Wenn die Deutsche Presse-Agentur über einen Unfall berichtet, ist der entweder kurios oder groß. Auch bei Unfällen mit E-Bikes macht die Agentur da keine Ausnahme - und trotzdem meldet sie beinahe täglich einen solchen. Meistens sind es schwere Unfälle, manchmal sogar tödliche. Vor knapp zwei Wochen starb ein 61-Jähriger bei Passau. Mitte August kamen binnen zwei Tagen zwei E-Biker ums Leben, bei Augsburg und in der Fränkischen Schweiz. Und erst vor ein paar Tagen verletzte sich ein Radler bei Hirschau schwer. Ein Trend?
Ja, sagt das bayerische Innenministerium auf Nachfrage unserer Zeitung. In Bayern, genau wie in der Oberpfalz, steigt die Zahl der Unfälle mit einem Pedelec, so der Fachbegriff für die gängigen E-Bikes, teils beachtlich. Obwohl die Gesamtzahl der Fahrradunfälle sinkt.
Sechs tote E-Biker
In der Oberpfalz gab es in der ersten Hälfte dieses Jahres 56 Verkehrsunfälle mit E-Bikes, im ersten Halbjahr 2018 waren es 37. Fürs ganze Jahr 2017 zählt die Polizei Oberpfalz 69 - diese Zahl ist damit heuer schon fast erreicht. Die Zahl der Fahrradunfälle insgesamt ging laut Innenministerium im Bezirk dagegen zurück, von 505 im Halbjahr 2018 auf 472 im Halbjahr 2019. Im Freistaat schrumpfte die Zahl um fast sieben Prozent, von 7973 auf 7439. Dafür gab es in Bayern 33 Prozent mehr E-Bike-Unfälle (von 577 auf 768).
Im ersten Halbjahr 2019 verunglückten 39 Fahrradfahrer auf Bayerns Straßen, 6 davon waren mit einem Elektrorad unterwegs. In der Oberpfalz starb in diesem Jahr noch kein E-Biker, 18 verletzten sich allerdings schwer. 2017 und 2018 taten das jeweils 27 Radler - im gesamten Jahr. In diesen Jahren kamen jeweils eine Person mit einem E-Bike ums Leben, wie die Polizei mitteilt.
Warum die Unfälle mit E-Bikes so zugenommen haben? Logischerweise liegt das vor allem daran, dass deutschlandweit immer mehr Elektrofahrräder verkauft werden, sagen Ministerium und Polizei. Laut Zweirad-Industrie-Verband wurden im ersten Halbjahr 2019 rund 920 000 E-Bikes verkauft. Damit war fast jedes dritte verkaufte Radl in Deutschland eins mit elektrischen Antrieb. Am Ende des Jahres werden es ziemlich sicher erstmals mehr als eine Million verkaufte E-Bikes sein.
Viele Senioren beteiligt
Die Vorteile der Pedelecs - es gibt keine Helmpflicht, man braucht keine Fahrerlaubnis und kann sich trotzdem leicht und recht schnell fortbewegen - führe dazu, dass vor allem auch ältere Menschen aufs E-Bike steigen, erklärt die Polizei. Menschen also, die ohnehin schon zu den Gefährdeten im Straßenverkehr zählten. Zudem steigen "oftmals Personen aufs Pedelec, die über einen längeren Zeitraum nicht mehr Fahrrad gefahren sind".
"Auffällig", berichtet das Innenministerium, "ist der hohe Anteil der Senioren bei Unfällen mit einem Pedelec". Bei den diesjährigen E-Bike-Unfällen in Bayern seien zu fast 38 Prozent Menschen ab 65 Jahren beteiligt. Bei Unfällen mit normalen Rädern seien Senioren dies nur zu 17 Prozent. In der Oberpfalz ist es ähnlich: 33 Prozent der Beteiligten bei E-Bike-Unfällen seien Senioren, in der anderen Kategorie sei diese Gruppe nur zu 13 Prozent betroffen.
Siegfried Brockmann, Unfallforscher der Versicherer (GDV), prophezeit einen weiteren Anstieg der E-Bike-Unfälle, auch die Zahl der getöteten Radler werde steige. Vor allem die die Senioren seien ein Problem. Viele von ihnen könnten zwar nicht mehr fahren, dank der elektrischen Räder seien sie aber wieder auf den Straßen unterwegs. "Die E-Bikes sind zu schwer und zu schnell für sie", sagte Brockmann der "Augsburger Allgemeinen."
Gefahr durch Senioren?
Sind ältere Menschen auf dem E-Bike also eine Gefahr? Alexander Martin, Zweirad-Experte bei der Weidener Werkstattkette ATU, widerspricht, zumindest teilweise. Pauschal könne man das so nicht sagen. "Sicherlich können die Reaktionsfähigkeit und körperliche Fitness bei Älteren nachlassen, was dann eventuelle Risikofaktoren sind", so Martin. Andererseits sei ein 80-Jähriger, der seit der Kindheit täglich oder oft mit dem Rad unterwegs ist, besser im Umgang mit dem E-Bike als ein junger Mensch, der nur selten Fahrrad fährt oder viele Jahre nicht gefahren ist.
Wenn es nach der Allianz geht, sind E-Bikes viel gefährlicher als normale Räder. Das Todesrisikosei dreimal höher, so eine Studie der Versicherung. Zweirad-Experte Martin sieht das nicht so. Er sagt aber auch: "Die geringe Anstrengung verleitet dazu, nicht immer der Situation angepasst zu fahren." Viele Radler würden sich einfach selbst überschätzen. Dazu kommt: "Die Geschwindigkeit und die Kraft von E-Bikes werden zum Teil leider schon unterschätzt" - vom Fahrer selbst wie auch von anderen Verkehrsteilnehmern. Aber, so Martin: "Wer verantwortungsbewusst fährt, sich an die Verkehrsregeln hält, sich auf den Straßenverkehr konzentriert und das E-Bike beherrscht, stellt keine Gefahr dar."
Prinzipiell sei dasselbe zu beachten, wie bei einem normalen Fahrrad, sagt ATU-Zweirad-Experte Alexander Martin. Hier seine zehn Tipps, um sicher mit dem E-Bike ans Ziel zu gelangen:
- Üben, üben, üben – wenn möglich vorerst in sicherer Umgebung
- Mit der Straßenverkehrsordnung sowie mit den Bestimmungen für Fahrradfahrer vertraut machen und diese auch beherzigen
- Wer körperlich nicht in der Lage ist, Auto zu fahren (Alkohol, Medikamente, Drogen, Krankheiten), sollte auch auf kein E-Bike steigen
- Den Witterungs- und Straßenverhältnissen angepasst fahren
- Rechtzeitig die Fahrradbeleuchtung einschalten – gegebenenfalls Ersatzbatterien mitführen und die Batterien rechtzeitig ersetzen
- Helle Kleidung beziehungsweise Reflektoren tragen
- Fahrradhelm benutzen
- Funktionsfähigkeit von Bremsen, Beleuchtung und Klingel vor jeder Fahrt prüfen
- Nicht ständig auf den Bordcomputer schauen; das Handy ist während der Fahrt tabu
- Vor Saisonstart einen Service nach Herstellervorgaben machen lassen
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