DJ und Doktor: Die erstaunliche Karriere des Chris Klyde

Weiden in der Oberpfalz
15.08.2022 - 14:49 Uhr
OnetzPlus

Der Club 12zehn in Weiden ist sein Wohnzimmer, die Mathematik seine Heimat. Christian Kreuzer verbindet das wilde Nachtleben mit einer akademischen Karriere, als wäre nichts leichter. Wer ist er? Und wie macht er das?

Ein Traum aus Neon und Bass: Der DJ Chris Klyde genießt seinen Auftritt beim Campus-Festival in Weiden.

Als der Regen nicht mehr prasselt und der Nachthimmel klar ist, steigt DJ Chris Klyde auf die Bühne. Neonlicht flutet das Dunkel, mal golden, dann violett. Er, Chris, hat die Ehre, die letzte Stunde mit Musik zu füllen, die Ekstase auszukosten, sie zu steigern, bis alles ausgeschöpft ist an diesem frühen Junimorgen. Bis alle erschöpft sind. Rund 3000 Feierwütige, viele von ihnen Studenten an der OTH, haben sich nach den Regengüssen auf dem Campus-Festival in Weiden wieder ins Freie gewagt und tanzen sich jetzt vor Chris, dem DJ, die Seele aus dem Leib.

"Definitiv der beste Abend, seit ich DJ bin", sagt der Mann mit dem blonden Rauschebart, der großen Brille und 28 Jahren. Die Nacht im Juni war ein Heimspiel für Chris Klyde. Der Weidener spielt regelmäßig in den Clubs der Oberpfalz, von Tirschenreuth bis Regensburg. Das 12zehn in Weiden ist sein "Wohnzimmer", sagt er. Die Mitarbeiter dort: Familie. Wer ist Chris?

Fassungslose Studenten

Als Oberpfalz-Medien ihn am Telefon erreicht, sitzt Christian Kreuzer in seinem Einzelbüro an der Universität Regensburg. Er erzählt von allerlei akademischen Dingen. Von Papers, mit denen man sich in der Wissenschaft einen Namen machen kann, die Währung einer akademischen Karriere. Von seiner Fahrt nach Turin in der vergangenen Woche, wo er einen Teil seiner Doktorarbeit bei der World Finance Conference vorstellte. Von seiner Auszeichnung im Juli, die ihm die Uni verlieh, weil er als Mathe-Übungsleiter und Betreuer von BWL-Studenten herausragte.

Der adrette Herr mit dem Doktortitel und Mathe-Experte treibt an Wochenenden als DJ Chris Klyde Hunderte auf der Tanzfläche mit Beats in die Trance. Wie passt das zusammen? "Ich kenne die Reaktionen", sagt er und lacht. Seine Studenten, die BWLer, denen er die Welt der Mathematik näherbringt, "können es meist nicht fassen, dass ihr Dozent DJ ist".

Nun gibt es über DJs unzählige Klischees. Sie lebten nur für die Nacht, außer ihrer Musik spiele für sie nichts eine Rolle. Drogen und Alkohol seien ihre Lebenselixiere, sonst schafften sie es ja gar nicht vors Mischpult. Der Weidener DJ Chris Klyde ist anders. Er sprengt die Klischees so mühelos, wie er auf der Bühne die Lieder ineinanderfließen lässt.

Für Mathematik als Bachelor-Studiengang hatte er sich wegen eines Buches entschieden, das er für seine Seminararbeit am Augustinus-Gymnasium brauchte. Ein Buch, das eigentlich für Mathe-Studenten gedacht war. "Ich verstand erstmal gar nichts, es war wie Hieroglyphen lesen. Aber ich habe es als Herausforderung gesehen - und mit jedem Schritt war die reine Logik dahinter klarer." Das Buch öffnete für Christian Kreuzer eine Welt und seine Tür zum Studium.

Die Musik im Blut

Etwa zur selben Zeit, mit 17, 18 Jahren, spielte er erstmals mit einem Programm auf seinem Laptop herum, einer Art digitalem Mischpult. Es war "nur Vorgeplänkel", sagt Kreuzer heute. Die Musik, daran führt nichts vorbei, war ihm in die Wiege gelegt. Beide Eltern sind studierte Musiker. Seine Mutter leitet eine Musikschule in Weiden und einen Konzertchor. Der Vater ist Organist in St. Elisabeth in Weiden. Schon mit etwa vier Jahren, genau weiß er es nicht mehr, lernte er erste Instrumente. Blockflöte, später Klavier. Am Piano sitzt er auch heute noch, wenn es die Zeit zulässt. Beethovens "Für Elise" oder das "Rondo alla Turca" von Mozart, kein Problem. Ab und zu knallt er auch die Piano-Version eines Dance-Tracks in die Tasten. Dann schimmert der DJ durch.

Von seinem ersten verdienten Geld während des Bachelors als Übungsleiter, dort wo er anderen Studenten die Kniffs in Mathe beibrachte, kaufte er sich sein eigenes DJ-Equipment. Also ein professionelles Mischpult und einen Plattenspieler. Die Karriere von Christian Kreuzer begann so in seiner Studentenbude. Irgendwo in Regensburg und inmitten von Lehrbüchern über Zahlen, Graphen und Formeln. Einem Freund, der DJ ist, zeigte er 2015 seine ersten Kreationen. "Er sagte zu mir ,Chris, das ist gut. Komm doch mit zu meinem nächsten Auftritt.'"

In wenigen Tagen suchte Kreuzer nach einem Künstlernamen. In Weiden, bei seinem allerersten Auftritt, DJs sprechen von Gig, nannte er sich Chris K. Spät am Abend, auf der Tanzfläche im Club 12zehn in Weiden, standen Studienkollegen aus Regensburg, die ihn spielen hören wollten. "Total aufgeregt" sei er gewesen. Aber alles lief gut. So gut sogar, dass die Club-Betreiber ihn öfter am Mischpult haben wollten.

Kein Alkohol, nur Adrenalin

Von da an ging es schnell. Chris Klyde (wegen Bonnie und Clyde) war bald in der Oberpfalz gefragt. Er spielte seitdem regelmäßig etwa im No4 in Tirschenreuth, im damaligen Casino Amberg, in Regensburg, sogar in Deggendorf. Und natürlich im 12zehn, seinem Weidener Wohnzimmer. Dort stand er auch letzten Freitag am Mischpult und servierte Musik bis zur Ekstase. Alkohol trinkt er während der Arbeit nie. Er muss konzentriert bleiben. "Du musst sofort erkennen, was die Leute hören wollen. Es ist dein Job, den Leuten einen schönen Abend zu machen", sagt er und klingt, als nehme er das bei aller Freiheit des DJ-Business durchaus ernst.

Wie viel verdient Kreuzer in den Clubs? Genaue Zahlen mag er nicht nennen. Er könnte von seinen Einnahmen als DJ leben, ja. Nur: Er will es nicht. Nur aufs Mischpult zu setzen, kam nie infrage. "Es ist Hobby, ein Ausgleich. Ich könnte es nicht so genießen, wenn ich nur davon leben müsste." Klar, es sei ein cooler Lifestyle, man komme viel rum. Aber hauptberuflich? Nein. Das Studium ging immer vor.

Wie es für Kreuzer an der Uni weitergeht, ist noch nicht klar. Denkbar ist eine Habilitation, also der nächste akademische Schritt. Auch ein Beruf in der Wirtschaft ist möglich, etwa für eine Bank oder eine Versicherung. DJ will er in jedem Fall bleiben. Das Gefühl am Mischpult sei schließlich überwältigend. "Wenn die Leute völlig ausrasten und irgendwann verschwitzt zu dir ans Mischpult kommen und sich bedanken, dann hab ich meinen Job gemacht." Vollgepumpt mit Adrenalin, Freude und ein klein wenig Müdigkeit klappt er, der Doktor, dann seinen Laptop zu.

Hintergrund :

Zur Person: Das ist DJ Chris Klyde

  • Geboren 1993 als Christian Kreuzer
  • Eltern sind studierte Musiker, Mutter leitet die Musikschule Kreuzer in Weiden
  • Abitur am Augustinus-Gymnasium 2012
  • Studium: Bachelor und Master in Mathematik an der Uni Regensburg
  • Doktorarbeit am Lehrstuhl für Finance in Regensburg
  • Auszeichnung für seine Lehrtätigkeit im Juli
  • DJ in Oberpfälzer Clubs, teilweise mit festen Tagen (Resident-DJ)
  • Genres: Charts, Black, House
  • Buchbar auch für Hochzeiten oder Firmenfeiern
 
 

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