Weiden in der Oberpfalz
17.07.2020 - 18:34 Uhr

Corona: Viren-Detektive im Klärwerk

Schon acht Tage bevor sich die ersten Corona-Symptome zeigen, scheidet der Mensch die Viren beim Toilettengang aus. Diese gelangen über den Kanal ins Klärwerk. Warum also nicht dort nach den Viren suchen? Genau das passiert nun in Weiden.

Die Stadtwerke senden Wasserproben aus der Kläranlage an die TU München, um am Entwicklungsprojekt des Lehrstuhls für Siedlungswasserwirtschaft teilzunehmen. Bild: Gabi Schönberger
Die Stadtwerke senden Wasserproben aus der Kläranlage an die TU München, um am Entwicklungsprojekt des Lehrstuhls für Siedlungswasserwirtschaft teilzunehmen.

Prof. Theodor Klotz, der Chefarzt Klinik für Urologie, Andrologie und Kinderurologie der Kliniken Nordoberpfalz AG, weiß um die Möglichkeiten: Sars-CoV-2 ölässt sich als Biomarker in der Abwasserdiagnostik nutzen, um die Dunkelziffer von Covid-19-Fällen besser aufzuklären, aber auch um den Beginn einer Infektionswelle bereits in der Frühphase zu erkennen.

Er kennt vielversprechende Forschungsprojekte in Israel, China, Frankreich und Holland. Und darum sorgt er dafür, dass nun auch die Stadtwerke Weiden beim neuen Forschungsprojekt des Lehrstuhls für Siedlungswasserwirtschaft der TU München teilnehmen können. "Ich finde die Idee genial, durch Abwasser-Monitoring ein verlässliches Frühwarnsystem zu bekommen. Aber noch ist nicht klar, ob die Methode tatsächlich voll funktioniert", erklärt Klotz, der sich "auch als Stadtrat" besonders darüber freut, dass Stadtwerke-Vorstand Johann Riedl sofort der Teilnahme am Projekt von Professor Dr.-Ing. Jörg E. Drewes zustimmte.

Wöchentliche Probe

Die Weidener Kläranlage ist dabei in illustrer Gesellschaft mit den Stadtentwässerungen München, Stadt und Landkreis Erlangen sowie den Kläranlagen Starnberg, Augsburg und Freising. Wöchentlich wird ein Bote oder Expressdienst eine Abwasserprobe an die TU München bringen. Da das Forschungsprojekt auch staatlich gefördert werde, hielten sich die Kosten für Weiden in Grenzen, betont Stadtwerkeleiter Johann Riedl.

Professor Drewes erläutert den Hintergrund seiner Arbeit: Ein abwasserepidemiologischer Ansatz für virusvermittelte Krankheiten sei bereits erfolgreich angewandt worden. Dabei konnten zeitliche und saisonale Infektionswellen für verschiedenste Viren sichtbar gemacht werden. Seit neuestem gebe es auch Entwicklungen hinsichtlich Sars-CoV-2 im Abwasser. Bislang allerdings fehlten standardisierte Methoden für behüllte Viren wie Sars-CoV-2. Daher bestehe Forschungsbedarf zur Optimierung der Anreicherungs- und Extraktionsverfahren für den quantitativen Sars-CoV-2-Nachweis im Rohwasser.

Marker-Modell entwickeln

Vieles deute darauf hin, dass behüllte Viren im Abwasser vergleichsweise schnell inaktiv werden, entweder durch Absorption an Partikeln oder durch mikrobiellen Stoffumsatz bei höheren Temperaturen. Jedes Biomarker-Modell, das den Verbleib und den Transport der Corona-Viren in der Kanalisation nachahmen wolle, müsse die Auswirkungen der Schlüsselfaktoren wie Temperatur, pH-Wert, Umsetzungsraten und die Wechselwirkungen mit den Partikeln und Biofilmen des Abwassernetzes berücksichtigen. Dazu sei noch Forschungsarbeit nötig. Neu entwickelte abwasserepidemiologische Modelle für Xenobiotika und Drogen reagieren bereits auf diese Komplexität des Abwassersystems und dienten daher zur Entwicklung eines genauen Modell für virale Marker als wichtige Grundlage.

OnetzPlus
Amberg14.07.2020
Kommentar:

Bis zur Kloschüssel

Formulieren wir freundlich. Es ist „unangenehm“, wenn beim Coronatest Stäbchen tief in Rachen und Nase geschoben und gedreht werden. Das Ergebnis lässt zudem – zumindest für den Betroffenen zu lange – auf sich warten. Einen anderen Ansatz, Covid-19-Viren schnell und sicher aufzuspüren, wählt die Studie der TU München. Lange bevor bei Infizierten der Kopf schmerzt, die Nase läuft und der Husten quält, sind die Viren nachweisbar – nach jedem Toilettengang. In Weiden beginnt die Virensuche in der Kläranlage. „Corona“ lässt sich über die Kanalstränge bis zur Kloschüssel nachverfolgen. Das sollte übrigens auch Drogenkonsumenten zu denken geben.

Josef Johann Wieder

 
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