Berufstätige wie zum Beispiel Zimmerer würden nach einem kraftraubenden Arbeitstag am Feierabend bei kleinen Radtouren Entspannung finden. Bequemer haben es auch junge Eltern, die ihren Nachwuchs im Anhänger ohne große Anstrengung mitnehmen können.

"Das Überraschende war heuer aber, dass wir auch wieder mehr normale Räder verkauft haben", berichtet Eckl. Er schätzt den Anteil sogar auf fast 50 Prozent. Viele junge Leute, die sich in Kurzarbeit befanden und sportliche Betätigung suchten, hätten sich für den Kauf ein neuen Mountainbikes entschieden. Trekkingräder hingegen seien fast gar nicht mehr gefragt.

Auch wenn sich nun Jüngere für das unterstützte Radfahren interessieren - "einfach happy" seien hauptsächlich die E-Biker über 50. "Wenn sie merken, wie gut sich das Radfahren auf ihre Gesundheit auswirkt, dann werden sie fast süchtig. Ist mal eine Reparatur zu machen, stehen die nach einem Tag schon wieder da und machen Druck", schmunzelt Eckl.

Tirschenreuth08.07.2020

Schnellerer Verschleiß

Man müsse sich im Klaren sein, dass bei Elektrorädern mit einem schnelleren und größeren Verschleiß zu rechnen ist. "Das kann man mit einem normalen Rad nicht vergleichen." Bremsbeschläge und Kette müssten meistens zwischen 2000 und 4000 Kilometern erneuert werden. Und so hat Eckl mit seinem kleinen Team seit Monaten alle Hände voll zu tun.

Der Boom hat zur Folge, dass etliche Markenartikel mittlerweile vergriffen sind. Die Lieferfähigkeit der Hersteller sei derzeit eingeschränkt. Die Konsequenz sei, dass sich ein munterer Handel von gebrauchten E-Bikes entwickelt. "Wir gehen davon aus, dass es wie bei den Autos auch bei den E-Bikes einen Gebrauchtmarkt geben wird", schätzt Eckl. Leasing-Rückläufer würden in drei Jahren dann auf diesem Sektor landen und Käufern günstigere Alternativen bieten.

In Sachen Neuerungen werde die Industrie nicht lockerlassen, weil es offensichtlich sei, dass der Markt weiter bedient werden will: "Allein was sich in den letzten fünf bis acht Jahren getan hat, ist unglaublich. Die ersten Räder hatten oft Elektronik-Probleme. Das sind Welten, was die solide Verarbeitung anbelangt." Fast jedes Jahr kommen neue, stärkere Motoren auf den Markt. Technisch ausgefeilt, biete die neue Räder-Generation eine Qualität, die durch Serienreife besteche.

Der Trend zum Pedelec ist für Eckl wenig überraschend: "Es gibt eigentlich nur zwei Gründe, sich dagegen zu entscheiden. Wenn ich nur mit Kindern unterwegs bin, oder wenn ich eigentlich keine Zeit zum Radfahren habe." Der Nachwuchs verliere schnell die Lust am Radfahren, wenn er mit einem normalen Rad hinter den gemütlich radelnden Eltern hinterher strampeln muss. Sind die Kinder aus dem Haus, sei oft der richtige Zeitpunkt für ein Elektrorad gekommen. Und ein Tipp für die Männer: "Nur für die Vatertagstour einmal im Jahr muss ich mir kein E-Bike anschaffen."

Geschwindigkeit birgt Risiken

Nicht unterschätzen sollte man laut Eckl die Tatsache, dass man mit einem E-Bike in der Stadt und im Gelände mit 25 Kilometern pro Stunde durchaus schnell unterwegs sei. Aus diesem Grund rät er Eltern dazu, ihren Kindern erst mit 13 oder noch besser erst mit 15 Jahren ein E-Rad zu kaufen.

Durch die batteriebetriebenen Gefährte sei laut Eckl bei einigen wenigen Freizeitsportler die Liebe zum Rad dermaßen neu entflammt, dass sie sich zusätzlich ein normales Mountainbike zugelegt hätten. Der Spezialist kennt viele Geschichten, die sich um das Radfahren spinnen. Begeistert sei er immer dann, wenn sich Familien nach Jahren beim gemeinsamen Hobby wieder vereinen. Und E-Bikes seien hier oft die Lösung.

Tirschenreuth06.07.2020
Hintergrund:

Verkaufszahlen

Im Jahr 2019 wurden insgesamt rund 1,4 Millionen E-Bikes verkauft. Der Absatz ist dabei in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen und nahm von Jahr 2018 bis 2019 so stark zu wie nie zuvor. Der Anteil von E-Bikes am gesamten Fahrradabsatz in Deutschland betrug im Jahr 2019 etwa 32 Prozent.

Martin Eckl spricht von einem "Sonderboom" im Fahrradhandel, den die Coronapandemie ausgelöst hat. Nicht nur E-Bikes sind seitdem gefragt. Bild: Gabi Schönberger
Martin Eckl spricht von einem "Sonderboom" im Fahrradhandel, den die Coronapandemie ausgelöst hat. Nicht nur E-Bikes sind seitdem gefragt.
Martin Eckl (rechts) hat alle Hände voll zu tun. Neben Verkaufsgesprächen warten immer wieder kleinere oder größere Reparaturanfragen auf ihn. Bild: Gabi Schönberger
Martin Eckl (rechts) hat alle Hände voll zu tun. Neben Verkaufsgesprächen warten immer wieder kleinere oder größere Reparaturanfragen auf ihn.
Ein Plausch unter E-Bikern: Vor allem die ältere Generation hat durch die elektrische Unterstützung die Liebe zum Rad neu entdeckt. Bild: Gabi Schönberger
Ein Plausch unter E-Bikern: Vor allem die ältere Generation hat durch die elektrische Unterstützung die Liebe zum Rad neu entdeckt.
Kommentar:

Mama, geht's noch?

Ich habe mich lange standhaft gewehrt, aber seit kurzem strample ich mit im riesigen Strom der E-Biker. Ja, es stimmt, ich hatte mich hier an gleicher Stelle etwas despektierlich geäußert über diese komfortable Form der Fortbewegung. Ein traumatisches Erlebnis ließ mich jedoch umdenken: Der Fahrradausflug mit meiner Familie.
Um überhaupt mitfahren zu können, musste ich mein 30 Jahre altes Mountainbike in einer Werkstatt erst wieder verkehrstüchtig machen lassen. Das dauerte drei Wochen, weil Hunderte Ex-Radfahrer auf dieselbe Idee gekommen waren. Mir war es egal, dass mein verkratzter Drahtesel rein optisch nicht so ganz zu den anderen drei Stahlrössern passte. Er hatte kleinere Reifen, verfügte aber immerhin über zahlreiche Gänge. Die sollten doch genügen für eine entspannte Spritztour.
Anfangs genoss ich Luft und Landschaft. Nach vier Kilometern und ein paar leichten Anstiegen kippte die Stimmung. Ich musste die Drehzahl stetig herunterschrauben. Sämtlichen Teammitgliedern war nun klar: Aus mir wird kein Ausreißer mehr. Alle Gänge dieser Welt würden mir nicht reichen, um Anschluss an das Führungstrio zu halten. Selbst meine beherzten Bergab-Attacken konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass ich immer wieder abreißen lassen musste und auf die Solidarität der Mannschaft angewiesen war. Meine Kinder (24 und 20) blieben instinktiv in meiner Nähe. Der Blick in mein Gesicht, das sich zusehends dunkler verfärbte, ließ sie wohl befürchten, ich könnte implodieren. „Mama, geht’s noch?“, fragten sie minütlich. Ich konnte nicht antworten. Wenn es eng wird, muss man Prioritäten setzen. Ich musste atmen.
Wir nutzten jede Abkürzung, um quasi über die Luftlinie nach Hause zu kommen. Am Ende der Tortur zeigte der Tacho ganze 18 Kilometer an. Mein Mann, der das Desaster wohl vorausgesehen hatte, meinte: „Willst du dir nicht doch mal ein E-Bike ansehen?“ Wenige Wochen später blicke ich nun während unserer Radtouren etwas bange in sein schweißbenetztes Gesicht und frage: „Schatz, geht's noch?“

Christine Walbert

 
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