Heuschrecken im Burger statt Hackfleisch, geröstete Heimchen statt Chips oder knusprige Würmer in der Schokolade statt Nüssen. Essbare Insekten werden als vielversprechende Innovation im Lebensmittelsektor gesehen. Was in anderen Ländern bereits fest auf der Speisekarte integriert ist, sorgt in Deutschland für Aufschrei und Ekel. Dabei bringen die kleinen Krabbeltiere erhebliche Vorteile mit sich. Vor allem in Sachen Nachhaltigkeit haben sie "einige Plus-Punkte", sagt Daniela Krehl, Ernährungsberaterin bei der Verbraucherzentrale Bayern. Die Insektenzucht brauche weniger Platz, Wasser und Futter als die von Rindern, Schweinen oder Hühnern. Zudem verursachen sie weniger Treibhausgase.
Insekten sind laut Krehl außerdem hervorragende Energielieferanten. Die Krabbeltiere haben ähnlich viel Protein wie das Fleisch von Rind, Schwein oder Pute. Gefriergetrocknet sogar einen deutlich höheren Gehalt, erklärt Krehl. Der genaue Proteinanteil variiere je nach Art des Insekts. "Insekten sind prinzipiell ein guter Fleischersatz", sagt die Ernährungsberaterin.
Schmecken Insekten überhaupt?
Das sieht Koch Jürgen Füssl aus Altenstadt etwas anders. Solange Fleisch noch bezahlbar ist, kommen bei ihm keine Insekten auf den Teller, sagt der Inhaber des Restaurants "dWirtschaft". Vegan, vegetarisch oder nur Fleisch – auf all das lässt sich Füssl gerne ein. Sein Angebot richte sich nach der Nachfrage. Nach Insekten wurde der Koch jedoch noch nie gefragt. Er selbst hat die Krabbeltiere schon mal in Form von Chips und Burger-Pattys auf einer Messe in Berlin getestet: "Meins ist es nicht."
Für Wolfgang Würth, Redakteur bei Oberpfalz-Medien, wagt er sich aber selbst an die Zubereitung von Insektenburgern. "In der Oberpfalz kochen wir auch Biber, da können wir uns auch an Insekten wagen", sagt Füssl. In Online-Shops gibt es verschiedene Patty-Varianten. Preislich liegen zwei Pattys bei rund fünf Euro, plus Versandkosten. Füssl testet ein Tiefkühl-Patty auf Basis von Pilzen, Erbsenprotein und 38 Prozent gemahlenen Buffalo-Würmern. Dazu gibt es in Knoblauch geröstete Heimchen und Heuschrecken. "Essbar. Nichts, wovor man sich ekeln muss", lautet das Fazit von Testesser Würth. Einen guten Rindfleischburger ersetzen Insekten für ihn trotzdem nicht. Die "kleinen Teile" – geröstete Heimchen und Heuschrecken – haben laut Würth kaum Eigengeschmack. Wirklich Überwindung habe ihn das Essen nicht gekostet.
Zahlreiche Verbraucherbefragungen zeigen laut Bundeszentrum für Ernährung, dass sich in Deutschland mittlerweile ungefähr 20 Prozent der Bevölkerung vorstellen kann, Insekten zu essen. In einer Umfrage des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) von 2016 waren es nur 10 Prozent. Weitere rund 30 Prozent sagten in dieser Umfrage, sie würden Insekten als eine Art Mutprobe essen.
Werden uns Insekten untergejubelt?
Im Referat "Lebensmittel und Ernährung" der Verbraucherzentrale Bayern gingen nach der Neuzulassung von Buffalo-Würmern Anfang 2023 zahlreiche Fragen von unsichereren Verbrauchern ein. Schuld daran sei die Berichterstattung der Medien, sagt Daniela Krehl, die Ernährungsberaterin bei der Verbraucherzentrale Bayern: "Die Menschen hatten Angst, dass sie Insekten in Lebensmitteln wie Brot untergejubelt bekommen." Das ging sogar so weit, dass Bäcker extra Hinweisschilder aufstellen mussten, dass sie keine Insekten verarbeiten. Diesen Gerüchten konnte Krehl aber schnell ein Ende setzen. Insektenmehl sei so teuer – zwischen 50 und 100 Euro pro Kilogramm – dass sich die Zutat auch im Brotpreis bemerkbar machen würde. Die Bäcker würden dann explizit auf die Zutat hinweisen und sie nicht verschweigen, sagt die Ernährungsberaterin. Laut Krehl sollen Insekten in Zukunft Zutaten nicht ersetzen, sondern erweitern. Aktuell sind die Preise aber noch zu hoch, als dass sich Insekten wirklich durchsetzen, sagt Krehl.
Hohe Preise und offene Fragen
Das zeigt auch ein Blick in die Supermarktregale. Bereits 2019 gab es Riegel, Chips oder Burger-Pattys aus Insekten. Doch ein Preis von rund sieben Euro für gewürzte und getrocknete Grillen, der mache die Produkte wohl eher zu einem lustigen Mitbringsel beim Filmabend, vermutet Krehl. Auch der Ekel könnte ein Grund sein, warum Insekten schnell wieder aus den Regalen und von Speisekarten in Deutschland verschwunden sind. Umso mehr werden sich im Januar Handelsketten geärgert haben, dass sie die Tierchen aus dem Sortiment gestrichen haben. Mittlerweile sind die Krabbeltiere wieder in aller Munde. Im Internet sind Insekten-Pattys oder Probepackungen tagelang ausverkauft. Das Interesse ist da. Die Ernährungsberaterin hofft, dass das auch so bleibt.
Dennoch brauche es für die Zukunft einige festgelegte Kriterien und Standards. Das Tierwohl soll auch hier im Vordergrund stehen. Deshalb müsse auch festgelegt werden, wie die Tiere getötet werden dürfen. Außerdem handelt es sich bei der Zucht von Insekten immer noch um eine Massentierhaltung. Um Schädlinge in einer Monokultur zu vermeiden, könnte auch hier Antibiotika eingesetzt werden, sagt Krehl. Ein weiterer Minuspunkt sei, dass die Tiere Wärme brauchen. "Wenn hier nicht erneuerbare Energie verwendet wird, verhagelt das auch die CO₂-Bilanz", sagt die Ernährungsberaterin. Denkbar sei auch, dass Insekten zukünftig regional produziert werden.
Diese Insekten sind zugelassen
- Gelber Mehlwurm: Der gelbe Mehlwurm ist das erste Insekt, das in Europa als Lebensmittel zugelassen wurde. Die durch Wärme getrocknete Larve des Mehlkäfers Tenebrio molitor darf als Ganzes oder gemahlen als Lebensmittel verkauft werden.
- Europäische Wanderheuschrecke: Seit November 2021 ist auch die Wanderheuschrecke (Locusta migratoria) als Lebensmittel zugelassen. Sie darf in Europa gefroren, getrocknet (jeweils ohne Flügel und Beine) oder gemahlen verkauft werden.
- Hausgrille, Heimchen: Der Verkauf der Hausgrille (Acheta domesticus) in Europa ist seit 2021 gesetzlich geregelt. Sie kann im Ganzen, gefroren oder gefriergetrocknet und vermahlen zu Pulver verkauft werden. Seit Januar 2023 wurde sie als teilweise entfettetes Pulver zugelassen.
- Buffalo-Wurm: Seit Januar 2023 ist die Larve des Getreideschimmelkäfers – auch bekannt als "Buffalo-Wurm" – zugelassen. Gekennzeichnet werden müssen diese oder Lebensmittel mit dieser Zutat mit "Larven von Alphitobius diaperinus (Getreideschimmelkäfer)". Die Larven können gefroren, als Paste, getrocknet und in Pulverform in Lebensmitteln verarbeitet werden.
- Quelle: Verbraucherzentrale
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