Zwei Tage nachdem ein deutscher Rassist in Hanau mehrere Muslime sowie seine Mutter und sich selbst erschossen hat, könne es für das Freitagsgebet eigentlich nur ein Thema geben, sagt Maher Khedr. Der Imam sitzt in einem Vorraum der Moschee des Deutschsprachigen Muslimenkreises in Weiden und rückt sein Gewand zurecht. Was in Hanau passiert ist, sei sehr traurig. "Wir gedenken der Verstorbenen."
Unschuldige Menschen starben infolge von Hass und Fremdenfeindlichkeit. Imame wollen den Gläubigen Mut und ein Gefühl von Sicherheit vermitteln, sagt Khedr. Den Hass in der Gesellschaft müsse man sehr ernst nehmen. Er richte sich aber nicht speziell gegen Muslime, sondern allgemein gegen Ausländer.
"Salam aleikum", "Friede sei mit dir", grüßt ein Mann mit Schnurrbart, der in diesem Moment den Raum betritt und lächelt. Das wöchentliche Freitagsgebet nehme im Leben von Muslimen eine zentrale Rolle ein, sagt Khedr. Einmal pro Woche kommen sie als Gemeinschaft zusammen, um in einer Moschee mit einem Prediger zu beten – vergleichbar mit dem sonntäglichen Gottesdienst bei Christen.
Zudem bieten diese wöchentlichen Treffen den Gläubigen die Gelegenheit, sich über ihre Religion, Kultur und über alltägliche Dinge auszutauschen: Wie finde ich eine Wohnung? Wo gibt es Arbeit?
Positive und negative Erfahrungen
In Weiden herrsche ein freundliches Klima gegenüber Fremden, betont Khedr. Ausländer fühlten sich hier willkommener als in vielen anderen Städten. Das heißt aber nicht, dass man nicht auch hier schlechte Erfahrungen macht, sagt Khedr und deutet in Richtung Eingangstüre. Die Glasscheibe hat Sprünge, an der Hauswand haben im vergangenen Jahr Unbekannte Hakenkreuze an die Mauer geschmiert.
Auch weniger extreme Erlebnisse gestalteten das Leben von Muslimen nicht immer einfach. "Man muss sich oft rechtfertigen und um seine Rechte kämpfen." So habe er von einem Arzt gehört, dem eine Patientin nicht die Hand reichen wollte, weil er Türke ist, und nach einem anderen Arzt verlangt habe. "In einem solchen Fall sollte es doch eigentlich ums Fachliche gehen", sagt Khedr. Er steht auf, streift sein Gewand glatt und geht Richtung Gebetsraum.
Auf dem Weg grüßt er Männer mit und ohne Bart, die sich auf das Freitagsgebet vorbereiten. Dieses folge immer demselben Rhythmus, erklärt der Imam. Am Anfang stehe die spirituelle Vorwaschung. Der Gläubige wäscht Hände, Gesicht und Füße, um sich auf das spirituelle Treffen zwischen Mensch und Gott vorzubereiten.
Als Khedr den Gebetsraum betritt, singt ein Mann den Gebetsruf. Um ihn herum knien andere auf dem Boden und beten. In Regalen stehen Koran-Ausgaben in mehreren Sprachen. Religiöse Symbole schmücken die Wände.
Imam Khedr besteigt die Redebühne. "Keine Religion, Nation, Hautfarbe oder Geschlecht hat das Recht, sich als besser anzusehen und andere zu missachten." Khedr predigt auf arabisch und auf deutsch, um auch diejenigen zu erreichen, die kein arabisch sprechen. Rund 80 junge und alte Männer knien im Gebetsraum und in den Vorräumen auf dem Boden und lauschen den Worten ihres Imams. Kinder kommen von der Schule und setzen sich dazu. Einige Gläubige halten die Augen geschlossen. Viele nicken, als sie Khedr sagen hören: "Rassismus lässt Augen erblinden und Herzen bluten. Allah hat euch Stimmen gemacht, damit ihr euch kennenlernen könnt. Redet miteinander. Seid solidarisch."
Aufklären anstatt Hass zu sähen
Nach dem Gebet zerstreut sich die Glaubensgemeinschaft. Einige bleiben noch und unterhalten sich. Angst habe er nach den Vorfällen in Hanau nicht, sagt Yousef Kamal. Der Kinderchirurg aus Ägypten, der seit 1983 in Deutschland lebt, sagt, er fühle sich selbst nicht als Ausländer – er lebe ja schon so lange hier. Aber: "Es ist traurig, dass so etwas in einem westeuropäischen Land passieren kann." Obwohl sie wüssten, dass Migration einen positiven Nutzen für die Ökonomie habe, sähten manche Parteien seit einigen Jahren Misstrauen und Hass, anstatt sachlich aufzuklären und zu beruhigen. Das zeige eine gewisse Doppelmoral. "Das ist sehr schade. Deutschland steht doch für Freiheit und Menschenrechte"
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