Weiden in der Oberpfalz
18.12.2019 - 09:29 Uhr

Geht's noch filigraner?

Niedliche Figuren, eine Bilderbuch-Landschaft, witzige Szenen wie aus dem (fast) wirklichen Leben. Miniaturwelten – manche belächeln sie. Manche werden von ihnen verzaubert. Einer aus dieser Gruppe ist ein Weidener.

Egon Schäffer platziert ein Modellauto auf die Straße. Wer mit Modellen umgeht, muss höchste Vorsicht walten lassen. Zu leicht ist ein filigranes Teil abgebrochen. Bild: räd
Egon Schäffer platziert ein Modellauto auf die Straße. Wer mit Modellen umgeht, muss höchste Vorsicht walten lassen. Zu leicht ist ein filigranes Teil abgebrochen.

In seinem Hauptberuf beschäftigt sich Egon Schäffer mit Weinen und Tapas. Der Gastronom betreibt am Unteren Markt ein beliebtes Lokal. Schäffer ist anspruchsvoll – bei seinen Weinen. Und bei seinem Hobby. Ein Beispiel dafür ist die Szenerie eines Festumzugs, an der er gerade baut. Auf einer Allee tuckert eine Schlange von geschmückten Fahrzeugen. Vorneweg fährt ein weißer Mercedes mit Blumenschmuck auf der Motorhaube und dem Dach. Direkt dahinter ein Traktor-Gespann. Daneben ist ein Rummel aufgebaut: Karussell und Festzelt. Den hölzernen Bierzeltboden hat sein Freund Norbert Wittmann für ihn angefertigt. Nur so konnte er die von ihm selbst gestellten Ansprüche erfüllen. "Ich bin pedantisch. Jungfrau halt; wir sind ja oberlehrerhaft", lacht er. Um sofort ernst zu werden. "Es muss einfach stimmen." Kurzum: Jede seiner Modellszenen im Maßstab 1:87 (Spur H0, "Halb-Null") muss möglichst realistisch wirken. In jeder Hinsicht. "Das Wichtigste ist die Natur", betont Schäffer. "Sie ist sowas von interessant." Deshalb holt er sich Inspirationen und Eindrücke beim Original, um sie später in seinen kleinen Modellwelten umzusetzen. Unterwegs mit seiner Fotokamera, hält er Szenen auf Bildern fest, zum Beispiel eine verfallene Scheune. Gerade solch morbider Charme fesselt viele Modellbauer. So auch Egon Schäffer.

Klinker statt Beton

Ein Festumzug im Aufbau. Noch ist die Szenerie nicht fertig. Vor allem am Straßenrand fehlt noch das sogenannte Begleitgrün. Bild: räd
Ein Festumzug im Aufbau. Noch ist die Szenerie nicht fertig. Vor allem am Straßenrand fehlt noch das sogenannte Begleitgrün.

Er hat sich mit seinen Modellbau-Aktivitäten vor allem auf die Epochen III und IV konzentriert. Dabei handelt es sich um die Zeit zwischen 1945 und 1990. Entsprechende Modelle gehören deshalb zum Fundus Egon Schäffers: Eine Diesellok der Baureihe V200 zum Beispiel. Oder der auch in der Oberpfalz noch bestens bekannte kleine rote Brummer, Spitzname: Schienenbus. In diesem Fall ein Exemplar der Baureihe "Uerdingen". Spricht man Schäffer auf dieses Modell an, kommt er ins Schwärmen: "Ich liebe es." Der Schienenbus ist ein typisches Element der Nachkriegszeit. Er war damals auf allen Strecken Deutschlands, vor allem in ländlichen Gebieten, vertreten. Es ist die Zeitepoche, die es Schäffer angetan hat, in der er selbst groß geworden ist. Und es ist die Zeitepoche, in der viele Modellbahner ihr Hobby angesiedelt haben. Warum? Vielleicht, weil das inzwischen die Jahre sind, die für die "gute alte Zeit" stehen. Für eine Nostalgie, in der Perfektionismus weniger im Vordergrund stand, noch ohne die Sterilität und Uniformität späterer Jahre. Schäffer formuliert das so: "Ein Klinkerbau ist schöner als ein Betonklotz."

Hauptsache filigran

Begonnen hat Egon Schäffer in der Modellbahnwelt mit dem Sammeln von kleinen Modellautos des Herstellers Wiking. Zu den Postautos, die er hatte, wollte er auch ein passendes Umfeld. "Dann habe ich Platte und Böcke besorgt", erzählt Schäffer. Der erste Schritt zur eigenen Anlage. Ein Schreiner baute ihm Gleiswendeln, kreisförmig angelegte Schienentrassen aus Holz, auf denen die Strecken Höhenunterschiede überwinden können. Und Schäffer selbst begann mit dem Brückenbau. "Da ging die Leidenschaft richtig los." Doch schon bald stellte sich bei ihm eine Erkenntnis ein: "Dann habe ich festgestellt, das Fahren ist für mich gar nicht so wichtig." Viel mehr Gefallen fand Schäffer an der Landschaft links und rechts der Bahnhöfe und Streckengleise. Und er konzentrierte sich fortan darauf. Seine Ansprüche stiegen mit der Zeit. "Klobürsten-Bäume kommen mir nicht ins Haus", sagt er bestimmt und münzt das auf das Landschaftszubehör vieler Großserienhersteller. Filigran müssen sie sein, wie die Bäume aus dem Sortiment der Firma seines Freundes Dietmar Wohlfart ("Mein Mentor"), ebenfalls ein Mann aus der Region und begeisterter Modellbahner. Gemeinsam mit ihm baut Schäffer auch regelmäßig an seinen Miniaturwelten.

In mancherlei Hinsicht teilt er übrigens Gemeinsamkeiten mit einem bekannten Modellbahner. Horst Seehofer hat auf seiner Anlage in Ingolstadt angeblich verschiedene Stationen seiner Politikerlaufbahn verewigt. Im Falle Egon Schäffers handelt es sich dabei natürlich um eine Weinkellerei und einen Weinhändler. Diese Szenen und alle anderen müssen natürlich detailgetreu sein und möglichst realitätsnah wirken. Das bedeutet konkret: Plastik darf nicht als solches erkennbar sein. Üblicherweise sind nämlich Bausätze aus Kunststoffteilen, die vom Modellbauer zuerst aus den Spritzlingen herausgebrochen und dann zusammengeklebt werden müssen. Oft genug bleiben dabei kleine Grate stehen, die später die Optik stören. Entgraten steht daher bei Schäffer an erster Stelle. "Ohne Tapeziermesser und Skalpell geht bei mir nix." Oder das Plastik glänzt ganz unnatürlich, denn in der Realität legt sich Patina schnell auf jede Oberfläche. Auch das darf nicht sein. Ergo brauchen Klinker-Wände weiße-graue Fugen. Und auf die gesamte Fläche trägt Schäffer noch verdünnte dunkle Farbe auf. Denn bekanntlich setzen sich ja auch Moos und Schmutz überall schnell an. Unscheinbare Details dürfen ebenfalls nicht fehlen: Hier ein filigranes Geländer, dort eine kleine Laterne. Dort hinten ein Holzstapel, an der Seite eine Gruppe aus Bänken und Tischen. An einem günstigen Standort noch zwei Menschen, die sich unterhalten. Solche Szenen zu drapieren, erfordern Zeit und handwerkliches Geschick. "Ich liebe es zu fummeln. Meine Frau fragt immer: Woher nimmst Du diese Geduld?", lacht Schäffer.

Platz ist Mangelware

Rente mit 30? Zweifellos eine schöne Vorstellung. Wie soll das aber gehen, wenn selbst an einer Modellbahnanlage die Arbeit nicht endet? Bild: räd
Rente mit 30? Zweifellos eine schöne Vorstellung. Wie soll das aber gehen, wenn selbst an einer Modellbahnanlage die Arbeit nicht endet?

Das Modellbahn-Hobby bringt so manche Herausforderung mit sich. Wie diese der zu kleinen Zimmer, Wohnungen, Häuser, Hallen ... "Ich habe mehr Ideen als Platz", bedauert Schäffer. Der aber immerhin ein ganzes Zimmer für sein Bastelhobby erübrigen kann. Dazu noch Vitrinen im Flur, die seine schönsten Lokomotiven und Waggons ins rechte Licht rücken. Dioramen – kleine Landschaftsszenen – bieten aber ideale Möglichkeiten, seinem Hobby zu frönen. Da ist zum Beispiel die Demonstration für die "Rente mit 30". Sie sind Übungsfeld und die Basis seines nächsten Plans. Egon Schäffer plant ein Buch für angehende Modellbahner, die den gleichen Anspruch verfolgen wie er selbst. Allerdings: Er möchte ihnen Tipps und Tricks geben, wie sie die typischen Anfängerfehler vermeiden können. Zum Beispiel den verbreiteten Fehler, eine einfache Spanplatte auf vier Füße zu schrauben. Besser ist eine offene Rahmenbauweise, die erlaubt, von unten auch an schwer zugängliche Stellen zu gelangen. Das Werk soll sich auch an alle richten, die Spaß an einer fertigen Modellbahnanlage haben, die aber womöglich noch mehr Freude am beständigen Bauen und Basteln haben. Schlussendlich gilt ja immer die Erkenntnis aller Modellbauer: Richtig fertig wird eine Anlage nie.

Ein Gerüst an einem im Bau befindlichen Gebäude. Dazu braucht es viel Fingerspitzengefühl. Bild: räd
Ein Gerüst an einem im Bau befindlichen Gebäude. Dazu braucht es viel Fingerspitzengefühl.
Geht's noch filigraner? Kanaldeckel im Maßstab 1:87. Bild: räd
Geht's noch filigraner? Kanaldeckel im Maßstab 1:87.
 
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