Eine Grundsteinlegung war nicht erforderlich und die Mietverträge waren bereits unterschrieben. Mit dem Einzug des Amts für Soziale Dienste aus dem Sozialdezernat der Stadt in das Gebäude der Arbeitsagentur wurde der erste Schritt zum Aufbau des neuen Sozialbürgerhauses vollzogen.
„Um die verhärteten Strukturen der Langzeitarbeitslosigkeit zu durchbrechen, ist eine neue Organisationsstruktur notwendig“, sagte Sozialdezernent Wolfgang Hohlmeier, nachdem die ersten Mitarbeiter seines Dezernats die neuen Räume bezogen hatten. Kurze Wege für alle schaffe mehr Bürgernähe, Transparenz und Effektivität, betonte Hohlmeier. Im Sozialbürgerhaus sollen bürgerorientierte, soziale Dienstleistungen aus den drei Zuständigkeitsbereichen Jobcenter, Stadt und Arbeitsagentur unter einem Dach erbracht werden. Oftmals betreuen alle drei Institutionen ein und dieselbe Person, jeder innerhalb seines eigenen Zuständigkeitsbereichs. Regelmäßige Fallkonferenzen müssten durchgeführt werden, um Hilfen im Einzelfall zu koordinieren. Ab sofort sitzen die Beteiligten „im Zimmer nebenan“, wie es Jobcenter-Geschäftsführer Peter Witt beschreibt, und können sich gemeinsam mit einem Fall befassen. Dass alle datenschutzrechtlichen Belange beachtet würden, versicherte Arbeitsagentur-Bereichsleiterin Claudia Wildenauer-Fischer.
Oberbürgermeister Kurt Seggewiß stellte zur Zusammenarbeit der drei Verwaltungsbereiche fest: „Wir können dabei auch viel voneinander lernen“, denn schließlich gebe es bei allen Beteiligten eine unterschiedliche Verwaltungskultur und Verfahrenspraxis. Dann schildert Seggewiß den Weg bis es zum gemeinsamen Sozialbürgerhaus gekommen ist. Drei Jahre lang dauerten Verhandlungen und Planungen. Eine wichtige Rolle hätten dabei auch Arbeitsagenturchef Thomas Würdinger und der ehemalige Rechts- und Sozialdezernent Hermann Hubmann ausgeübt. Beide hätten von Anfang an die Planung aktiv betrieben und unterstützt. Seggewiß nannte die einzelnen Stationen der Entstehungsgeschichte des Sozialbürgerhauses wie unter anderem Arbeits- und Projektgruppen, Trägerversammlung des Jobcenters, Mietvertragsverhandlungen und Stadtratsbeschlüsse. Am 2. April schließlich konnte der Mietvertrag unterschrieben werden.
Für Jobcenterleiter Witt geht es im ersten Schritt auch um ein Kennenlernen, Schnittstellen herausarbeiten und gemeinsame Prozesse definieren. Demnächst sollen auch Umbaumaßnahmen im Erdgeschoss vorgenommen werden, um eine gemeinsame Eingangszone und Kundensteuerung zu schaffen. Die Jugendberufsagentur ist Teil des Sozialbürgerhauses und betrifft die gemeinsame Betreuung von Jugendlichen.
Bisher sind 13 Mitarbeiter der Stadt in neue Büroräume eingezogen. Möglich wurde dies, weil vom Servicecenter der Arbeitsagentur infolge von Organisationsänderungen Personalkapazitäten nach Baden-Württemberg verlegt wurden. Das reicht jedoch bei weitem nicht aus, denn laut Hohlmeier werden 36 Büros benötigt, damit das gesamte Sozialdezernat ins Sozialbürgerhaus einziehen kann. Um dies umzusetzen, plant die Arbeitsagentur derzeit Auslagerungen von Arbeitsbereichen ohne Kundenkontakt. Die Beteiligten haben sich vorgenommen, dass spätestens in zwei Jahren alle erforderlichen Umbaumaßnahmen und Umzüge abgeschlossen sind. Zu den Ersten, die von den neuen Räumen profitieren, gehört Diplom-Sozialpädagogin Johanna Jelen. "Wir saßen zu zweit oder zu dritt im Büro, jetzt haben wir Einzelbüros, kurze Wege und können störungsfrei beraten“. Hingewiesen wurde auch, dass Besucher des Allgemeinen Sozialdienstes ab sofort in die neuen Räume im ersten Stock des Gebäudes der Arbeitsagentur kommen müssen, die bisherige Postadresse „ Neues Rathaus“ jedoch weiterhin gelte.
Meisterleistung
Wer sich im öffentlichen Dienst auskennt, muss staunen, was sich da derzeit zwischen Stadt, Jobcenter und Arbeitsagentur abspielt. Die Einrichtung eines Sozialbürgerhauses verdient großes Lob. Schließlich ist es keineswegs selbstverständlich, dass eine Kommune und eine Bundesbehörde mit streng getrennten Zuständigkeiten an einem Strang ziehen. Im Volksmund gilt ja bekanntlich, dass Beamte erst einmal die Zuständigkeit prüfen, bevor sie tätig werden. Spätestens jetzt gilt dies im Sozialbürgerhaus nicht mehr, denn alle arbeiten dort am selben Ziel: den Schwachen wirksam zu helfen. Und das geht eben nur, wenn der gesamte hilfebedürftige Mensch betrachtet wird und er nicht in Zuständigkeitsbereiche aufgeteilt wird. Wenn schon der Gesetzgeber das nicht getan hat, ist es umso erfreulicher, dass sich die ganzheitliche Betrachtung im Verwaltungsvollzug durchsetzt. Dass dabei auch ziemlich unterschiedliche Kulturen von Stadtverwaltung und Bundesverwaltung aufeinanderstoßen, deutete auch der Oberbürgermeister an. Vielleicht gelingt es, dass sich die Obercontroller der Bundesagentur in Nürnberg ein wenig zurückzunehmen und gleichzeitig die kommunalen Mitarbeiter auch die Vorteile eines Controlling-Systems kennenlernen.
Siegfried Bühner