Wie das Stift Waldsassen zur Oberpfalz kam

Waldsassen
08.05.2022 - 14:01 Uhr
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Stolze 990 Seiten umfasst die Chronik, die Johann Thomas Funk in seiner Zeit als Bürgermeister – von 1740 bis 1748 – über die Geschichte von Eger verfasst hat. Auch die Abtei Waldsassen und die Fraisch kommen darin vor.

Johann Thomas Funk, von 1740 bis 1748 Bürgermeister von Eger, verfasste eine umfangreiche Chronik über die Geschichte der Stadt. Diese war jahrzehntelang verschwunden und wurde vor kurzem Cheb zum Kauf angeboten. In diesem 990-seitigen Werk wird beschrieben, „Wie das Stifft Waldsaßen von der Krone Böhaimb, und der Stadt Eger sich getrennet“.

Das Kloster hatte immer wieder unter Überfällen und Plünderungen zu leiden und brauchte deshalb stets einen Schutzherren. Der böhmische König Wenzel IV. aber war als Beschützer untätig. Dieser Herrscher erlangte traurigen Ruhm durch die Legende von Johannes Nepomuk. Die ständig drohenden Gefahren für das Kloster lösten im Jahr 1411 unter den Mönchen einen Streit um die Wahl eines besseren Verteidigers aus, welcher den Konvent in zwei Parteien spaltete, was mit zwei abgesetzten Äbten zu einem „Schisma“ führte und mit dem Sieg von Abt Konrad II. endete.

Pfalzgraf als weltlicher Protektor

In der Chronik ist nachzulesen, wie sich Konrad II. in dem Streit durchsetzen konnte: „Als die mönche besagten stiftes sich über die wahl eines Praelatens gezwëget, … hat sich selbiger an den Chur-fürsten, und Pfaltz-grafen Johannem gemachet, und von selbigem als Kaÿserlichen Stadthalter schutz, und schirm gesuchet, der es ihme auch mit diesem bedinge zugesaget, und versprochen hat, wann er ihme sambt seinem Convent, und Anhang die ewige schutz- und schirm-gerechtigkeit des Closters verschreiben wurde.“ Damit stand die Abtei nicht mehr unter dem Schutz der böhmischen Könige. Denn sie hatte die Pfalzgrafen als weltliche Protektoren erwählt.

Der Chronist ist darüber verärgert, weil „… dann das Stift Waldsassen, welches bereits beÿ der Krone, und dessen Königreiche Böheimb 90 jahre geweßen, durch … unwiederbringlichen schaden in die Pfältzische Jurisdiction, und herrschaft gekommen ist“. Mit seinem Hinweis „beÿ der Krone … 90 jahre geweßen“ nimmt der Chronist Bezug auf die Verpfändung des Egerlandes im Jahre 1322. Denn nach seiner Meinung gehörte also das Stiftland, ebenso wie das Egerland, seitdem zu Böhmen.

Erst nachträglich wurde Kaiser Sigismund um Zustimmung zur Wahl des Pfalzgrafen Johann als Schutzherr des Klosters gebeten. Diese wurde 1414 „Cum reservatione revocabilis Imperatoris et salvibus juribus Regis Bohemiae“ (Mit widerruflichem Vorbehalt des Kaisers und Wahrung der Rechte des Königs von Böhmen) gewährt.

Beginn des Streits um die Fraisch

J. T. Funk übt auch daran Kritik: „Es hat aber Kaÿser Sigismundus nur gar zu wohl gewust, das er als Römischer König denen juribus, welche der Crone, und dem Königreiche Böheimb auf das Stifte Waldsassen zustehen, … Wenceslao Rege Bohemiae, (Wenzel, dem König Böhmens) nichts vergeben könne ...“. Der Chronist beklagt die Folgen für die Stadt Eger: „Da nun das Stifte Waldsassen Chur-Pfaltz zu einen schutz-herren aufgenohmen, … setzte es zwischen den stifte und hiesiger gemeiner Stadt lauter differentien, und streittigkeiten ab. Der kaum seine function angetrettene Abbt Conradus machte erstlichen hiesiger Stadt das ihr je- und allzeit zugestandene hals-gericht zu Albenreüth und Hardeck strittig …“. Es war der Beginn des Streits um die sogenannte Fraisch, der erst 1862 durch den Grenzvertrag zwischen Österreich und Bayern beendet werden konnte.

Nicht ohne Schadenfreude bemerkt der Chronist schließlich: „Übrigens haben die geistliche des Stiftes Waldsassen … gar bald den unterschiedt zwieschen den Königlichen Böhmisch- und Chur-pfälzischen schutze erfahren, und zugleich die straffe ihrer mit der undanckbahrkeit gegen ihren rechtmässigen herren …“.

Inschrift am Rathaus Waldsassen

Waldsassen geriet tatsächlich seitdem immer mehr unter Druck und wurde 1537 gezwungen, die Oberhoheit des pfälzischen Kurfürsten anzuerkennen: Abt Georg III. wurde vertrieben, weil er versucht hatte, sich von der Pfalz wieder unabhängig zu machen. Nach der Einführung des Calvinismus durch den pfälzischen Kurfürsten Friedrich III. wurde das Kloster 1571 aufgehoben. Als aber Kurfürst Friedrich V. als böhmischer „Winterkönig“ die Schlacht auf dem Weißen Berg (1620) verloren hatte, kam die „Obere Pfalz“ an Bayern – als Lohn für den siegreichen bayerischen Kurfürsten Maximilian I.

Am Rathaus erinnert Waldsassen eine Inschrift daran, wie sich hier das Ende der pfälzischen Herrschaft anbahnte: „An dieser Stelle stand früher des sogenannte ‚Neue Haus‘. In diesem wohnte Friedrich V. von der Pfalz, später genannt Winterkönig, als ihm 1619 die Krone Böhmens von den böhmischen Gesandten angetragen wurde und er in die Annahme derselben einwilligte.“

 
 

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