Waldthurn
11.06.2018 - 13:42 Uhr

Wall umgebener Turm

Georg Schmidbauer improvisiert: Weil ein Gewitter aufzieht, macht er aus der heimatgeschichtlichen Wanderung einen virtuellen Streifzug mit überraschenden Erkenntnissen über die Geschichte von Waldthurn.

Vom Balkon des Heimatmuseums aus lud Georg Schmidbauer (Dritter von rechts) zum heimatgeschichtlichen Streifzug  durch Waldthurn ein fvo
Vom Balkon des Heimatmuseums aus lud Georg Schmidbauer (Dritter von rechts) zum heimatgeschichtlichen Streifzug durch Waldthurn ein

Der Heimatkundliche Arbeitskreis Waldthurn ist gerade mal drei Tage alt, da führte der Vorsitzende des neugegründeten Vereins, Georg Schmidbauer bei einer "Heimatgeschichtlichen Wanderung" geschichtsinteressierte Frauen und Männer durch Waldthurn. Bereits nach den ersten Erklärungen zog über den Ort am Fuße des Fahrenberg ein Gewitter auf- kurzerhand nahm Schmidbauer mit seinen bildhaften Erzählungen die Geschichtsinteressierten, die bis aus Berlin kamen, unter dem Dach des Heimatmuseums an der Vohenstraußer Straße virtuell aber trocken mit durch den Ort.

Er erklärte kurz die einzelnen Herrschaften von Waldthurn, angefangen von den Herren von Waldthurn (bis 1308) über die Herren von Waldau auf Waldthurn (1308 bis 1540), Herren von Wirsberg (1540 bis 1647), die herrenlose Zeit (1540 bis 1647), das goldene Zeitalter unter den Fürsten von Lobkowitz bis hin zur heutigen Zeit unter den Bayern, die seit 1807 herrscht.

"Der Ortsname Waldthurn hat nicht mit einem Wald zu tun". An der sogenannten alten Heerstraße Nürnberg - Pilsen wurde zur Sicherung im 12. Jahrhundert ein Burgstall errichtet. Dieser bestand aus einem hölzernen Turm auf einem künstlichen Hügel, der von einem aufgeschütteten Wall umgeben war. Der Name Thurnbühl bedeutet Turm (=Thurn) auf dem Hügel oder der Anhöhe (=Bühl). Der Ortsname ist demnach zu deuten als ein von einem Wall umgebener Turm. Nach dem Kauf der Herrschaft Waldthurn ließ Fürst Wenzel Eusebius 1666 ein neues vierflügeliges, dreigeschossiges Schloss mit 30 Zimmern als Sommersitz errichten. Das Schloss war der Lieblingsaufenthalt der Fürstin Augusta Sophia - der Fürst weilte meistens in der österreichischen Hauptstadt Wien und kam nur drei bis vier Mal im Jahr nach Neustadt/WN. "Das Lobkowitzer Gebiet ging von Weiden aus inklusive Neustadt/WN bis an die Grenze zu Böhmen", erklärte der Sprecher auf Frage eines Interessierten aus der Bundeshauptstadt. 1807 ging das Gebäude in bürgerliche Hände, es entstand ein Wirtshaus, die Post, später der Kindergarten und derzeit wird es als Pfarrheim durch die katholische Pfarrgemeinde genutzt. Der "Schmidbauer-Schorsch" erläuterte die verschiedenen Stationen. Er erklärte die geschichtlichen Hintergründe des Lobkowitzbrunnens samt der bemerkenswerten Löwenreliefbilder.

So sahen viele zum ersten Mal den Wappenstein von den "energischen" Georg Christoph Wirsberg und seiner Frau Salome geb. Schwanberg am ehemaligen Gärtnerhaus. Aufmerksamkeit erregten die kostbaren Zunftstangen in der Pfarrkirche St. Sebastian, die früher St. Jodok hieß. Zunftpatrone sind beispielweise der Heilige Wolfgang, der Patron der Zimmererleute und Bildschnitzer. War doch Waldthurn im 18. Jahrhundert geradezu eine Hochburg von hervorragenden Bildschnitzern und Kunstschreinern. Auch der Pestheilige, der heilige Rochus ist vertreten. Die Zunftstangen werden heute bei der Fronleichnamsprozession durch junge Männer der katholischen Landjugend und der Kolpingfamilie durch die Straßen getragen. Schmidbauer berichtete von den Gruften der Wirsberger in der heutigen Pfarrkirche.

Über den Marktplatz ging es zur Darstellung der Krönung Mariens. Die achtkantige Säule, umgeben von einer Balustrade wurde 1724 errichtet und wird im Volksmund Dreifaltigkeitssäule genannt. Einen Steinwurf entfernt war die herrschaftliche Brauerei Bodensteiner und das "Untere Tor" mit Amtsknechtwohnung (Gerichtsdienerhaus) gleichzeitig Fronfeste (Gefängnis). Das Obere Tor war früher auf Höhe des heutigen Gesundheitszentrums. Schmidbauer erzählte vom alten Schloss Waldthurn - erbaut um 1200. "Wir hatten bayernweit 1948 das erste "Haus der Bäuerin", das später Schule und heute eine Arztpraxis beheimatet. "Ich habe im heutigen Wartezimmer Unterricht gehalten", erinnert sich der ehemalige Lehrer. Unterhalb des heutigen "Haus der Bäuerin" befand sich die Fürstliche Meierei. Es war ein Gutshof der zur Burg, zum alten Schloss gehörte. Dort wurden knapp 60 Rinder, 12 Schweine aber auch "Vier indianische Hennen", wie man damals Truthähne nannte, gehalten. Bis 1807 war gegenüber eine große Schäferei mit 1000 Schafen im Sommer und 400 im Winter.

Zur Speisung der Schlossmühle staute man die Luhe im ehemaligen Schlossweiher auf. In diesem kleinen See, der bis zur Grubmühle ging, schwammen täglich viele Gänse, was den Waldthurner zu ihrem Spitznamen "Gänsbürger" oder auch "Gänstatscher" verhalf. Die Statue des Heiligen Nepomuk wurde vor Jahrzehnten gestohlen - nach Jahren der Fahndung tauchte sie in Oberbayern wieder auf und steht heute im Heimatmuseum.




 
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