Weiden in der Oberpfalz
03.03.2022 - 11:30 Uhr

„Alle in Alarmbereitschaft“: Kundgebung des Weidener Stadtrats gegen Putins Krieg

Ein politischer Aschermittwoch der ganz anderen Art: Gemeinsam mit dem Weidener Stadtrat protestieren mehr als 200 Menschen gegen Putin und seinen Angriffskrieg. Die Angst vor einer weiteren Eskalation klingt durch.

Nach einem politischen Schlagabtausch, wie er sonst am Aschermittwoch üblich ist, war diesmal niemandem zumute. Tiefste Betroffenheit herrschte unter den mehr als 200 Menschen vor dem Alten Rathaus, die am Abend dem Aufruf des Weidener Stadtrats zur Kundgebung gefolgt waren. „Was die Ukrainer gerade erleben, erinnert an die dunkelsten Stunden der europäischen Geschichte“, sagte die Organisatorin, SPD-Vorsitzende Sabine Zeidler. Zeitweise klang aus den Reden auch die Angst vor einem Dritten Weltkrieg heraus.

„Die letzten Tage haben uns gezeigt, wie fragil Frieden ist, und alle in Alarmbereitschaft versetzt“, sagte Zeidler. Sie berichtete von Frauen, die in U-Bahnschächten Kinder gebären würden, von Menschen, die vor wenigen Tagen noch normalen Tätigkeiten nachgegangen seien und heute Molotowcocktails nach Anleitung zubereiteten. Wie Oberbürgermeister Jens Meyer betonte, lebten in Weiden viele Menschen, die in der Ukraine oder in Russland geboren seien. "Gerade für sie ist die derzeitige Situation unerträglich."

OB Meyer: Große Hilsbereitschaft

Die Stadt habe eine Ukraine-Hotline eingerichtet. Wer Wohnraum, Dolmetscher-, Betreuungs- oder Fahrdienste zur Verfügung stellen könne, solle sich melden. "Das wird zuhauf getan", erklärte der Rathauschef. Während seiner Rede warf eine Zwischenruferin der Protestveranstaltung Heuchelei vor. "Warum wurden in den letzten acht Jahren keine Demos für den Irak oder Syrien gemacht?"

"Die Menschen in der Ukraine kämpfen für ihre nationale Souveränität und Identität, für ihre Freiheit und ihre Art zu leben. Lassen Sie uns in dieser Stunde auch bei denen sein, die sich der russischen Aggression entgegenstellen", rief MdB Uli Grötsch (SPD) unter Beifall in die Menge. "Lassen Sie es uns aber auch gewahr sein, dass es nicht der Krieg der russischen Bevölkerung ist, sondern dass es der Krieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin ist, der in völliger Entrücktheit im Kreml sitzt und nicht mehr wahrnimmt, was um ihn herum und außerhalb seines eigenen Hauses passiert." Er persönlich hätte es nie für möglich gehalten, dass er einmal die freiheitlichen Werte, für die alle hier einstünden, auf eine Art und Weise verteidigen müsse, wie es jetzt hier notwendig sei, sagte Grötsch.

Ins selbe Horn blies Landtagsabgeordnete Annette Karl (SPD). Auch sie hätte sich nie vorstellen können, was aktuell auf Europa hereinbreche. "Vielleicht war ich ja auch naiv." Der russische Präsident meine, sich aus völkischen Überlegungen heraus die Ukraine unter den Nagel reißen zu müssen. Karl an die Adresse des Kremls: "Wir lassen uns unser gemeinsames europäisches Haus nicht zerstören." Landtagsabgeordneter Stephan Oetzinger (CSU) sprach von einem Paradigmenwechsel. "Es ist das erste Mal seit 80 Jahren, dass ein anderes Land in Europa Freiheit und Sicherheit gefährdet und Menschen vertreibt." Das erschüttere die demokratische Grundordnung und den europäischen Wertekonsens grundlegend.

Stolz auf Protestaktion

Ihn hätten die letzten Tage fassungslos gemacht, sagte CSU-Fraktionschef Benjamin Zeitler. "Das hat uns erschüttert." Noch in den 90ern habe er geglaubt, dass man in Europa in Frieden leben könne. Aber schon Jugoslawien habe gezeigt, dass dies nicht so sei. "Was in der Ukraine geschieht, das geschieht auch an anderen Orten." SPD-Fraktionsvorsitzender Roland Richter zeigte sich stolz auf die parteiüberschreitende Protestaktion. Die Leute stünden ein für Freiheit, Solidarität und Menschlichkeit. Grünen-Fraktionschef Karl Bärnklau machte die Überlegung auf, ob mehr Waffen im Kriegsgebiet nicht vielleicht zu noch mehr Leid, Tod und Zerstörung führten, kam dann aber zur Überzeugung, dass die Maßnahmen eventuell doch zu einem Umdenken Putins führten. Er forderte Putin vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag.

Bürgermeister Reinhold Wildenauer (FDP) zeigte sich tief beeindruckt von der Wehrhaftigkeit der ukrainischen Bevölkerung. "Da gibt es Leute, die noch nie zuvor eine Waffe in der Hand hielten. Leute, die sich vor den Panzer stellen. Das ist unglaublich." Stadtrat Helmut Schöner (DÖW) sprach von einer "Katastrophe, einem Versagen jeglicher Menschlichkeit." Im Anschluss an die Kundgebung hielten die Kundgebungsteilnehmer mit Teelichtern drei Minuten lang im Gedenken an die Ukraine inne. Dazu läuteten die Glocken der Josefskirche.

 
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