Weiden in der Oberpfalz
23.07.2019 - 08:00 Uhr

"Die Mentalität der Oberpfälzer ist eine Chance"

Auch dank Digitalisierung ist unsere Region wirtschaftlich mittendrin statt außen vor. OTH-Professor Günter Schicker über Hoffnungen, Ängste und einen neuen Studiengang.

Professor Schicker mit Studentinnen am Flip-Chart. Bild: Gabi Schönberger
Professor Schicker mit Studentinnen am Flip-Chart.

ONETZ: Herr Professor, wird die Arbeit der Zukunft noch menschlich sein, oder werden wir zum Opfer einer digitalen Technokratie?

Günter Schicker: Es wird menschlicher denn je - das ist meine These. Emotion, Inspiration, Kreativität, auch soziale und persönlichen Kompetenzen werden durch Maschinen nicht einfach ersetzbar. Business, auch und gerade im digitalen Zeitalter, erfordert ein Miteinander im Unternehmen, zwischen Partnern und Kunden. Das lässt sich nicht durch Nullen und Einsen ablösen. Ausnahmen mögen die Regel bestätigen, mehr nicht.

Neue Technik zum Anfassen: Ein Student macht erste Erfahrungen mit einer VR-Brille. VR steht dabei für "Virtual Reality", also Virtuelle Realität Bild: Gabi Schönberger
Neue Technik zum Anfassen: Ein Student macht erste Erfahrungen mit einer VR-Brille. VR steht dabei für "Virtual Reality", also Virtuelle Realität

ONETZ: Werden manche Berufe verschwinden?

Günter Schicker: Natürlich wird es Berufe geben, die sich völlig verändern oder sogar aussterben. Das war zur Einführung der Dampfmaschine nicht anders. Gleichzeitig herrscht ein Mangel an Arbeitskräften, die diesen Wandel mitgestalten. Die Digitalisierung wird in jede Branche und in jeden Beruf Einzug halten. Die Frage ist nur, wie stark. Eine Studie der Oxford-Professoren Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne hat analysiert, welche Berufe von Maschinen ersetzt werden: Während Berufe im Büro einem starken Veränderungsdruck ausgesetzt sein werden, sind andere weniger betroffen, etwa Berufe in der Kinderbetreuung, in der Pflege, im Management oder Ingenieurtätigkeiten. Digitalisierung wird den Menschen nicht ersetzen, aber die Berufe verändern und Menschen und deren Beschäftigung auch positiv unterstützen. Ich bin aber keineswegs naiv und will nicht verschweigen, dass viele Aspekte, wie Ethik, IT-Sicherheit und die gesellschaftlichen Auswirkungen der Digitalisierung nur im Ansatz erkannt sind.

Professor Dr. Günter Schicker Bild: Gabi Schönberger
Professor Dr. Günter Schicker

ONETZ: Sind die Oberpfälzer Unternehmen digital gut aufgestellt oder sehen Sie Nachholbedarf?

Günter Schicker: Diese Frage stellen Sie mir zu pauschal. Wissen Sie, es gibt bei uns viele Unternehmen, die längst begriffen haben, was der digitale Wandel für ihr Geschäft bedeutet. Mit neuen Produkten, Geschäftsmodellen und digitalisierten Prozessen gestalten diese Firmen den Wandel aktiv mit. Diese Unternehmen wissen, wie wichtig es ist, Veränderungen mit allen Beteiligten gemeinsam anzugehen, Ängste zu nehmen, Neues auszuprobieren. Digitalisierung ist nämlich kein Ziel, das man erreichen kann, Digitalisierung ist ein fortwährender Prozess. Dem kann man sich passiv aussetzen und darauf warten, bis Mitbewerber und Kunden an einen vorbeilaufen: Oder man packt an, sammelt Erfahrungen, schaut was funktioniert und was nicht.

ONETZ: Bringt "Digital Business" neue Chancen für den Standort Oberpfalz?

Günter Schicker: Die Antwort ist eindeutig: ja! Es gibt vielversprechende Initiativen, die die Oberpfalz voranbringen werden. Die Hochschulen werden mit Ressourcen, unter anderem neuen Professuren für neue Studiengänge, ausgestattet, um das Thema Digitalisierung und künstliche Intelligenz voranzubringen. Auch andere Initiativen, wie die "Denkwelt Oberpfalz" werden die Region prägen. Ein Vorteil ist die Mentalität der Oberpfälzer. Heimatverbunden, aber trotzdem offen für Neues. Gleichzeitig mit der Beharrlichkeit ausgestattet, Themen nicht nur an der Oberfläche anzureißen, sondern echt anzupacken. Das, gepaart mit heute oft belächelten, aber in der Praxis immer noch sehr gefragten Werten wie Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und Vertrauenswürdigkeit! Diese Themen sind in 100 Jahren noch das Fundament erfolgreicher Geschäftsleute.

ONETZ: Gemeinsam mit Ihrem Kollegen Professor Johann Strassl leiten Sie an der OTH in Weiden den neuen Master-Studiengang "Digital Business", der mit einem "Master of Science" abschließt. Wo gibt es denn in der Unternehmenspraxis Bedarf für Ihre Absolventen?

Günter Schicker: Unsere Absolventen qualifizieren sich für die Gestaltung des digitalen Wandels in etablierten Unternehmensbereichen, wie zum Beispiel Produktmanagement, Marketing, Produktion, IT, aber auch für völlig neue Berufsbilder, wie etwa "Chief Digital Officer", "Smart Product Manager", "Digital Consultant". Die Studierenden lernen digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln oder „smarte“ Produkte zu gestalten und zu vermarkten. Aber auch Themen wie Data Analytics, quantitative Verfahren, Führungsfragen oder Fragen der Cybersicherheit und Rechtsaspekte sind im Lehrplan. Der Bedarf ist enorm. Die Oberpfälzer Unternehmen müssen aber verstehen: Sich auf niedrigere Lebenshaltungskosten zu berufen, genügt nicht - gute Leute wollen auch gut verdienen.

 
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